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Bevorzugt hatte der 27-Jährige Autos der Marken Audi, BMW und Mercedes angezündet. Der gelernte Maler gestand nun die Autobrandserie.
© Henning Onken
Update

Fahndungserfolg: Polizei stellt Autobrandstifter - er gesteht 67 Taten

Die Berliner Polizei hat einen mutmaßlichen Serienbrandstifter festgenommen, der 67 Autozündeleien gestanden hat. Dabei sollen 100 Autos beschädigt worden sein. Zur linken Szene gehörte der 27-Jährige nicht.

Nach wochenlangen Ermittlungen hat die Polizei einen mutmaßlichen Brandstifter festgenommen. Der 27-Jährige soll von Juni bis August dieses Jahres vor allem in Mitte und Charlottenburg 67 Autos in Brand gesetzt und dabei weitere 35 Fahrzeuge angesteckt haben – „aus Frust“, wie er der Polizei gegenüber angab. Der Mann war bisher polizeilich nicht aufgefallen, gegen ihn wurde Haftbefehl erlassen. Er war bereits am Freitag nach einer Vernehmung im Polizeipräsidium festgenommen worden. Ihm wird schwere Brandstiftung vorgeworfen, weil die Flammen bei einer Zündelei ein Wohnhaus beschädigt hatten und in einem anderen Fall ein Altenheim neben einem brennenden Auto stand.. Der Leiter des Berliner Landeskriminalamts (LKA), Christian Steiof, sprach am Sonntag von einem „sensationellen Erfolg“, es sei in den vergangenen Monaten mit äußerst hohem Aufwand gefahndet worden. „Ohne Unterstützung der Bundespolizei wäre das in dieser Form nicht möglich gewesen“, sagte Steiof. Das Problem brennender Autos sei aber nicht erledigt: „Das Phänomen wird uns wohl noch beschäftigen.“

Die Ermittler hatten den Verdächtigen zunächst auf Überwachungsvideos in Bussen und U-Bahnen gesehen, die kurz vor und nach einer Brandstiftung in Haselhorst aufgenommen worden seien. „Sie brauchen die richtige Hypothese“, sagte Staatsschutzchef Oliver Stepien. Der zunächst unbekannte Mann auf den Videos wurde später andernorts zufällig von Bundespolizisten gesehen – so konnte schließlich seine Identität geklärt werden. Fest stehe: „Er gehört definitiv nicht zur linken Szene“, sagte Staatsschützer Stepien, der für politisch motivierte Taten zuständig ist. Man habe die Aufenthaltsorte des Verdächtigen recherchiert, auffällig oft habe er „Bezugspunkte“ in Kiezen, in den es gebrannt hatte. Zunächst soll der Mann jene Tat gestanden haben, vor und nach der er von einer BVG-Kamera gefilmt worden war. Zudem seien Handydaten ausgewertet worden. Mit den Ermittlungen konfrontiert habe er schließlich Serienbrandstiftungen zugegeben. „Er wollte wohl sein Gewissen entlasten“, hieß es. Seine Angaben seien glaubwürdig.

Lesen Sie auf Seite 2 warum die Polizei so schnell einen Fahndungserfolg erzielte.

Der Mann ist derzeitigen Erkenntnisstand zufolge für die aufsehenerregende Brandserie des vergangenen Sommers verantwortlich, bei der in einer Augustnacht elf Fahrzeuge brannten. Bevorzugt hatte der 27-Jährige Autos der Marken Audi, BMW und Mercedes angezündet. Der gelernte Maler und Lackierer wohnt mit seiner Mutter in Mitte. Er war offenbar lange erwerbslos, außerdem hatte er hohe Schulden. Die besonders dichten Brandserien endeten wohl noch im August, weil der Mann laut Polizei einen Job gefunden hatte. Insgesamt soll er etwa eine Millionen Euro Schaden verursacht haben.

In Berlin sind Polizeiangaben zufolge 2011 mehr als 340 Fahrzeuge in Brand gesetzt worden, insgesamt wurden so mehr als 550 Wagen beschädigt.

Auch an diesem Wochenende brannten zwei Autos, verletzt wurde niemand. Etwa die Hälfte der Brandstiftungen galt bislang als politisch motiviert, die andere Hälfte soll auf das Konto von Pyromanen und Nachahmungstätern gegangen sein. Anlässlich der Festnahme des 27-Jährigen sagte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) dem Tagesspiegel: „Diese Festnahme bestätigt unsere Annahme, wonach hinter vielen Brandstiftungen ein Einzeltäter stecken könnte, der nicht aus der linken Szene stammt.“ Man habe dieses Jahr zwar in der Hälfte der mehr als 340 Autobrandstiftungen zunächst den Staatsschutz die Ermittlungen übernehmen lassen, der für politisch motivierte Taten zuständig ist. Dies liege jedoch daran, dass man sich nicht dem Vorwurf aussetzen wollte, „der Senat sei auf dem linken Auge blind“. Solange es keine Hinweise darauf gab, dass eine Tat nicht politisch motiviert war, habe der Staatsschutz dann ermittelt, wenn teure Fahrzeuge angesteckt worden seien. Diese Praxis wurde kritisiert. Eine 21-Jährige saß 2009 fünf Monate in Untersuchungshaft, auf die drei lange Prozesse folgten, ehe die Frau in diesem Jahr den Gerichtssaal als Unschuldige verlassen konnte. Prozessbeobachter sahen den Grund für die hartnäckige Verfolgung auch darin, dass die Frau als Linke ins Raster der Ermittler passte.

In anderen Fällen hatten Gerichte unpolitische Täter wie auch mutmaßliche Linke schuldig gesprochen. Mehr als 90 Prozent der Autobrände der vergangenen Jahre sind unaufgeklärt. Vermutet wird auch, dass Versicherungsbetrüger unter den Zündlern sind. Im Sommer war eine „Besondere Aufbauorganisation“ aufgestellt worden, die Staatsschützer und Bundespolizisten umfasste. Die Bundespolizei ließ einen zweiten Hubschrauber über der Stadt kreisen. Die Kosten für den Einsatz der Bundespolizisten muss Berlin bezahlen. Es könne sein, dass man künftig nicht ganz so kräfteintensiv unterwegs sein müsse, sagte LKA-Chef Steiof. Zuletzt waren bis zu 650 Beamte in einigen Nächten unterwegs.

Hannes Heine

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