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Ein Einbrecher steigt in ein Fenster ein. Wer sein Eigentum sichert, kann diese Art der Kriminalität eindämmen - doch auch die Polizei will wieder mehr Zivilfahnder auf Einbrecher ansetzen.
© dpa

Straftaten in Berlin: Polizei will mehr Zivilfahnder auf Einbrecher ansetzen

Die Zahl der Eigentumsdelikte ist seit dem Sommer drastisch gestiegen. Damals mussten alle verfügbare Zivilbeamten nachts auf Streife gehen. Jetzt sollen sie sich wieder verstärkt um Wohnungseinbrecher kümmern.

Die Berliner Polizei will im kommenden Jahr mit mehr Zivilfahndern gegen Wohnungseinbrecher vorgehen. Das kündigte die amtierende Polizeipräsidentin Margarete Koppers im Tagesspiegel an. Hintergrund ist der drastische Anstieg von Einbrüchen um etwa 24 Prozent im laufenden Jahr. In den ersten elf Monaten dieses Jahres zählte die Polizei 9730 Aufbrüche von Wohnungen. Nur zehn Prozent der Fälle werden aufgeklärt.

Die Polizei hat es in diesem Jahr den Tätern besonders leicht gemacht, da es wegen der intensiven Fahndung nach den Autobrandstiftern mehrere Monate lang keine Großeinsätze gegen Einbrecher gegeben hat. „Diese Zivilstreifen fehlten uns“, berichtete ein leitender Kriminalbeamter. Innensenator Frank Henkel (CDU) sagte: „Ich kann verstehen, wenn sich Menschen angesichts dieser Zahlen verunsichert fühlen.“

Auch er versprach eine „Bündelung der Kräfte“ bei der Polizei gegen dieses Delikt. In 38 Prozent der Fälle scheiterten die Täter an technischen Sicherungen. Die Polizei forderte alle Berliner auf, sich stärker um die Sicherung von Türen und Fenstern zu kümmern. Das Präsidium kritisierte am Mittwoch, dass die Bauordnung keine Vorgaben zur Einbruchshemmung mache.

Auch im Zehn-Jahres-Vergleich ist es die mit Abstand höchste Zahl. „Wir werden das Delikt mit allen zur Verfügung stehenden Kräften bekämpfen“, sagte die amtierende Polizeipräsidentin Margarete Koppers. Ermittler berichten, dass in den vergangenen Monaten massenhaft junge Frauen aus Rumänien als „reisende Täter“ aufgefallen seien.

Im zweiten Halbjahr hat es in Berlin dem Vernehmen nach kaum Einsätze gegen Einbrecher gegeben – weil „alle Operativkräfte gegen Autobrandstifter eingesetzt“ worden waren. „Die fehlten einfach für andere Sachen“, sagte ein leitender Kriminalbeamter. Möglicherweise habe sich unter den Tätergruppen herumgesprochen, dass das Entdeckungsrisiko gesunken sei, hieß es. So sei die Zahl der angezeigten Taten im zweiten Halbjahr besonders stark gestiegen. So waren es von Januar bis Mai monatlich 740 Einbrüche, von Juni bis November bereits jeweils 1000.

Die Aufklärungsquote bei Einbrüchen war schon mal höher

Auch im Präsidium verweist man auf die Autobrandstifter,  die man nur mit immensem Kräfteeinsatz stoppen konnte. Brannten im Sommer noch jede Nacht mehrere Autos, ist nach der Festnahme mehrerer Täter weitgehend Ruhe eingekehrt. Den Einsatz von Zivilstreifen gegen Einbrecher halten Experten für äußerst erfolgversprechend. „Es fällt auf, wenn junge Frauen von Haus zu Haus ziehen und irgendwann mit einer gefüllten Tasche rauskommen“, sagte ein Kriminalbeamter. „Doch dazu braucht man Polizisten auf der Straße.“ Ermittler vermuten, dass die oft noch jugendlichen Täter von ihren Familien nur für kurze Zeit nach Berlin gebracht werden. Dafür sprechen die „extremen Sprünge“ in der Statistik von Woche zu Woche.

Viel weiß die Polizei über Einbrecher nicht, denn nur jede zehnte Tat wird geklärt. 2010 hatte die Quote 9,9 Prozent betragen, der schlechteste Wert der letzten zehn Jahre. 2004 waren 18,6 Prozent der Taten aufgeklärt worden. Trotz der hohen Zahl der Taten werden in jedem Einzelfall intensiv Spuren gesichert, versicherte die Polizei, also auf Fingerabdrücke und DNA. Zudem sei es Standard, dass Flohmärkte, Second-Hand-Läden, Pfandleihen und das Internet nach Diebesgut überprüft werden. Wird mal ein Einbrecher gefasst, geht für die Polizei die Arbeit schnell wieder von vorne los. Ermittler beklagen, dass festgenommene junge Täter selten einen Haftbefehl erhalten, obwohl sie keinen Wohnsitz in Berlin haben.

Im Sommer hatte beispielsweise der Fall zweier Einbrecherinnen Schlagzeilen gemacht, die im Charlottenburger Kiez mindestens 15 Taten verübt haben sollen. Sie hatten angegeben, 13 Jahre alt und somit nicht strafmündig zu sein. Nach einer zweiten Festnahme kam ein Altersgutachten zu dem Schluss, dass die Frauen mindestens 17 bzw. 21 Jahre alt sind.  Dennoch wurden sie von einem Richter wieder auf freien Fuß gesetzt. Erst als die beiden zum dritten Mal erwischt wurden, kamen sie in U-Haft.

In jeder der sechs Polizeidirektionen befassen sich 20 bis 30 Beamte mit Einbrüchen. In den 80er und 90er Jahren sei die Aufklärungsrate höher gewesen, berichten Ermittler. Damals waren es vor allem Drogensüchtige, die Türen oder Fenster der Wohnungen aufhebelten. „Wir hatten eine überschaubare Zahl Täter, die wir kannten“, sagte ein Kommissariatsleiter. Durch die Öffnung der Grenzen zu Osteuropa habe sich die Täterstruktur völlig geändert, hieß es. 2010 hatten 42 Prozent der Täter keinen deutschen Pass. Das Risiko, Opfer zu werden, ist in anderen Städten teilweise noch deutlich größer: In Bremen wurde 2009 jede 100. Wohnung aufgebrochen, in Berlin war es jede 190. In diesem Jahr wurde bereits jede 160. Wohnung geknackt.

Jörn Hasselmann

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