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Schaufelradbagger im Braunkohletagebau Welzow Süd der Vattenfall AG in Welzow (Brandenburg).
© Patrick Pleul/dpa
Update

Braunkohlekraftwerke in der Lausitz: Stockholm stimmt Plänen von Vattenfall zu

Die schwedische Regierung erlaubt den Verkauf des deutschen Braunkohlegeschäfts von Vattenfall nach Tschechien. Umweltschützer protestierten gegen weiteren Kohleabbau.

Der schwedische Energiekonzern Vattenfall verkauft sein deutsches Braunkohlegeschäft an die tschechische EPH-Gruppe. Die schwedische Regierung stimmte den Plänen des Unternehmens am Samstag zu. „Ich habe das Unternehmen informiert, dass wir der Abmachung der [Vattenfall-]Geschäftsleitung zustimmen“, sagte Wirtschaftsminister Mikael Damberg Reportern.

Der Verfall des Strompreises in Deutschland habe Vattenfall und anderen Unternehmen heftig zugesetzt, so Damberg.

EPH-Gruppe übernimmt Schulden

Der Verkauf der Braunkohle-Aktivitäten in der Lausitz an EPH und seinen Finanzpartner PPF Investments soll zum 31. August vollzogen werden, teilte Vattenfall mit. Demnach soll EPH sowohl Vermögenswerte in Höhe von 15 Milliarden Kronen (1,6 Milliarden Euro) übernehmen, sowie Schulden und Rückstellungen zur Regenerierung von Braunkohlegebieten in Höhe von 18 Milliarden Kronen (1,9 Milliarden Euro).

Der Verkauf betrifft Kohlekraftwerke und Bergwerke in Brandenburg und Sachsen.

Als Eigentümer hatte die schwedische Regierung den Verkauf seit April geprüft. Er wurde als „strategisch richtig und als beste wirtschaftliche Alternative“ bewertet, so Damberg.

Greenpeace kritisiert "schmutziges Braunkohlegeschäft"

Umweltschützer hatten wegen des Klimaschutzes heftig gegen den Verkauf protestiert und für einen Verbleib der Braunkohle im Boden geworben.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hat den geplanten Verkauf der ostdeutschen Vattenfall-Braunkohlesparte nach Tschechien kritisiert. „Vattenfalls schmutziges Braunkohlegeschäft feige weiterzureichen, ignoriert wissenschaftliche Erkenntnisse“, erklärte Greenpeace am Samstag in Hamburg.

Wenn die auf der Weltklimakonferenz von Paris vereinbarten Ziele erreicht werden sollten, müsse ein Großteil der Kohle im Boden bleiben. Greenpeace erklärte, die Bundesregierung dürfe dem Verkauf nicht tatenlos zusehen.

Es dürfe keine neuen Tagebaue mehr geben, und bis 2030 müsse Deutschland aus der Kohle aussteigen. „Beides wird sich mit EPH als Investor nicht umsetzen lassen“, hieß es in dem Statement. Die Bundesregierung solle den Verkauf stoppen und die Braunkohlesparte von Vattenfall in eine staatliche Stiftung überführen.

Der Ruf der Käufer ist nicht der beste

Brandenburgs Wirtschafts- und Energieminister Albrecht Gerber (SPD) begrüßte die Entscheidung der schwedischen Regierung: „Damit ist die Zeit der Unsicherheit in Bezug auf den Eigentümer für die Lausitz endlich vorbei“, sagte Gerber. Mit EPH übernehme ein in der Energiebranche und speziell in der ostdeutschen Braunkohle erfahrenes Unternehmen die Geschäfte. Die 8000 direkt in der Braunkohleindustrie im Lausitzer Revier Beschäftigten sowie auch Tausende Menschen in den Zuliefer- und Dienstleistungsfirmen könnten nun auf kalkulierbare Rahmenbedingungen in der Region hoffen. Die brandenburgische Landesregierung erwarte, „dass EPH ein verlässlicher Partner für die Landesregierung und für die Region“ sei. „Und ich werde weiter dafür kämpfen, dass die deutsche Energiepolitik verlässlicher und realistischer wird“, sagte Gerber.

