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So soll die Avus mit dem Messegelände verbunden werden.
© Simulation: Deges
Update

Nach Bürgerprotesten gegen A100-Umbau: Planer schlagen Kompromiss für neues Dreieck Funkturm vor

Mit der Verlagerung einer künftigen Avus-Zufahrt am Messegelände reagieren Projektmanager auf die Kritik von Bürgern und Bezirkspolitikern.

Im Streit um die Neugestaltung des Autobahndreiecks Funkturm zeichnet sich eine Lösung beim größten Kritikpunkt vieler Anwohner und Charlottenburg-Wilmersdorfer Bezirkspolitiker ab. Die staatliche Planungsgesellschaft Deges will die neue Anschlussstelle Messedamm nördlich der Avus-Tribüne bauen – und nicht mehr an der Ecke Jafféstraße mit einer großen Kreuzung neben der Siedlung Eichkamp.

Das geänderte Konzept wurde am Mittwochnachmittag im Stadtentwicklungsausschuss des Abgeordnetenhauses vorgestellt. Andreas Irngartinger von der Deges sagte, dass die alte Planung „nicht auf Akzeptanz gestoßen ist im Land Berlin“, vor allem an der Höherlegung der Avus um vier Meter habe es „harte Kritik“ gegeben, räumte der Deges-Verantwortliche ein. Dann stellte er den Abgeordneten das „brandneue“ Ergebnis vor. 

Im neuen Konzept fließe der Verkehr weiterhin hauptsächlich durch die Masurenallee statt über die Jafféstraße. Und es ist nicht mehr nötig, Teile der Avus (A115) um vier Meter höher zu legen, dadurch müssen keine acht Meter hohen Lärmschutzwände gebaut werden.

Die Ab- und Zufahrten sollen großenteils östlich der Autobahn verlaufen und über eine Brücke in Höhe des bisherigen Lkw-Parkplatzes neben der Avus mit dem Messedamm verbunden werden.

Man sei gar nicht so stur wie behauptet, heißt es

Die Deges beweise mit dieser „Variante für die Stadt“, dass sie in der laufenden Bürgerbeteiligung offen für Anregungen sei, sagten der Chef der Niederlassung Berlin, Andreas Irngartinger, und Projektleiter Burkhard Pott vor der Ausschusssitzung.

Bereits am Dienstagabend hatten die Planer ihre Ideen mit Bürgern aus den Siedlungen Eichkamp und Heerstraße und Mitgliedern des Kiezbündnisses Klausenerplatz diskutiert. Daran nahmen auch Vertreter der Senatsverkehrsverwaltung, des Bezirksamts und der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin teil.

In den vorigen Monaten hatten Kritiker der Deges vorgeworfen, sie bleibe stur bei ihrer ursprünglichen „Vorzugsvariante“. In einem Punkt blieb die Deges am Mittwoch aber hart: Es müsse am Dreieck weiter Tempo 80 gelten. Eine Senkung auf Tempo 60, wie von Anwohnern gefordert, werde die Kapazität des Dreiecks reduzieren, sagte Irngartinger. 

Abgeordnete aller Parteien lobten vor allem den Verzicht auf eine Höherlegung der Avus, hatten aber viele Fragen. Der SPD-Abgeordnete Daniel Buchholz brachte die Stimmung so auf den Punkt: „Ein Gesamtkunstwerk ist das noch nicht.“

Falls das Abgeordnetenhaus dem neuen Konzept zustimmt, verzögere sich die Planung um ein halbes Jahr, schätzt die Deges. Da das Planfeststellungsverfahren wohl „deutlich widerspruchsfreier“ sein werde, könne die Zeit wieder eingeholt werden, sagte Irngartinger. Die Bauzeit von mindestens acht Jahren soll sich nicht ändern.

Der Verkehr würde sich verlagern – zu Lasten anderer Anwohner

Auch jetzt noch gibt es Meinungsverschiedenheiten, weil die Änderungen einige Nebenwirkungen hätten. In der Jafféstraße wären zwar schätzungsweise 5000 Fahrzeuge weniger pro Tag unterwegs als bisher prognostiziert, dafür aber müssten Anwohner in der Knobelsdorffstraße und in der Reichsstraße mit 700 beziehungsweise 600 mehr Pkw, Lastwagen, Bussen oder Motorrädern rechnen.

Außerdem glaubt die Deges, dass die neue Anschlussstelle Messedamm insgesamt „weniger attraktiv“ für Verkehrsteilnehmer werde. In der Folge sei damit zu rechnen, dass täglich jeweils 1000 Fahrer zusätzlich die bestehenden A 100-Anschlussstellen Spandauer Damm, Kaiserdamm und Kaiserdamm Süd nutzen.

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Das Kiezbündnis Klausenerplatz begrüßte in einer Erklärung, dass die „Neuplanung die Menschen in Eichkamp entlastet“. Doch leider würden Anwohner rund um den Kaiserdamm „mit noch deutlich mehr Verkehr belastet“ – auch durch eine geplante Schließung der bisherigen Anschlussstelle Messedamm an der Halenseestraße.

Der Verein kritisiert vor allem den Berliner Senat, der „keine Perspektive“ entwickle, um die Schneise der Stadtautobahn zu schließen. Tausende Anwohner blieben Schadstoffen und dem Lärm ausgesetzt. Den Vorschlag des Kiezbündnisses und einiger Landespolitiker, Teile der A 100 mit einem Tunnel zu deckeln, gehe der Senat mit der Beauftragung einer Machbarkeitsstudie nur „sehr verhalten“ an. 

Das Kiezbündnis Klausenerplatz präsentierte dem Ausschuss „zwei Hauptforderungen“: Nämlich die Deckelung der A100 und die Verlegung der Anschlussstelle „Kaiserdamm“ weg von der Knobelsdorffstraße direkt an den namensgebenden Kaiserdamm.

Der Siedlerverein Eichkamp lobt die neuen Pläne, fordert jedoch, mindestens zwei der bisher sieben Aus- und Zufahrten am Autobahndreieck zu erhalten, um besonders die Knobelsdorffstraße vor einem starken Verkehrszuwachs zu schützen. Außerdem fehle eine direkte Anbindung der künftigen Anschlussstelle Messedamm an den öffentlichen Nahverkehr.

Bezirksamt fordert kurze Verbindung zum ZOB

Als „Schritt in die richtige Richtung“ bezeichnet das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf die Änderungsideen. Allerdings nennt der Stadtrat für Bauen, Umwelt und Verkehr, Oliver Schruoffeneger (Grüne), ein ungelöstes Problem: Durch den Entfall der alten Anschlussstelle Messedamm wäre die A 100 aus und in Richtung Süden nicht mehr unmittelbar mit dem nördlichen Messedamm und dem dortigen Zentralen Omnibusbahnhof Berlin (ZOB) verbunden. „Dies würde zu deutlichen Verlagerungen von Verkehrsströmen in das Stadtstraßennetz“ führen.

Das Bezirksamt bittet die Deges und die Senatsverkehrsverwaltung deshalb, eine Erhaltung der bisherigen Anschlussstelle an einer nur „leicht veränderten“ Stelle zu prüfen.

Falls das Abgeordnetenhaus dem neuen Konzept zustimme, verzögere sich die Planung des künftigen Autobahndreiecks um etwa ein halbes Jahr, schätzt die Deges. Dementsprechend soll die erste „Themenwerkstatt“ mit vielen Bürgern, die im Februar stattgefunden hatte, erst gegen Ende dieses Jahres mit einer zweiten Veranstaltung fortgesetzt werden.

Cay Dobberke, Jörn Hasselmann

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