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Altbundeskanzler Gerhard Schröder, seine fünfte Frau Soyeon Schröder-Kim (r) und Katja Kipping, Parteivorsitzende der Linken.
© Jens Kalaene/dpa
Update

67. Bundespresseball in Berlin: Politische Pointen im Dreivierteltakt

Der Bundespresseball im Hotel Adlon bot Anlass für ganz unterschiedliche politische Ausdrucksformen. Sogar beim Genuss gab es Bedenkenswertes zu kosten.

Misfits auf dem Ball? Wer da an unpassende Kleidungsstücke dachte, war auf dem Holzweg. Die Roben fielen beim 67. Bundespresseball, der am Freitagabend im Hotel Adlon getanzt wurde, sogar noch einen Tick eleganter aus als in den Vorjahren. Anders als in der Politik ist die Farbe „Rot“ in der Mode ein großer Trend, aber viele Damen erschienen auch in Schwarz, zum Beispiel First Lady Elke Büdenbender, Claudia Roth und Jette Joop kombiniert mit Gold. Letztere bekannte, sich heimlich sehr für Politik zu interessieren. Die Integrationsbeauftragte Annette Widmann-Mauz wollte mit ihrem Auftritt die Schicksale der Geflüchteten ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken und hatte, wie sie vorab sagte, ein schwarzes Abendkleid mit schwarzen Jasminblüten des syrischen Designers Nizar Jaafar gewählt.

Die gehobene Mittelschicht feiert. ;-)

schreibt NutzerIn spreeathen

Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder kam mit seiner neuen Ehefrau Soyeon Kim. Als Bundeskanzler war er 1999 beim ersten Bundespresseball in Berlin zu Gast, saß an einem von hungrigen Fotografen umlagerten Tisch. Doris Schröder-Köpf, mit der er damals gerade zwei Jahre verheiratet war, ist inzwischen Migrationsbeauftragte des Landes Niedersachsen. Sie erschien in rotem Samt wegen des Verkehrs auf der A 2 leicht verspätet an der Seite ihres neuen Partners, des niedersächsischen Innenministers Boris Pistorius. Einem möglichen Zusammentreffen mit der Nachfolgerin sah sie sehr gelassen entgegen: „Unsere Auseinandersetzung findet ja im Gerichtssaal statt und nicht im Ballsaal.“ Im übrigen habe das Adlon so viele Räume, dass man sich nicht über den Weg laufen müsse. Sie freue sich aufs Tanzen, wozu sie als Alleinerziehende nicht allzu oft Gelegenheit habe. Im Vorfeld der letzten Schröder-Hochzeit hatte es Spannungen zwischen den Ehefrauen Nummer 4 und 5 gegeben. Im Palais-Saal waren die Paare beim Dinner versetzt platziert.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender (l) beim Tanzen.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender (l) beim Tanzen.
© Jens Kalaene/dpa

Die Wahl des Eröffnungswalzers „Münchner G'schichten“ war wohl als politische Pointe gedacht. Allerdings hatten nur die Minister Hubertus Heil, Gerd Müller, Svenja Schulze und Jens Spahn ihr Kommen avisiert. Horst Seehofer fehlte auf der Zusagenliste. Wegen anderer Termine kurzfristig verhindert waren auch Annegret Kramp-Karrenbauer und Friedrich Merz, also mussten sie auf viele Gelegenheiten zu inspirierenden Gesprächen verzichten. Schließlich waren rund 2300 Gäste zusammengekommen, jeder auf seine Weise ein Politik-Experte. Von der AfD wurden zwei Abgeordnete und zwei Pressesprecher als Flaneure erwartet, geladen seien sie wie alle anderen, hieß es professionell und kühl.

Neben der Politik spielte der Genuss eine Hauptrolle. Dafür hatten sich die Küchenchefs, Zwei-Sterne-Koch Hendrik Otto und Küchendirektor Stephan Eberhard, innovative Speisen einfallen lassen. Die 300 Teilnehmer am gesetzten Dinner konnten sich vor dem Eröffnungstanz zügig ein Menü zwischen Rahmsuppe von Waldpilzen mit Heuaroma und dekonstruiertem Aprikosenstrudel schmecken lassen. Für die Flaneure gab es unter anderem die erwähnten „Misfits“, Köstlichkeiten aus Gemüse wie Gurken, das laut geltender Verordnungen, weil nicht perfekt geformt, nicht in den Einzelhandel darf. An der Stelle wurde selbst der Genuss politisch, weil die Wertschätzung von Lebensmitteln über die Sinnhaftigkeit von Verordnungen gestellt wurde, gutes Gesprächsthema für einen Ball mit vielen Entscheidern. „Hybrid Food“ konnte in Gestalt von Dim Sum mit Weißwurst und Miso-Senf-Suppe gekostet werden.

Gerade in unsicheren Zeiten wie diesen freue man sich, einmal im Jahr mit den Menschen zu feiern, mit denen man sich im Alltag kritisch auseinandersetze, sagte der Vorsitzende der Bundespressekonferenz, Gregor Mayntz. Vor dem Eröffnungstanz, bei dem der Bundespräsident Sonja Mayntz aufs Parkett führte und Gregor Mayntz mit Elke Büdenbender loswirbelte, wurde der Preis der Bundespressekonferenz verliehen. Als „feste Größen der Berichterstattung, die im vergangenen Herbst die Bemühungen um eine Regierungsbildung rund um die Uhr begleitet“ haben, wurden die Hauptstadtkorrespondenten vom Fernsehsender Phoenix, Gerd-Joachim von Fallois und Erhard Scherfer, ausgezeichnet. Die Laudatio setzte sich zusammen aus Netz-Kommentaren direkt nach der Online-Bekanntgabe. Tenor: „Good Job!“

Auch nach dem Eröffnungswalzer begleitete die Big Band der Bundeswehr den Tanz musikalisch. Den Gegenwert des Auftritts in Höhe von 10.000 Euro überreichten Vertreter der Bundespressekonferenz der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ als Spende.

Gegen fünf Uhr endete der Bundespresseball am frühen Samstagmorgen zu den Klängen von „New York, New York“. Viele Gäste hatten im Adlon Zimmer gebucht und konnten mit dem Lift nach Hause fahren. Gelobt wurden in diesem Jahr besonders die innovativen Speisen, die auch im Ball-Guide erklärt wurden. Wer dabei war, kann jetzt mitreden, wenn es um „Flavor Pairings“ , „Mirror Glaze“ und „Speck Airbags“ geht. Die mitternächtliche Currywurst war trotzdem wieder ein Hit.

Für den Vorsitzenden der Bundespressekonferenz, Gregor Mayntz, hatte die Schauspielerin Katharina Thalbach eine Überraschung parat. In kleiner Runde mit dem Bundespräsidenten begann sie plötzlich, Brecht zu rezitieren und so einen dieser besonderen Ball-Momente zu schaffen, die bei allen, die dabei sein konnten, noch lange in der Erinnerung haften bleiben.

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