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Das Zentrum für politische Schönheit provoziert, um auf die Situation von Flüchtlingen hinzuweisen.
© Rainer Jensen/dpa
Update

Gorki-Theater in Berlin: Protestaktion "Flüchtlinge fressen" unblutig beendet

Das Zentrum für politische Schönheit wollte am Dienstag 100 Flüchtlinge ohne Visa nach Deutschland bringen - der Flug wurde aber abgesagt. Inzwischen ist auch die Aktion am Gorki-Theater beendet.

Der Countdown auf der Digitaluhr neben dem provisorischen Tigerkäfig am Maxim Gorki Theater zeigte noch 30 Minuten, da drängelte die Phalanx der Kameraleute nach vorn. Von drinnen fixierten vier Tiger ihre Betrachter aus gelben Augen. 15 Minuten später wurde das Fenster zum Gehege mit einer schwarzen Holzplatte blickdicht verschlossen. Selbst da war sich wohl noch nicht jeder Betrachter sicher, ob die provokante Kunstaktion des „Zentrums für politische Schönheit“ das angedrohte blutige Finale nehmen könnte, gewissermaßen im Verborgenen.

Sollte die Aktion makaber sein, wäre es die Wirklichkeit des tausendfachen Flüchtlingstodes umso mehr. Wieder richtet sich der Zorn nicht gegen die schlechte Nachricht, sondern gegen den, der sie […] überbringt bzw. ins Gedächtnis ruft. Man will dieses Elend aus den Augen haben.

schreibt NutzerIn fuehrerscheinnichtnutzer

Um 18.45 Uhr, der Countdown stand auf null, der Termin der angekündigten Flüchtlingsverfütterung – dann die Überraschung: Das inzwischen wohl einige hundert Köpfe zählende Publikum möge sich nebenan vor den Stufen des Theaters einfinden. Oben stand May Skaf, libanesisch-syrische Schauspielern und seit fünf Jahren aktiv gegen das Assad-Regime.

Zu Beginn der Aktion vor gut zwei Wochen zählte sie zu jenen, die angekündigt hatten, sich den Tigern zu opfern, wenn ihre Forderung nicht erfüllt werde: Rücknahme einer EU-Richtlinie, die die Beförderung von Menschen ohne Visa in die EU unter Strafe stellt. Nun erklärte sie, dass ihr Opfer vergeblich wäre.

Applaus aus der Menge, danach Schweigen, dass man als betreten deuten könnte. Kein schlechtes Ende.

Dienstagvormittag war bereits bekannt geworden, dass der Charterflieger aus Antalya, mit dem die Künstler mehr als 100 syrische Flüchtlinge ohne Visa nach Berlin bringen wollten, am Boden bleiben musste – das Bundesinnenministerium erteilte keine Ausnahmegenehmigung.

Klage gegen die Bundesregierung

Die Fluggesellschaft Air Berlin hatte den seit Monaten bestehenden Charterflugvertrag „aus wichtigem Grund“ gekündigt. Die Künstler hätten den „Transport von Statisten eines Theaterstücks“ angekündigt, aber erst kurzfristig mitgeteilt, dass kaum ein Passagier eine Einreiseerlaubnis für Deutschland habe, so Air Berlin. Man sei über „wesentliche Aspekte der Beförderung“ im Unklaren gelassen worden.

Nach Angaben des Zentrums für politische Schönheit will man die Flüchtlinge nun dabei unterstützen, ihre Einreise aus humanitären Gründen vor Gericht zu erzwingen. Man werde gegen die Bundesregierung klagen, im Zweifel sogar bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, um „im Wege des Eilverfahrens eine Einreiseerlaubnis nach Deutschland zu erhalten“, sagte die Sprecherin. Schließlich würden die Flüchtlinge aus Syrien schon von ihren Verwandten in Berlin erwartet.

Die Polizei hatte übrigens vorsorglich versichert, dass man etwaige „Selbstverfütterungen“ verhindern werde, doch am Abend waren keine Beamten zu sehen. Philipp Ruch, künstlerischer Leiter des „Zentrums für politische Schönheit“ bestätigte, das wäre auch nicht nötig gewesen. Es sei tatsächlich um Kunst gegangen.

Foto: Andreas Austilat
Was spielt sich im Käfig ab? Nun wurde die Glasscheibe mit einer schwarzen Wand verdeckt.
© Andreas Austilat

Timo Kather, Andreas Austilat

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