Verkehrswende in Berlin: Pop-up-Radwege bleiben mindestens bis Ende 2020
Die Provisorien sollen zur Dauerlösung werden. Der Senat will helfen, wo er kann – und sieht sein Vorgehen durch die StVO gedeckt.
Geklebt, um zu bleiben: Zwei Tage vor Ablauf der ursprünglichen Frist hat die Senatsverwaltung für Verkehr die Anordnung für die sogenannten Pop-up-Radwege bis Ende dieses Jahres verlängert. Das teilte die Verwaltung von Senatorin Regine Günther (Grüne) am Freitagabend mit. „Die entsprechende Mitteilung geht nun an die Bezirke als Straßenbaulastträger", heißt es.
Erklärtes Ziel der Verwaltung ist, die provisorisch aus Baustellenmarkierungen und Absperrbaken hergerichteten Radfahrstreifen an Hauptstraßen „auf möglichst vielen Strecken" durch dauerhafte Lösungen zu ersetzen. Geplant seien reguläre weiße Markierungen, bei Bedarf baulicher Schutz gegen widerrechtliches Befahren und Parken durch Kraftfahrzeuge und Oberflächensanierung.
„Die Senatsverwaltung steht in Abstimmung mit mehreren Bezirken, die bereits Vorschläge für weitere temporäre Radfahrstreifen auf Strecken unterschiedlicher Länge vorgelegt haben. Diese Vorschläge werden geprüft", heißt es aus Günthers Verwaltung.
Mehrere Außenbezirke sind prinzipiell dagegen
Die Pop-up-Radwege sind seit Ende März überwiegend in Friedrichshain-Kreuzberg eingerichtet worden – jeweils auf Anordnung der Senatsverwaltung, aber in enger Abstimmung mit dem bei diesem Thema konkurrenzlos aktiven Bezirk. Das Bezirksamt hatte betont, dass der reguläre Verwaltungsweg – einschließlich Beteiligung der Polizei – auch bei den Provisorien eingehalten werde. Neun der zehn Projekte im Bezirk seien ohnehin geplant gewesen. Die Ausnahme ist die verbreiterte Aufstellfläche an der Zossener Straße vor der Gitschiner Straße.
Dass der im Mobilitätsgesetz seit 2018 verbindlich verankerte Ausbau des Radwegenetzes plötzlich binnen weniger Tage forciert wurde, begründete das Bezirksamt damit, dass zur Verkehrssicherheit akuter Handlungsbedarf durch den Infektionsschutz gekommen sei: Fußgänger und Radfahrer sollten sich nicht unnötig auf schmalen Seitenstreifen drängen. Hinzu kam eine deutliche Abnahme des Autoverkehrs während der Coronakrise, während der der Radverkehr trotz massiver Ausgangsbeschränkungen nicht zurückging.
Inzwischen sind provisorische Radfahrstreifen auf elf Straßenkilometern hergerichtet worden, etwa ebenso viele sollen laut Senat noch folgen. Nach Friedrichshain-Kreuzberg haben auch Mitte und Pankow sowie Charlottenburg-Wilmersdorf einzelne Projekte ganz oder teilweise umgesetzt. Mehrere Außenbezirke wie Reinickendorf und Lichtenberg lehnen die Pop-up-Radwege allerdings prinzipiell ab.
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Die jetzt verkündete Verlängerung der Anordnungen wird nicht mehr mit dem Infektionsschutz begründet, sondern allein mit der Straßenverkehrsordnung. Die sieht Beschränkungen für den fließenden Verkehr nur ausnahmsweise vor, nennt die Einrichtung von Radfahrstreifen allerdings explizit als eine solche Ausnahme.
Die FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus bezweifelt allerdings, dass die Anordnung der Radfahrstreifen rechtssicher ist. Sie hat dazu ein Gutachten beim Wissenschaftlichen Dienst des Parlaments in Auftrag gegeben. Vor allem will sie klären lassen, ob bei der Umwandlung der Provisorien in dauerhafte Radspuren die sogenannten Träger öffentlicher Belange involviert werden müssen, also beispielsweise die BVG. Deren Busse müssten dann womöglich auf gemeinsamen Spuren hinter Radfahrern herzuckeln oder könnten im Stau stehen, wie FDP-Verkehrsexperte Henner Schmidt erklärt. Er rechne allerdings damit, dass das Gutachten erst in mehreren Wochen vorliegen wird.