Mutter von Berliner Großfamilie bestattet: Polizei begleitet Beerdigung mit Hubschrauber und Straßensperren
Hunderte Polizisten mussten am Montag bei einer Trauerfeier der Großfamilie Remmo für Ordnung sorgen. Es kamen mehr Angehörige als nach Corona-Regeln erlaubt.
Die Beerdigung einer Mutter aus der bekannten Neuköllner Großfamilie Remmo ist am Montag von einem großen Polizeieinsatz begleitet worden. Etwas mehr als 100 Angehörige hatten sich nach Behördenangaben auf den Weg nach Schöneberg gemacht, um an der Bestattung auf dem Zwölf-Apostel-Friedhof teilzunehmen.
Nach den geltenden Regeln zum Infektionsschutz dürfen jedoch nicht mehr als 20 Personen eine Trauerfeier besuchen. Zudem müssen die allgemeinen Abstandsregeln in der Corona-Krise beachtet werden.
Die Polizei hatte sogar noch mit mehr Angehörigen gerechnet und war deshalb mit einem Großaufgebot im Einsatz: Seit dem Morgen kreiste ein Hubschrauber über der südlichen Berliner Innenstadt, um Übersichtsaufnahmen anzufertigen - anfangs vor allem im Bereich Neukölln und Kreuzberg, wo eine Zeremonie in der Sehitlik-Moschee am Columbiadamm stattfand.
Im Laufe des Vormittags verlagerte sich das Geschehen in Richtung Schöneberg. Starke Polizeikräfte standen mit Mannschaftswagen bereit, Straßensperren waren errichtet worden, um den Zugang zu dem Friedhof unweit des S-Bahnhofs Schöneberg zu regeln.
Um die Corona-Regeln durchzusetzen, seien mehrere Hundert Polizisten im Einsatz, sagte ein Polizeisprecher. „Wir haben Verständnis für die Trauer, müssen aber sehen, wie wir trotzdem mit angemessenem Respekt dafür Sorge tragen, dass die Regeln eingehalten werden.“ Man habe deswegen auch mehrfach mit der Familie gesprochen und sie darauf hingewiesen.
Auch auf den Verkehr hatte der Polizeieinsatz Auswirkungen: Die Polizei hatte vor der Beerdigung den Sachsendamm ab der Autobahnabfahrt gesperrt, die vierspurige Dominicusstraße wurde ab Hauptstraße gesperrt, alle Nebenstraßen rund um S-Schöneberg waren nur noch für Fußgänger und Radler frei.
Rund um den Friedhof lauter Polizisten
Seit kurz nach neun waren die Straßen rund um den Friedhof voll von Polizisten. Vor den Häusern standen behelmte Gruppen von Beamten, auf beiden Straßenseiten und in den Nebenstraßen warteten Mannschaftswagen.
Mindestens 20 Mannschaftswagen und 20 Streifenwagen der Polizei waren im Einsatz. Der Hubschrauber kreiste weiterhin in der Luft.
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Die Zufahrt vom Sachsendamm zum Werdauer Weg wurde für die Presse und alle Nichttrauergäste gesperrt. Am Werdauer Weg liegt die Friedhofsfläche der Zwölf-Apostel-Gemeinde, wo die Remmo-Mutter auf dem muslimische Gräberfeld bestattet wurde. Die ankommenden Trauergäste parkten auf dem nahe gelegenen Kundenparkplatz des Kaufhauses "Möbel Höffner".
Auf demselben Friedhof der Schöneberger Zwölf-Apostel-Gemeinde wurde im September 2018 schon der erschossene Intensivtäter Niddal R. bestattet.
Damals kamen rund 2000 Menschen, viele strömten damals aus den umliegenden Wettbüros, Friseurläden oder Spätkaufs zur Grabstätte.
Polizisten kontrollierten den Zugang zum Friedhof. Nur namentlich bekannte Menschen dürfen durch die Absperrung, die Polizei hatte eine Liste mit 60 engsten Familienmitgliedern – wer nicht darauf stand, wurde fortgeschickt.
Jeweils 20 Trauergäste durften den Friedhof betreten, die übrigen mussten draußen warten, wenn sie auf der Liste standen, sagte Polizeisprecher Thilo Cablitz. Die Polizei war mit 250 Kräften vor Ort.
Beamte machten Durchsagen zu Zugangs- und Hygieneregeln mit Lautsprechern und bat Anwesende, die Ansagen für jene Gäste zu übersetzen, die kein Deutsch sprechen. Der Einsatz wirkte insgesamt sehr straff organisiert. "Es ist eine Gratwanderung", sagte Polizeisprecher Cablitz. "Wir wollen Trauer ermöglichen, es geht aber auch darum, das Infektionsrisiko zu minimieren."
