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Staus entstehen nicht nur durch Baustellen oder Unfälle, sondern immer wieder auch durch Schaulustige.
© Armin Weigel/dpa

Schaulustige behindern Helfer: Gehen Sie weiter!

Immer häufiger behindern Schaulustige die Arbeit von Einsatzkräften. Das kann gefährlich werden - für alle Beteiligten.

In der Nacht zu Freitag wurde in Prenzlauer Berg ein Fahrradfahrer lebensgefährlich verletzt, als er von einem Auto angefahren wurde. Der Mann erlitt mehrere Knochenbrüche und eine schwere Kopfverletzung. Wenn so ein schwerer Unfall passiert, zählt für die Rettungskräfte jede Sekunde. Augenblicke können unter Umständen über Leben und Tod entscheiden. Umso wichtiger ist es, dass Sanitäter, Feuerwehr und Polizei so schnell wie möglich zum Einsatzort gelangen können. Nur stellt sich ihnen immer häufiger ein Hindernis in den Weg, das es gar nicht geben müsste: Schaulustige.

So geschehen am Mittwoch im nordrhein-westfälischen Hagen. Dort wurde ein kleines Mädchen von einem Auto angefahren, als es bei Rot über die Straße lief. Das Mädchen wurde schwer verletzt und musste mit einem Rettungshubschrauber in eine Klinik gebracht werden. Doch wurden die Retter bei der Arbeit massiv von Schaulustigen behindert, die mit ihren Smartphones filmten und fotografierten. Mehrere Streifenwagen waren nötig, um das Mädchen abzuschirmen. Einige hätten sogar Polizisten aufgefordert, beiseite zu gehen, damit sie besser filmen können.

Bei Menschenrettung zählt jede Sekunde

Der Hagener Polizei platzte daraufhin der Kragen. Auf Facebook schrieb sie: "Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei sind da um Leben zu retten und nicht um durch Euch Gaffer in ihrer Arbeit behindert zu werden. Jeder von uns könnte der Nächste sein und bei der Menschenrettung zählt jede Sekunde." Weil die Polizei den Fall öffentlich machte, geriet er in die Schlagzeilen.

Schnell bilden sich sogenannte Gaffer-Staus

Dabei ist das bei weitem kein Einzelfall, solche Berichte tauchen immer wieder auf. Die Berliner Polizei wollte sich offiziell nicht dazu äußern, da man keine Vorfälle aus anderen Städten kommentiere. Offener reden die Gewerkschaften. Benjamin Jendro von der Gewerkschaft der Polizei (GDP) in Berlin, sagt: "Die Schaulustigen sind ein großes Problem". Es habe wahrnehmbar zugenommen, seit fast jeder ein Smartphone besitzt und damit filmen kann.

So wie in dieser Woche in Brandenburg, als auf der A15 bei Cottbus eine vermeintliche Bombe entdeckt wurde. Das Technische Hilfswerk (THW) war auch vor Ort, um bei der Arbeit zu unterstützen. Auf der Gegenfahrbahn hätten sich schnell sogenannte Gaffer-Staus gebildet, weil Autofahrer abbremsen, um einen Blick zu erhaschen. "Und das, obwohl die Menschen sich dadurch auch selbst in Gefahr bringen", berichtet Ellen Krukenberg vom THW Berlin. Das habe das THW schon beim Hochwasser 2013 beobachtet. Neugierige hatten sich über Absperrungen hinweggesetzt und seien geradewegs in Gefahrengebiete hineingelaufen. "Die Einsatzkräfte haben in solchen Fällen genug zu tun, aber dadurch entsteht noch mehr Aufwand", sagt Krukenberg.

Die Helfer werden manchmal sogar aktiv gestört

Unter den Störern seien nicht nur Privatleute, sondern zunehmend auch Journalisten, die sich nicht an Grenzen halten. "Wahrscheinlich stehen die auch unter enormem Druck, weil Medien sonst die Videos von Privatleuten kaufen würden", vermutet Krukenberg. Gerade im Boulevard finden solche Bilder und Videos von Laien, den sogenannten "Leserreportern" regelmäßig ihren Platz.

Benjamin Jendro macht aber noch ein anderes Problem Sorge. Einige Passanten stünden nicht mehr nur passiv im Weg rum, gerade bei Polizeieinsätzen würden sich Zeugen auch vermehrt in Einsätze einmischen, manchmal sogar Verhaftungen verhindern und die Arbeit der Beamten aktiv blockieren. Jendro vermutet: "Das ist wohl ein Zeichen gesellschaftlicher Unzufriedenheit. Und die Beamten in Uniform sind dann das Symbol, an dem die Leute ihren Frust auslassen."

Ähnliche Erfahrungen habe man zuletzt auch beim THW machen müssen. Eigentlich hätten die Helfer immer große Wertschätzung erfahren, aber seit sie auch in der Flüchtlingskrise immer wieder unterstützend eingreifen, gebe es immer wieder Behinderungen und Anfeindungen von Rechts. Das ist umso bedenklicher, als dass 99 Prozent der Helfer ehrenamtlich arbeiteten. Wenn sie dann auch noch zunehmend passiv und aktiv behindert werden, wird es das Engagement nicht fördern.

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