Hauptstraße in Berlin-Schöneberg: Polizei schleppt Autos von der Busspur
Die Polizei versucht sich in dieser Woche mal wieder an einem aussichtlosen Projekt: Die Busspur der Hauptstraße von Falschparkern zu räumen.
Wer seine Heckklappe aufstehen hat, ist fein raus. Die Polizisten gehen weiter. Wer "nur so" parkt auf der Busspur löst zumindest die Anfahrt des Abschleppwagens aus. In dieser Woche hat sich die Berliner Polizei wieder das Freiräumen von Busspuren vorgenommen. Ein völlig aussichtsloses Unterfangen, wie der Einsatzleiter kurz nach Beginn feststellt.
["Ich muss als Stadtrat nicht kluge Sprüche auf der Busspur geben." Spandaus Stadtrat über Falschparker und einen bezirkseigenen Abschlepper - hier das Interview im Spandau-Newsletter vom Tagesspiegel. Unsere Newsletter, Bezirk für Bezirk, kostenlos und in voller Länge: leute.tagesspiegel.de]
Der Grund ist die hier geltende Rechtslage: Die Hauptstraße in Schöneberg hat von 7 bis 18 Uhr eine Busspur, so die Verkehrsschilder. Diese Busspur ist aber von 9 bis 14 Uhr "Frei" zum "Be- und Entladen, Ein- u. Aussteigen", so verkünden es weitere Verkehrsschilder am gleichen Mast. Beides zusammen geht natürlich nicht.
Die Hauptstraße ist eine der zentralen Geschäftsstraßen des Bezirks, kleine Läden, große Läden säumen den größten Teil des Straßenzuges. Alle Läden werden an diesem Montagvormittag beliefert, völlig legal. Mindestens alle 50 Meter steht ein Lastwagen auf der Busspur, es gibt palettenweise Bier für den Getränkemarkt oder einen neuen Spieß für den Döner-Imbiss. Manche Lieferwagen blockieren die Spur fünf Minuten, andere eine halbe Stunde. Dazwischen stehen reichlich Privatautos, die meisten mit geschlossener Heckklappe.
Die meisten kommen mit 35 Euro davon
Immer dann, wenn einer der für diese Aktion bereitstehenden Abschleppwagen neben ihrem Gefährt rangiert, kommen die Halter ganz schnell angelaufen. Die meisten haben Glück, sie kommen mit 35 Euro davon. Wobei 35 schon viel ist, weil die Polizei am Montag auf eine "Behinderung des Linienverkehrs" erkennt. Früher wurden einfach Knöllchen über 15 Euro geschrieben. Die ertappten Falschparker argumentierten am Montag, dass die Busspur doch ohnehin durch Lastwagen vollgestellt sei, da hätten sie gedacht, "dann kann ich mich da auch hinstellen".
Das ist der "Nachahmereffekt", seufzt Einsatzleiter Rainer Paetsch. Es vergeht fast eine Stunde, bis ein Auto, ein schwarzer Citroen, tatsächlich weggehoben wird. Alle halbe Jahre lädt die Polizei Fotografen in die Hauptstraße ein, in der Woche zuvor hatte das Präsidium die "Aktionswoche" angekündigt.
"Für die Kontrollen wurde eine Vielzahl von Straßen ausgesucht, in denen Busspuren sowie Radwege und -schutzstreifen besonders häufig von Kraftfahrzeugen blockiert werden, beziehungsweise tagtäglich in zweiter Reihe gehalten und geparkt wird", so die offizielle Ankündigung. Nachhaltig ist der Polizeieinsatz ganz und gar nicht, räumt Paetsch unumwunden ein. "Wir kehren hier den Rücken und sofort steht alles wieder voll."
Deutliche Bußgeld-Erhöhung könnte Besserung bringen
Besserung könne erst eine deutliche Erhöhung der Bußgelder bringen, sagt der Beamte. Oft werden nur 15 Euro fällig, das kalkulieren viele ein. "Es braucht höhere Sanktionen", sagt der Hauptkommissar, "statt der Euro 70 oder 80", sagt Paetsch. So ähnlich formuliert der leitende Beamte seit Jahren. Neu ist jetzt, dass der Bundesverkehrsminister tatsächlich kürzlich eine deutliche Erhöhung angekündigt hat.
"Das ist ein Schritt in die richtige Richtung", sagt der Polizist, der sich auch noch höhere Summen vorstellen kann. Erfreulicher Nebeneffekt der Verschärfung des Bußgeldkataloges sei der "Motivationsschub" für seine Kollegen. Im Juni wurden in der Aktionswoche 6484 Verstöße mit Bußgeldbescheiden belegt. Lediglich 288 Fahrzeuge wurden "umgesetzt". So ähnlich sind die Zahlen seit Jahren. Zum Vergleich: Für den Marathon werden locker bis zu 1000 Autos abgeschleppt.
Busspur-Aktion gibt es zwei Mal im Jahr
Die Busspur-Aktion gibt es seit 2016 zwei Mal im Jahr. Initiiert damals von der grünen Stadträtin Christiane Heiß. Bei der Premiere sagte sie: „Meine Motivation für den Aufruf war der neue Koalitionsvertrag. Der sieht nämlich die Beschleunigung der Buslinien vor. Und deshalb müssen wir die Behinderungen beseitigen.“ Tatsächlich hat sich in den drei Jahren nichts geändert und vor allem nichts gebessert.
Die ebenfalls grüne Verkehrssenatorin Regine Günther hat in dieser Zeit lediglich 300 Meter neue Busspuren markieren lassen. In der vergangenen Woche hatte die scheidende BVG-Chefin Sigrid Nikutta den mangelnden politischen Willen kritisiert und eine deutliche Beschleunigung des ÖPNV gefordert.
Es koste die BVG sehr viel Geld, dass die Busse so viel im Stau stehen und so langsam vorankommen. Die Durchschnittsgeschwindigkeit sinkt immer weiter. Und es hakt noch an einer weiteren Stelle: Eigentlich sollte die BVG ab diesem Jahr mit eigenen Abschleppwagen Falschparker wegräumen dürfen. Das funktioniert immer noch nicht, nun ist von 2020 die Rede.