1.-Mai-Demonstration in Berlin: Polizei schützt Baustelle eines Investors – Rigaer gesperrt
Die 1.-Mai-Demo soll durch die gesperrte Straße in Friedrichshain führen. Christoph Gröner fürchtet eine „verheerende Lage“ vor seinem Bauprojekt.
Die Berliner Polizei wird in diesen Tagen im Friedrichshainer Nordkiez massiv Präsenz zeigen – um den 1. Mai herum soll dort ein Bauprojekt des bekannten Immobilienunternehmers Christoph Gröner geschützt werden. Die Rigaer Straße bleibt dafür komplett gesperrt – aus Sicherheitsgründen wird die Polizei dort mit Hundertschaften im Einsatz sein. Gröner verwies auf seine Gespräche mit der Berliner Polizei. „Es geht darum, wie wir die Menschen schützen, die an der Demonstration teilnehmen“, sagte der Investor dem Tagesspiegel.
Linke Demonstranten werden am Abend des 1. Mai wegen dieser Vollsperrung wohl nicht wie angekündigt durch die Rigaer Straße ziehen können. Kenner der linken Szenen erwarten dennoch bis zu 10.000 Demonstranten im Friedrichshainer Nordkiez. Gröner sagte, angesichts der zu erwartenden Teilnehmerzahlen könnte es zu einer „verheerenden Lage“ an der Baustelle in der Rigaer Straße kommen: „Die Menschen könnten an den Bretterzaun gedrängt werden.“
Es bestehe die Gefahr, dass der Bauzaun unter dem Druck der Massen zusammenbreche. Es gehe auch um die Frage: „Wie schützen wir die Menschen, die an der Demonstration teilnehmen?“ Rund um dem 1. Mai werde deshalb die Baustelle noch einmal gesondert geschützt. Der gesamte Bauabschnitt an der Rigaer Straße soll vom 30. April bis zum 2. Mai gesperrt werden.
Seit Baubeginn 2017 kam es am und um den umstrittenen Neubau in der Rigaer Straße immer wieder zu Protesten und Vandalismus. Der Vorwurf: Gröner gentrifiziere den alternativen Samariter-Kiez, also das einst als Hausbesetzerviertel bekannte Nord-Friedrichshain. Die Grundsteinlegung im Sommer 2018 musste von der Polizei gesichert werden – einige Hundert Meter weiter vom Neubau steht das ehemals besetzte Haus in der Rigaer Straße 94.
Ab 16 Uhr soll die Kundgebung am Wismarplatz starten
Ebenfalls am Donnerstag haben sich der Anmelder-Anwalt der in Friedrichshain geplanten 1.-Mai-Kundgebung und die Polizeiführung getroffen. Bei diesem üblichen Kooperationsgespräch ging es auch darum, ob von der Kundgebung, die ab 16 Uhr am Wismarplatz starten soll, massenhaft Demonstranten zum Nordkiez losziehen werden. „Wir haben eine Kundgebung mit 1000 Teilnehmern angemeldet“, sagte Anwalt Stephan Puhlmann dem Tagesspiegel.
Er selbst rechne mit deutlich mehr Teilnehmern. „Und sollten unabhängig von der Kundgebung später Demonstranten durch den Kiez laufen, gehe ich davon aus, dass die Polizei dies dulden wird. Die Versammlungsfreiheit ist ein hohes Gut.“ Dem Grundgesetz zufolge müssen Versammlungen nicht zwingend angemeldet werden.
Die Polizeiführung teilte mit, man befände sich noch in Kooperationsgesprächen; ein Aufzug sei aber nicht angemeldet worden. Autonome Gruppen hatten schon vor Tagen angekündigt, ihre Demonstration nicht offiziell anmelden zu wollen. Startpunkt solle ab 16 Uhr das Schlesische Tor in Kreuzberg sein, in Frage komme aber auch der Wismarplatz in Friedrichshain. Die Demonstranten könnten über Grünberger Straße, Mainzer Straße und Frankfurter Allee zur Bänschstraße laufen – zum Schluss könnte es von dort zur Rigaer Straße gehen.
Falls die Polizei die Demonstranten stoppe, werden sie "andere Wege finden"
Zwar zeigt die von den Autonomen unter anderem im Internet angegebene Route auch nach dem Baustellenbereich in der Rigaer Straße einen weiteren Routenverlauf über Bersarinplatz und Frankfurter Tor bis zur S-Bahn-Station Warschauer Straße. Das eigentliche Ziel der Demonstration unter dem Titel „Gegen die Stadt der Reichen“ dürfte allerdings schon in der Rigaer Straße 71 erreicht sein – an der Baustelle von Gröner.
Falls die Polizei sie an der Demonstration hindern sollte, werde man „andere Wege finden“. Das kündigten autonome Gruppen im Internet an. Und ein Alternativtermin wird auch direkt genannt: „21 Uhr an einem Ort, den wir kurz zuvor bekannt geben.“
Gröner baut 133 hochwertige Wohnungen im "Carré Sama-Riga"
Derzeit befinden sich zwei Baustellen beiderseits der Rigaer Straße zwischen Voigtstraße und Samariterstraße. Auf der einen Seite baut Gröners CG-Gruppe derzeit im neuen „Carré Sama-Riga“ 133 hochwertige Wohnungen, gegenüber steht ein anderes Bauprojekt kurz vor dem Abschluss. Weil beide Baustellen gleichzeitig mit Baumaterial beliefert werden mussten, ist der Straßenabschnitt für den Verkehr seit August 2017 gesperrt. Nur nachts und sonntags wurde der Durchgang für Fußgänger geöffnet.
Ursprünglich sollte die Sperrung, die im Kiez für Unmut sorgt, bereits Ende Februar aufgehoben werden. Wegen anhaltender Bauarbeiten wurde sie aber bis zum 30. April verlängert.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Textes hatten wir den Anmelder-Anwalt mit dem Satz zitiert, der „formale Akt“ des Anmeldens sei rechtlich nicht erforderlich. Der Anwalt fühlte sich dabei missverstanden, weshalb wir diesen Satz entfernt haben.
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