Dass Gerber sich derart äußert, hat einen Grund und ist als deutliches Signal an die EPH und deren Finanzpartner PPF zu verstehen. Dass sich EPH wie Vattenfall Kultur und Sport in der Lausitz sponsert, glaubt niemand. Was aber noch schwerer wiegt. Der Ruf der Käufer ist keineswegs der beste.

Die "Energetický a Průmyslový Holding" besteht seit 2009 und ist der zweitgrößte tschechische Energieversorger. Hinter dem Konzern steckt der tschechische Milliardär Daniel Kretínský über ein Firmengeflecht in Zypern und Luxemburg. EPH ist bekannt für seine aggressive Einkaufspolitik vor allem auf den osteuropäischen Energiemärkte. 2009 war EPH über die Tochterfirma JTSD  bei der Mibrag im mitteldeutschen Revier ein. Es ist Deutschlands drittgrößter Braunkohle-Konzern mit einen Anteil von mehr als zehn Prozent am Braunkohlemarkt. 

Aus den Erfahrungen bei der Mibrag rühren auch die Vorbehalte gegen den Einstieg der EPH in der Lausitz, für den die Tschechen von Vattenfall sogar 1,7 Milliarden Euro mit auf den Weg bekommt, nur damit der schwedische Staatskonzern mit einem Schlag seinen Kohlendioxidausstoß von 80 auf 25 Millionen Tonnen pro Jahr senken kann.

Geld für die Sanierung gibt es kaum

Zwar mussten sich die  Käufer der Lausitz-Sparte verpflichten, dem Unternehmen in den ersten drei Jahren keine Gewinne zu entnehmen, in den folgenden zwei nur die Dividende. Hinzu kommt der vereinbarte Job-Erhalt bis 2021. Doch ein Block in die Konzernbilanz von JTSD für das Jahr 2014 zeigt, wie eng die Tschechen rechnen. Oder wie es ein hoher Beamter aus dem Brandenburger Wirtschaftsministerium sagte: "Die rechnen spitz, das sind die Männer mit den Excel-Tabellen."

Der Konzernabschluss offenbart vor allem die Risiken: fallende Strompreise, steigende Preise für Klimaschutz-Emissionszertifikate, die besonders bei den Braunkohlekraftwerken mit ihrem hohen Kohlendioxid-Ausstoß zu buche schlagen. Und dann sind da noch die  hohen "Umweltsanierungskosten". Es geht um die teure Rekultivierung der Tagebaue, wenn sich mit der Braunkohle kein Cent mehr verdienen lässt. Schon jetzt weist die EPH-Tochter auf Risiken im "Zusammenhang mit unserem Finanzprofil". Ein Großteil des Geldes geht für die Begleichung von Krediten und Zinsen drauf. Im Bericht stellt das Unternehmen fest, dass "wir im Vergleich zu unseren Konkurrenten einem Wettbewerbsnachteil ausgesetzt werden, und zwar insofern, dass diese nicht so stark fremdfinanziert sind oder größere finanzielle Ressourcen haben."

Für Rückstellungen und Sparkonten zur Finanzierung der Sanierung ist da kaum Platz. So geht das Unternehmen auch davon aus, etwa die Sanierungskosten für den Tagebau Profen "mit Mitteln aus dem laufenden Betrieb zu finanzieren". Für das Bergwerk Vereinigtes Schleenhain wolle man nach "2030 mit der Akkumulation von erheblichen Barreserven zu beginnen". Soll heißen: Für Rekultivierung ist noch kaum Geld angespart.  Das Unternehmen warnt deshalb in seinem Bericht sogar, dass Sachsen-Anhalt Sicherheiten für die Rekultivierung einfordert. Brandenburgs Landesregierung hatte dies jedenfalls trotz der Risiken bei EPH bislang abgelehnt. 

René Schuster, Braunkohle-Experte der Umweltverbandes Grüne Liga sagte, die Landesregierungen von Sachsen, Brandenburg und der Bund "müssen jetzt alle Möglichkeiten nutzen, um die langfristigen Folgekosten der Tagebaue nicht dem Steuerzahler aufzubürden. Das Geld für Rekultivierung und Schäden am Wasserhaushalt muss absolut sicher hinterlegt sein, bevor Gewinne in die Taschen der Oligarchen fließen dürfen.“ (mit dpa/EPD)

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