"Merkel muss weg"-Demo: 43 Festnahmen bei Demonstrationen am Sonnabend
Unter dem Motto "Merkel muss weg" zogen 600 Rechtsextremisten durch Berlin. Die Polizei räumte eine Straßenblockade von 150 Linken.
Am Sonntag zog die Polizei Bilanz vom Demo-Sonnabend in Berlin. Bei den Protesten gegen eine rechte Demonstration wurden insgesamt 43 vorübergehend festgenommen. Nach Feststellen der Personalien beziehungsweise erkennungsdienstlicher Behandlungen wurden alle wieder entlassen. Es wurden Strafverfahren unter anderem wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz, Landfriedensbrüchen, Widerständen, Körperverletzungen sowie Beleidigungen eingeleitet. Beim Räumen einer linken Straßenblockade wurde aus der Menge eine Flasche auf einen Polizeibeamten geworfen, der unverletzt blieb.
So hatte der Tagesspiegel am Sonnabend berichtet:
Weniger Rechtsextremisten als beim vorigen Mal hatten sich am Sonnabend versammelt, um zum vierten Mal in diesem Jahr unter dem Motto „Merkel muss weg“ durch Berlin zu ziehen. Gegen 16 Uhr waren Schätzungen der Sicherheitsbehörden zufolge 600 Teilnehmer am Hauptbahnhof zusammengekommen, die meisten zugereist aus den östlichen Bundesländern.
Es sei eine Mischung aus Flüchtlingsfeinden, Pegida-Anhängern, „Reichsbürgern“, Hooligans, Landsmannschaften und „Identitären“, hieß es. Ihnen stand eine etwas größere Zahl von Gegendemonstranten gegenüber. Die Strecke war abgegittert, um Blockaden durch die linke Szene zu verhindern. In der Nähe des Kanzleramtes riefen die Demonstranten wieder "Merkel muss weg" und zogen dann weiter zum Alexanderplatz.
Die Gegendemonstranten aus dem linken Lager hatten sich ebenfalls am Hauptbahnhof versammelt. Die Berliner Polizei war mit 1.100 Beamten auf einen Großeinsatz vorbereitet, darunter waren auch Hundertschaften aus Sachsen. Die rechte Demo sollte gegen 15 Uhr am Hauptbahnhof starten, um 16 Uhr sammelte man sich immer noch. Gegen die Merkel-Demo waren zwei Kundgebungen linker Gruppen angemeldet. In einem Aufruf heißt es: „Wir werden für eine solidarische und antifaschistische Stadt einstehen und den Nazis die Stirn bieten.“
Der Demonstrationszug verlief nach längeren Kundgebungen zunächst ohne größere Zwischenfälle. In der Friedrich- Ecke Torstraße war es den Gegendemonstranten dann doch gelungen, die Strecke zu blockieren, zwei Stunden musste die rechte Demo stehenbleiben. Demonstranten und Gegendemonstranten zeigten sich beide unnachgiebig, der Veranstalter des Zuges lehnte eine kurzfristige Änderung der Strecke ab. Schließlich wurde der Weg von der Polizei mit Gewalt freigeräumt, es kam zu Festnahmen. Zuletzt war die Zahl der Anti-Merkel-Protestler auf rund 200 geschrumpft. Gegen 20 Uhr endete der Protestzug auf dem Alexanderplatz, die übrig gebliebenen Teilnehmer sangen die erste Strophe des Deutschlandliedes.
Die Zahl der Teilnehmer bei "Merkel muss weg" ist in diesem Jahr kontinuierlich gesunken. Im März – als noch viele Flüchtlinge in Deutschland eintrafen – kamen bei Eiseskälte 3.000 Menschen, im Mai bei schönem Wetter noch 1.800, Ende Juli noch 1.350 Menschen. An diesem Sonnabend hatte sich die Zahl der Demonstranten also noch einmal mehr als halbiert. Zuletzt gab es nach Einschätzung der Berliner Sicherheitsbehörden auf der Demo "Rechtsextremisten pur und keine bürgerlichen Teilnehmer mehr". Nach der Premiere im März hatte der Verfassungsschutz die Teilnehmer als "braunen Bodensatz aus Hardcore-Pegidisten, Neonazis, Hooligans, Reichsbürgern und Verschwörungstheoretikern" beschrieben. Die Bewegung der "Reichsbürger", die die Existenz der Bundesrepublik Deutschland leugnet, hatten zuletzt durch die tödlichen Schüsse auf einen Polizisten Schlagzeilen gemacht.
Polizei bietet weit mehr als 1.000 Beamte auf
Bei der bisher letzten Demonstration Ende Juli hatte die Polizei die komplette Wegstrecke der Rechtsextremisten abgegittert, um Blockaden durch die linke Szene zu verhindern. 1.700 Beamte waren im Einsatz. Auch am Sonnabend dürfte es Versuche geben, den Zug zu stoppen oder zu behindern. Die Polizei wird wieder deutlich mehr als 1.000 Beamte aufbieten. Auf Bitten der Sicherheitsbehörden wurde das Erstligaspiel der Hertha gegen Mönchengladbach im Olympiastadion auf den Freitagabend vorverlegt, um die Belastung für die Polizei gleichmäßiger zu verteilen. In der Vergangenheit hatte die Polizei darum gebeten, dass keine Bundesligaspiele in Berlin stattfinden, wenn der 1. Mai am Wochenende ist.
Eine weitere rechte Demo soll am Sonnabendnachmittag in der City-West unter dem Motto "Frei, sozial & souverän" stattfinden. Angemeldet sind zwar 800 Teilnehmer, diese Zahl dürfte aber bei weitem nicht erreicht werden. Start ist am Bahnhof Zoo, die Teilnehmer wollen über den Kurfürstendamm ziehen. Störungen sind dem Vernehmen nach nicht zu erwarten.
Den Titel einer Demonstration so zu wählen, dass man meint, der politische Gegner könne ja gar nicht anders als selbst zuzustimmen, ist jetzt wirklich der Uralt-Trick. Hat bei der Begriffsbildung Nationalsozialismus wunderbar geklappt und ist heute schon ziemlich durchschaubar geworden.
schreibt NutzerIn schoeneberger
Kundgebung gegen Auftritt von Pegida-Gründer Lutz Bachmann
Unproblematisch erwies sich dann für die Polizei, dass am Sonnabendnachmittag in einem Hotel an der Leipziger Straße in Mitte ein "Kongress zur Rettung der Meinungsfreiheit" des Magazins "Compact" stattfand. Dort traten unter anderem Pegida-Gründer Lutz Bachmann aus Dresden und AfD-Bundesvorstand André Poggenburg auf. Auch gegen diese Veranstaltung hatte die linke Szene eine Gegenkundgebung angemeldet, gegen 13 Uhr waren nach Angaben der linken Szene 50 Gegendemonstranten vor dem Hotel, die Zahl stieg später auf rund 150, nach Polizeiangaben blieb es friedlich. Eine linksextremistische Antifa-Gruppe hatte angekündigt, den Kongressteilnehmern einen "möglichst unangenehmen Empfang zu bereiten", Motto: "Blockieren, Pöbeln, Protestieren".
"Compact" gilt als Sprachrohr der AfD und der islamfeindlichen Pegida-Bewegung. Auf der Internetseite des Magazins heißt es, der Kongress habe zuvor in Köln wegen Protesten abgesagt werden müssen. Die Antifa feierte dies als Erfolg und hatte eine Wiederholung in Berlin angekündigt, die dann doch nicht zustande kam.