Unfalltod von Fabien Martini: Polizist angeklagt – Verkehrsgefährdung durch Trunkenheit und fahrlässige Tötung
Im Januar 2018 starb in Berlin die 21 Jahre alte Fabien Martini, als ein Polizeiwagen in ihr Auto raste. Nun gibt es eine Anklage gegen den Polizisten Peter G.
Knapp zwei Jahre nach dem Unfalltod der damals 21-jährigen Fabien Martini hat die Staatsanwaltschaft Berlin Anklage gegen den Polizeibeamten Peter G. erhoben. Das erfuhr der Tagesspiegel aus Justizkreisen. Dem Polizisten werden fahrlässige Tötung und Gefährdung des Straßenverkehrs durch Trunkenheit vorgeworfen.
Die Staatsanwaltschaft hat die Anklage vor einem für Verkehrsrecht zuständigen Schöffengericht am Amtsgericht Tiergarten erhoben. Mit einem Urteil von mehr als vier Jahren ist nicht zu rechnen. Dass eine Trunkenheit angeklagt wird, ist nach den jüngsten Entwicklungen in dem Fall überraschend.
Die Blutprobe liegt nicht mehr vor
Selbst der Anwalt der Familie Martini erwartete vor einigen Wochen noch, dass die Anklage auf fahrlässige Tötung hinauslaufen werde – und nicht auf Trunkenheit. Fabien war am 29. Januar 2018 in ihrem Renault in der Grunerstraße in Mitte unterwegs, Peter G. fuhr mit Blaulicht mit 134 Stundenkilometern nach einer Raub-Meldung durch den leeren Grunertunnel zu einem Einsatz.
Fabien Martini fuhr mit ihrem Wagen von einer der rechten Spuren nach links auf die Parkplätze auf dem Mittelstreifen. Beim Aufprall war der Polizeiwagen noch 91 Stundenkilometer schnell. Fabien Martini erlitt schwere Verletzungen und starb. Dem Polizisten war nach dem Unfall im Virchow-Campus der Charité eine Blutprobe entnommen worden, die 1,1 Promille Alkohol aufwies.
Da die Probe nicht mehr vorliegt und die Vorschriften für Blutentnahme bei alkoholisierten Autofahrern – nämlich eine zweite Probe – nicht beachtet wurden, dürfte vor Gericht zu klären sein, ob die Werte aus der Krankenakte überhaupt verwertbar sind.
Für Verkehrsdelikte mit Alkohol sind eigentlich zwei Blutproben in einem zeitlichen Abstand vorgeschrieben. Erst dadurch kann festgestellt werden, wie schnell sich der Alkohol abbaut, und wie hoch der Alkoholgehalt im Blut zum Zeitpunkt des Unfalls gewesen ist.
Der Tod von Fabien Martini und der Fall des Polizisten Peter G.
- Der Unfall und der Tod von Fabien Martini - eine Rekonstruktion.
- Dienstaufsichtsbeschwerde - Anwalt der Eltern greift ermittelnden Staatsanwalt an.
- Jahrelange Ermittlungen - wichtige Fragen bleiben ungeklärt.
- Patientenakte weitergereicht - warum die Staatsanwaltschaft auch gegen den Opfer-Anwalt ermittelt.
Ohne zweite Probe hat ein Dresdner Institut im Auftrag der Staatsanwaltschaft errechnet, dass für den Unfallzeitpunkt ein Blutalkoholwert von 0,8 Promille angenommen werden könne. Unklar ist auch, ob die bei Verkehrsdelikten für Blutproben vorgeschriebene Desinfizierung ohne Alkohol eingehalten wurde.
Die Staatsanwaltschaft führt die Patientenakte als Beweis an, die nach einem anonymen Hinweis an den Familienanwalt trotz eines üblichen Beschlagnahmeverbot vor knapp einem Jahr in der Charité sichergestellt wurde. Selbst der Anwalt der Familie Martini hatte Zweifel geäußert, ob die Akte verwertbar ist. Daneben hatte er Polizei und Staatsanwaltschaft schwere Fehler vergeworfen: Es sei nicht umfassend ermittelt worden.
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Unfallgutachter stellt keine verspätete Reaktionszeit fest
Das Gericht hat die Anklage noch nicht zugelassen. Jens Grygier, Verteidiger des Polizisten, erklärte dem Tagesspiegel auf Anfrage, die Anklage einer Trunkenheitsfahrt entbehre einer juristischen Grundlage. Der Unmut der Familie Martini sei menschlich verständlich, sagte Grygier. Er hoffe jedoch, dass im Verfahren vor dem Schöffengericht eine sachliche Klärung des Vorwurfs der fahrlässigen Tötung erfolge.
Ein Unfallgutachter hat nach Tagesspiegel-Informationen in zwei Gutachten festgestellt, dass bei G. keine verspätete Reaktion festzustellen sei, die auf eine Alkoholisierung hindeute. Auch in anderen ärztlichen Protokollen fand sich im Gegensatz zur Patientenakte kein Hinweis auf Alkohol.
Die Staatsanwaltschaft wirft G. dagegen vor, durch Alkohol enthemmt gewesen zu sein und nur deshalb das Tempo des Einsatzwagens nicht angepasst zu haben. Andernfalls wäre der Unfall vermeidbar gewesen. Die Anklage soll zahlreiche Zeugen benannt haben, neben Augenzeugen und Polizisten den ärztlichen Direktor und Vorstand der Charité, Ulrich Frei.
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