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Einsatzfahrzeuge der Polizei bei der Razzia in Berlin-Lichtenberg vor einem Wohnhaus.
© Paul Zinken/dpa
Update

Razzien in Berlin, Hamburg und an der Ostsee: Schleuserbande soll an Zwangsprostitution und Scheinehen verdient haben

160 Polizisten waren im Einsatz, um eine Schleuserbande hochzunehmen. In Berlin wurde eine 43-Jährige verhaftet. Sie ist den Behörden bereits bekannt.

Mit einer Razzia ist die Bundespolizei im Auftrag der Berliner Staatsanwaltschaft gegen eine mutmaßliche deutsch-vietnamesische Schleuserbande vor allem in Berlin vorgegangen. Die Verdächtigen sollen Vietnamesinnen, die illegal nach Deutschland kamen, auch zur Prostitution gezwungen und damit ihren Lebensunterhalt verdient haben.

Durchsucht wurden am Mittwochmorgen sechs Wohnungen und andere Räumlichkeiten in den Berliner Bezirken Lichtenberg und Mitte sowie jeweils ein Objekt im Hamburger Bezirk Eidelstedt und in Timmendorfer Strand an der Ostsee (Schleswig-Holstein), teilte die Bundespolizei Berlin mit. Rund 160 Polizisten waren im Einsatz. Einen Zusammenhang mit parallel laufenden Durchsuchungen wegen Schleuserkriminalität in Thüringen, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern gab es nicht.

Eine 43 Jahre alte Vietnamesin wurde als mutmaßlicher Kopf der Bande in ihrer Wohnung in Berlin-Lichtenberg festgenommen, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte. Im Fokus standen laut Bundespolizei auch zwei weitere Verdächtige, eine 25-jährige Frau aus Vietnam und ein 64-jähriger Mann aus Deutschland.

Sie sollen derzeit acht Frauen und zwei Männer bei einem unrechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland unterstützt und davon erheblich finanziell profitiert haben, wie die Ermittlungsbehörden am Nachmittag mitteilten.

Neben der Zwangsprostitution, deren Einnahmen die 43-Jährige kassiert haben soll, seien Vaterschaftsanerkennungen sowie Scheinehen geschlossen worden, um einen legalen Aufenthaltsstatus der Geschleusten zu erlangen - eine Masche, die in Berlin seit Jahren bekannt ist.

Eine Bundespolizistin führt die hauptbeschuldigte Vietnamesin ab.
Eine Bundespolizistin führt die hauptbeschuldigte Vietnamesin ab.
© Paul Zinken/dpa

Die Hauptbeschuldigte sei bereits vor Jahren wegen Einschleusung von Vietnamesinnen zu einer hohen Haftstrafe verurteilt worden, berichtete des RBB.

Ein Massagesalon gegenüber dem Rathaus diente als Bordell

Federführend bei den seit einem Jahr laufenden Ermittlungen war die Berliner Staatsanwaltschaft. Zu den durchsuchten Räumen in Berlin zählten auch Massagesalons und Nagelstudios. „Wir haben Hinweise darauf, dass sie auch als Bordelle benutzt wurden“, sagte ein Sprecher der Bundespolizei.

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Dem RBB zufolge durchsuchte die Polizei auch ein Wohnungsbordell in einem Hochhaus in der Landsberger Allee und einen Massagesalon gegenüber dem Rathaus Lichtenberg in der Möllendorffstraße. Dort sollen nach Informationen des Senders mindestens zwei eingeschleuste Vietnamesinnen festgehalten und als Prostituierte missbraucht worden sein. Die Ermittlungsbehörden bestätigten später, zwei Frauen in zwei verschiedenen Objekten in Lichtenberg angetroffen zu haben, von denen eine einen gefälschten vietnamesischen Ausweis vorgezeigt habe.

Ziel sei es auch, diese Form der Zwangsprostitution zu beenden und die Frauen aus den Abhängigkeiten zu befreien, sowie Beweise zu beschlagnahmen, sagte der Sprecher der Bundespolizei. Die Ermittler stellten umfangreiche Beweismittel, darunter verschiedene Unterlagen, Mobiltelefone, Computer und Datenträger sowie Ausweisdokumente, sicher. Zudem wurden rund 7400 Euro Bargeld und etwa 400 Gramm betäubungsmittelverdächtige Substanz beschlagnahmt. Das alles werde nun ausgewertet.

BKA: Berlin ist eine Drehscheibe des Menschenhandels

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) teilte mit: „Es ist ein gutes Zeichen, dass wir nicht nur auf die schauen, die aufgrund ihres Macho-Gehabes in den politischen und medialen Fokus rücken. Bei allem Öffentlichkeitsdrang der Personen aus dem Bereich der Clankriminalität sollten wir beim Ressourceneinsatz nie vergessen, dass es auch andere Player in der Organisierten Kriminalität gibt, die schwerste Straftaten begehen.“

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Das Bundeskriminalamt (BKA) hatte Berlin kürzlich als „Dreh und Angelpunkt“ vietnamesischer Menschenhändler in Westeuropa bezeichnet. Von zentraler Bedeutung sei dabei das bekannte Dong Xuan Center, ein Industrie- und Gewerbegebiet im Bezirk Lichtenberg mit vielen vietnamesischen Geschäften.

Laut BKA werden illegal eingeschleuste Vietnamesen von Berlin aus nach Deutschland und Westeuropa vermittelt. Dort müssten sie die Kosten für die Schleusung von 10.000 bis 20.000 Euro abarbeiten. Die Polizei stieß in Massagesalons, Nagelstudios, Restaurants, der Fleisch- oder Schlachtindustrie sowie der Textil- und Reinigungsbranche auf illegal beschäftigte Vietnamesen. Dahinter stehe „ein riesiges Netzwerk“, das „in ganz Europa aktiv“ sei und „gewaltige Summen“ umsetze. (dpa/Tsp)

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