Nach mehr als drei Stunden waren die Dominicusstraße und Nebenstraßen immer noch komplett gesperrt. Polizisten ließen auch Anwohner nur in eine Richtung durch. Ein älterer Mann stritt sich mit einem Polizisten, er wolle nur schnell ein Paket abholen. Radfahrer machten entnervt kehrt. Nichts zu machen, Anweisung ist Anweisung.
Hamburger Gitter versperren auch die Nebenstraßen, sodass große Umwege notwendig waren, nur BVG-Busse wurden durchgelassen. Der Verkehr rund um den S-Bahnhof Schöneberg war wegen der Beerdigung ebenfalls komplett zum Erliegen gekommen.
Sperrungen in Schöneberg um 14 Uhr wieder aufgehoben
Gegen 14 Uhr hob die Polizei alle Sperrungen wieder auf. Während der Einsatz in Schöneberg beendet war, behielten die Beamten noch die Villa eines Familienangehörigen im Neuköllner Stadtteil Alt-Buckow im Blick. Es war erwartet worden, dass die Trauernden sich dort einfinden könnten. Im Laufe des Nachmittags blieb jedoch alles ruhig, teilte ein Sprecher mit.
Allerdings wurde eine Zeitungsreporterin von einem der Trauergäste bespuckt, gegen den Mann wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Außerdem sollen zwei Personen versucht haben, sich zum Friedhof Zugang zu verschaffen. Weitere Zwischenfälle habe es nicht gegeben, sagte der Polizeisprecher.
Polizeipräsidentin: Beerdigung im Clan-Milieu ohne große Probleme
Nach einer ersten Einschätzung von Polizeipräsidentin Barbara Slowik verlief die Beerdigung ohne große Probleme. Die Atmosphäre sei ruhig und verhalten, sagte Slowik am Montagvormittag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses, während die Beerdigung auf einem Friedhof in Berlin-Schöneberg andauerte.
Slowik betonte, die Polizei habe umfassende Maßnahmen zur Begleitung der Beerdigung getroffen, um die Corona-Regeln durchzusetzen. Man habe mit Lautsprecheransagen die Trauergäste darauf hingewiesen, dass Versammlungen derzeit nicht erlaubt seien. Schon in den vergangenen Tagen habe die Polizei der Familie „deutlich gemacht, dass wir die Regeln klar durchsetzen werden“.
Auch der Senat hatte sich auf Beamtenebene mit den Vorgängen befasst: Intern wurde noch am Freitag davon ausgegangen, dass hunderte Besucher versuchen, zum Friedhof zu gelangen. Dutzende Angehörige würden demnach aus anderen Bundesländern anreisen wollen. Das traf dann doch nicht in dieser Massivität ein.
Angehörige versammelten sich vor Kreuzberger Urban-Krankenhaus
Zahlreiche Angehörige der Familie Remmo sind Ermittlern und Justizbeamten in Berlin, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen sowie im Libanon seit vielen Jahren bekannt. In dieser Woche hatte es zwei Vorfälle mit Angehörigen der Neuköllner Großfamilie gegeben.
Wie die Polizei am Freitag mitteilte, hatten sich zahlreiche Männer auf dem Grundstück einer Villa im Neuköllner Süden versammelt. Dort wohnt der bekannteste Vertreter der Remmos. Die Versammelten missachteten die Regeln zum Schutz vor dem Coronavirus, Polizisten nahmen Personalien von 47 Personen auf.
In der Nacht zu Dienstag war die ältere Frau in das Kreuzberger Urban-Krankenhaus eingeliefert worden. In Neukölln rasten Autofahrer vom Wohnhaus der Patientin zur Klinik und sollen dabei fast einen Polizisten überfahren haben. Vor dem Eingang zur Klinik versammelten sich in den folgenden Tagen trotz des aktuell überall geltenden Besuchsverbots zwischenzeitlich mehr als 100 Personen. In den frühen Morgenstunden des Donnerstags verstarb ihre Angehörige schließlich.
Familienmitglied: Handelt sich um eine private Angelegenheit
Einige Söhne und Enkel der Verstorbenen sind durch öffentlichkeitswirksame Taten aufgefallen, saßen immer wieder Haftstrafen ab. Der Großfamilie werden zahlreiche Häuser, Grundstücke und Wohnungen zugerechnet, die 2018 konfisziert worden sind, weil sie - so der Vorwurf der Justiz - mit aus Straftaten gewonnenem Geld erworben seien.
In einer E-Mail an die Redaktion teilte ein Familienmitglied mit, dass es sich bei den Vorgängen um eine "private Angelegenheit" handele, ein "öffentliches Interesse" bestehe nicht. Man verwahre sich zudem dagegen, in einer "Clan-Berichterstattung" genannt zu werden.