Oberbürgermeister-Wahl: Potsdam, die rote Trutzburg
In Potsdam gibt es eine rot-rote Stichwahl um das Oberbürgermeisteramt. In Brandenburgs Hauptstadt weiß die SPD noch, was die Menschen bewegt. Ein Kommentar.
Ungeachtet aller Erschütterungen in Bund und Land bleiben SPD und Linke die starken politischen Kräfte in Brandenburgs Hauptstadt. Ihre Kandidaten werden sich bei der Stichwahl ums Potsdamer Oberbürgermeisteramt in drei Wochen duellieren – so war es schon bei den Wahlen vor acht, vor 16 und vor 25 Jahren. Potsdam, einsame Insel der Glückseligkeit für die siechende Sozialdemokratie und die taumelnde Linkspartei.
Wie aber hat die SPD in dieser Stadt die bundesweite Krise unbeschadet überstanden – und den massiven Zuzug nach Potsdam, der eigentlich Union und Grüne stärken müsste? Die Antwort ist verblüffend einfach. Sie hat über viele Jahre das getan, was sie im ganzen Land nicht mehr ausreichend vermag: Dran zu bleiben an dem, was die Menschen bewegt. Das ist auch ein Verdienst des scheidenden Oberbürgermeisters Jann Jakobs, 16 Jahre im Amt. In Potsdam sind die Plattenbauten in Drewitz, einst Problemviertel, längst saniert und klimafreundlich umgebaut. Wo eine Straße das Wohngebiet durchschnitt, ist jetzt ein Park. Trotzdem sind die Mieten der Sozialwohnungen nicht nennenswert gestiegen. Ein Paradebeispiel, eines mit mehr als Symbolkraft.
In Potsdam wird heftig um die Identität der Stadt diskutiert
Aber diese Potsdamer Oberbürgermeisterwahl zeigt auch, wie wichtig Diskurs Auseinandersetzungen in einer Demokratie sind. Während Deutschland sich schwer tut, die konträren Lager miteinander ins Gespräch zu bringen, wird in Potsdam immer heftig diskutiert, ja teils erbittert gestritten. Um jede politische Entscheidung, besonders um die Stadtentwicklung – befeuert von einer starken Opposition aus Linkspartei und Wählergruppe Die Andere und einer engagierten Bürgerschaft mit zahllosen Bürgerinitiativen, einer gewollt starken Bürgerbeteiligung. Dabei geht es um die Identität der Stadt, die rasend schnell wächst, in der Wohlstand und Mäzenatentum Segen bringen, aber auch Kämpfe darum, wer die Oberhand behält in Potsdam.
Doch entscheidend für den Wahlerfolg von SPD und Linke sind nicht allein die positive Bilanz und die herausragende Entwicklung der Stadt, in der knapp 90 Prozent der Einwohner zufrieden sind. Längst geht es auch nicht mehr maßgeblich um Ideologien, um eine drohende Spaltung zwischen Alt- und Neu-Potsdamern, um die Bewahrung des DDR-Erbes im Stadtbild oder den Wiederaufbau des Garnisonkirchturms.
Der politische Häuserkampf ist passé
Es geht darum, wie Potsdam mit seinem Wachstum umgeht – welche Stadt das Potsdam der Zukunft sein wird. Was die Stadtpolitik tun kann gegen immer höhere Mieten und verstopfte Straßen, überfüllte Straßenbahnen und zu selten fahrende Busse, gesichtslose Neubauten auf der grünen Wiese, den Mangel an Kita- und Schulplätzen. Der politische Häuserkampf, der gerade noch tobte, ist passé, außer es geht darum, ein Dach über dem Kopf zu haben, das bezahlbar ist.
Das haben die Kandidaten von SPD und Linke, Mike Schubert und Martina Trauth, am besten begriffen und sich bekannt: Zu einem behutsamen (SPD), sozialem (Linke) Wachstum, das Investoren Einhalt gebietet, sie gleichzeitig zur Kasse bittet für Infrastruktur und Sozialwohnungen. Und zu einer handlungsfähigen, starken Stadtverwaltung, die das Wachstum zu gestalten vermag. Diese Entschlossenheit, dokumentiert im vom Oberbürgermeister angeführten überparteilichen Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“, das sich rechten Umtrieben konsequent entgegenstellt, hat auch der rechtspopulistischen AfD den Boden entzogen.
Potsdam ist für keine Überraschung gut. Und das ist nicht nur gut so. Sondern zur Nachahmung empfohlen.