Unfall in Berlin-Treptow: Fußgänger totgefahren - Wie sicher sind Zebrastreifen?
Ein Autofahrer erfasst einen Fußgänger auf einem Zebrastreifen. Sind die Querungshilfen zeitgemäß?
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Im Treptower Ortsteil Bohnsdorf ist am Montagabend ein 22-Jähriger unter besonders tragischen Umständen tödlich verunglückt. Er wurde gegen 19.40 Uhr vom Mercedes eines 52-Jährigen erfasst, als er an einem Zebrastreifen die Waltersdorfer Straße überquerte. Durch den Aufprall wurde der Fußgänger gegen ein geparktes Auto geschleudert und so schwer verletzt, dass er noch am Unfallort starb.
Es war dunkel und regnete
„Schon beim geringsten Zweifel hat am Zebrastreifen immer der Fußgänger Vorrang“, heißt es beim ADAC. Wieso der Autofahrer den jungen Mann übersah, ist unklar. Da der 22-Jährige nach Polizeiangaben von links die Straße überquerte, kann der Fußgänger auch nicht „plötzlich“ die Straße betreten haben, sondern war schon mehrere Meter auf der Fahrbahn gegangen. Weder zur Bekleidung des Fußgängers noch zur Geschwindigkeit des Autofahrers konnte die Polizei Angaben machen.
Erlaubt ist in Fahrtrichtung des Unfallwagens Tempo 50. Ein Gutachter muss klären, ob der Autofahrer ein den Sichtverhältnissen angepasstes geringeres Tempo fuhr – es war dunkel und regnete. Ermittelt wird wegen fahrlässiger Tötung. Alkoholisiert seien weder der Fahrer noch der Fußgänger gewesen.
Beide stammen aus dem Bezirk. Die Waltersdorfer Straße war für die Unfallaufnahme zwischen Krummer Straße und Adlerstraße mehr als vier Stunden gesperrt. Für diesen Mittwoch um 17.30 Uhr ruft der Verein Changing Cities zu einer Mahnwache am Unfallort auf.
2017 gab es 62 Unfälle an Berliner Zebrastreifen
Der Zebrastreifen in der Waltersdorfer Straße ist im Jahr 2009 angelegt worden, die Einsicht ist gut, der Übergang ist beleuchtet. Eine Besonderheit ist, dass am Unfallort stadtauswärts Tempo 50 gilt, stadteinwärts wegen einer leichten Kurve nur Tempo 30. Dies habe die Verkehrslenkung Berlin angeordnet, hieß es aus der Bezirksverwaltung.
2017 gab es laut Polizei in Berlin 62 Unfälle an Zebrastreifen, alle wurden von Auto- oder Radfahrern verursacht. Die meisten Autofahrer verhielten sich korrekt, und wenn es kritisch wurde, habe es eher Auffahrunfälle gegeben. Ein besonderer Fall geschah im Juli 2017: In Köpenick wurde eine Radfahrerin getötet, die an einem Zebrastreifen die Straße überqueren wollte. Dort müssen Autos zwar für Fußgänger stoppen – für Radfahrer gilt dieser Vorrang allerdings nicht. Dies ist vielen unbekannt. Das Radfahren über einen Zebrastreifen ist aber erlaubt.
In der Waltersdorfer Straße, die als Teil der B 179 Bohnsdorf in Nord-Süd- Richtung durchzieht, hat die Verwaltung vor dem Bau des Zebrastreifens gezählt: 550 Kraftfahrzeuge rollen pro Stunde auf der Straße, 38 Fußgänger überqueren sie im Schnitt an dieser Stelle.
Nach Einschätzung von Siegfried Brockmann, der die Unfallforschung der Versicherer (UdV) leitet, entsprechen sowohl die Rahmenbedingungen als auch die bauliche Ausführung der Querung den Richtlinien. Tempo 30 für beide Richtungen sei „zum Fußgängerschutz immer die bessere Variante“, aber nicht zwingend erforderlich.
"Diejenigen, die sagen, es muss immer erst was passieren, haben leider Recht"
Brockmann sieht zwei grundsätzliche Defizite. Zum einen könne laut geltendem Recht Tempo 30 aus Sicherheitsgründen nur nachträglich angeordnet werden. „Diejenigen, die sagen, es muss immer erst was passieren, haben leider Recht.“ Zum anderen habe die UdV nach einer Untersuchung von Zebrastreifen vor Jahren eine Gesetzesänderung empfohlen: Danach hätten Autofahrer schon stoppen müssen, sobald ihr Gegenverkehr erkennbar anhält. Diese Forderung wurde allerdings nicht umgesetzt.
Nach Angaben der Verkehrsverwaltung gibt es mittlerweile 524 Zebrastreifen in Berlin – und die Zahl soll noch deutlich steigen. 2017 wurden für 1,5 Millionen Euro 26 neue Überwege markiert, im aktuellen Doppelhaushalt wurde die Summe auf drei Millionen pro Jahr verdoppelt. Derzeit werde mit den Bezirken abgestimmt, welche Projekte begonnen werden. Da mehr Geld zur Verfügung steht, können auch teurere Vorhaben umgesetzt werden. Denn mit weißen Strichen auf der Fahrbahn ist es nicht getan.
So ist eine Beleuchtung Pflicht, oft muss die Straßenführung geändert werden. Wie es im Bezirksamt Treptow-Köpenick hieß, wollte man noch die Parkplätze vor dem Überweg beseitigen, um diesen sichtbarer zu machen.
Mit Verweis auf entsprechende UdV-Studien sagt Brockmann, dass Zebrastreifen nur dann relativ sicher seien, wenn bei der Anlage alles richtig gemacht worden sei. Fußgängerampeln seien teurer, aber nicht unbedingt besser: Dort könne ein Rotlichtverstoß katastrophal enden, weil Fußgänger grünen Ampeln viel mehr vertrauen als dem Effekt des Zebrastreifens.
Keine 3D-Streifen in Berlin
Das erste Exemplar in Berlin wurde 1952 vor dem Bahnhof Schöneweide markiert. Erst 1964 erhielten Fußgänger auch Vorrang auf diesen Überwegen. 1967 wurde in Berlin das Maximum mit 700 Anlagen erreicht. Wenig später verschwanden die ersten wieder, weil sie angeblich den Autoverkehr ausbremsten. Nach der Wende sollten die letzten Streifen gegen Ampeln ausgetauscht werden.
2001 waren noch 105 übrig – und das Geld so knapp, dass die Verwaltung sich wieder auf die kostengünstige Querungshilfe besann. Seitdem wuchs die Zahl der Zebrastreifen beispielsweise (bis 2015) in Friedrichshain-Kreuzberg von 3 auf 39, in Spandau von 4 auf 22, in Mitte von 3 auf 33. Geringer war der Anstieg in Steglitz-Zehlendorf – von 21 auf 31.
3D-Streifen, wie es sie etwa in Island gibt, will der Senat nicht testen: Zum einen seien sie in der Straßenverkehrsordnung nicht vorgesehen, zum anderen gebe es keine Belege, dass sie die Sicherheit erhöhen. Das auf die Straße „projizierte Hindernis“ könne sogar zu Notbremsungen und Auffahrunfällen führen.