Antisemitismus in Berlin-Prenzlauer Berg: Anklage nach Attacke auf Kippa-Träger erhoben
Die Staatsanwaltschaft Berlin wirft einem 19-Jährigen, der zwei Männer in Prenzlauer Berg angegriffen hatte, gefährliche Körperverletzung und Beleidigung vor.
Nach dem Übergriff auf zwei Kippa tragende Männer in Prenzlauer Berg hat die Staatsanwaltschaft Berlin Anklage gegen einen 19-Jährigen Syrer erhoben. Das teilte die Behörde auf Twitter mit. Knaan Al S. soll am 17. April gemeinsam mit zwei Begleitern einen 21-jährigen Israeli und einen 24-jährigen Deutschen auf offener Straße antisemitisch beleidigt haben.
Danach soll er einen der beiden Männer mit einer Gürtelschnalle an Kopf und Körper verletzt haben. Dieser trug unter anderem eine aufgeplatzte Lippe davon. Seit 19. April sitzt der mutmaßliche Täter in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm gefährliche Körperverletzung und Beleidigung vor.
Kurz nach dem Übergriff lud eines der beiden Opfer ein verwackeltes Handy-Video ins Netz, das den Vorfall zeigt. Darin ist zu sehen, wie der arabisch schreiende Täter den Israeli als "Yahudi" bezeichnet, was auf arabisch "Jude" heißt, und mit einem Gürtel schlägt.
Der Verdächtige, der seit 2015 in Deutschland lebt, wurde schnell von der Polizei identifiziert. Er stellte sich dann mit einem Verteidiger den Behörden, äußerte sich aber laut Staatsanwaltschaft nicht zu den Vorwürfen. „Es ist ein Asylbewerber, der einer Flüchtlingsunterkunft in Brandenburg zugewiesen war, sich aber in Berlin ohne festen Wohnsitz aufgehalten hat - deshalb Untersuchungshaft“, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Martin Steltner.
Gefährliche Körperverletzung (Paragraf 224) kann mit einer Gefängnisstrafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren bestraft werden. In leichteren Fällen reicht der Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Wegen seines Alters von 19 Jahren gilt der Syrer als Heranwachsender. Daher kann für ihn statt des Erwachsenenstrafrechts auch das Jugendstrafrecht angewendet werden
Am Tag darauf schilderte der Angegriffene, der 21-Jährige Adam Armush, gegenüber der Presse, das öffentliche Tragen der Kippa sei ein Experiment gewesen. Er habe prüfen wollen, wie die Lage für Juden in Deutschland tatsächlich sei. In Wirklichkeit sei er kein Jude, sondern Israeli, und in Israel in einer arabischen Familie aufgewachsen.
Der Vorfall im gut situierten Helmholtzkiez löste Solidaritätsbekundungen in der ganzen Stadt aus. Unter dem Motto "Berlin trägt Kippa" rief die Jüdische Gemeinde zu Berlin dazu auf, sich mit jüdischen Mitbürgern zu solidarisieren. Eine Woche nach dem Angriff gingen als Zeichen gegen Antisemitismus in mehreren deutschen Städten Menschen mit der traditionellen jüdischen Kopfbedeckung, der Kippa, auf die Straße.
Der Präsident des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, warnte davor, den Judenhass in Deutschland kleinzureden. In sozialen Netzwerken solidarisierten sich jedoch auch einige Menschen mit dem Angreifer und lobten dessen Tat.
Hochrangige Politiker bis hin zu Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerten Betroffenheit. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte: „Antisemitismus hat in unserer Stadt keinen Platz“. Der CDU-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Volker Kauder, betonte mit Blick auf Einwanderer, Deutschland akzeptiere den Antisemitismus nicht. „Diejenigen, die hier leben wollen, müssen das auch wissen.“
Angefacht wurde die Debatte zudem von einer Auszeichnung für die Rapper Kollegah und Farid Bang. Die beiden wurden für ein als judenfeindlich kritisiertes Album mit dem Echo-Musikpreis geehrt, worauf etliche andere Künstler ankündigten, ihre Trophäen zurückzugeben. Der Echo wurde daraufhin abgeschafft.