Sarrazin und die SPD – der nächste Akt: Parteivorstand will Ex-Finanzsenator ausschließen
Viele in der Partei kritisieren ihn, aber er will nicht gehen: Am 10. Januar verhandelt die SPD-Landesschiedskommission über den Ausschluss Thilo Sarrazins.
Der parteiinterne Streit, ob der Buchautor und Ex-Finanzsenator Thilo Sarrazin das SPD-Parteibuch abgeben muss, geht in die nächste Runde. Die Landesschiedskommission der Berliner SPD verhandelt am 10. Januar über den Antrag des Parteivorstands, den lästigen Genossen aus der SPD zu entfernen. Bereits im Juli hatte das Schiedsgericht des Kreisverbands Charlottenburg-Wilmersdorf den Parteiausschluss positiv beschieden. Dagegen ging der 74-Jährige in Berufung.
Die Kreisschiedskommission warf Sarrazin „antimuslimische und kulturrassistische Äußerungen“ vor, außerdem habe er die innerparteiliche Solidarität verletzt. Sarrazin habe der SPD schweren Schaden zugefügt und erheblich gegen deren Grundsätze verstoßen.
Das will der promovierte Volkswirt, der seine berufliche Karriere 2010 als Vorstand der Deutschen Bundesbank abschloss, nicht auf sich sitzen lassen. Sollte auch die Landesschiedskommission der Sozialdemokraten Anfang des neuen Jahres für den Parteiausschluss plädieren, will Sarrazin auch die Bundesschiedskommission und danach ordentliche Gerichte bemühen.
Ein Gutachten von Yasemin Shooman
In der mündlichen Verhandlung, die in zwei Wochen in der Weddinger SPD-Landeszentrale stattfindet, dürfte das für den Parteivorstand erarbeitete Gutachten von Yasemin Shooman, ehemals Programmleiterin der Akademie des Jüdischen Museums in Berlin, eine wichtige Rolle spielen. Ist sie eine ausgewiesene Expertin für den „antimuslimischen Rassismus“? Davon geht die SPD-Führung aus. Oder stützt sich SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil auf eine Kronzeugin aus der „antisemitischen Ecke“ – gut verdrahtet mit Vertretern des palästinensischen Netzwerks BDS, das seit Jahren aggressiv gegen Israel agiert? Das ist offenbar der Vorwurf der Gegenseite.
Die Jüdische Gemeinde in Deutschland und israelische Politiker hatten dem Jüdischen Museum Sympathien für den BDS und einen zunehmend anti-israelischen Kurs vorgeworfen. Inzwischen arbeitet Shooman im Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM), das vom Bundesfamilienministerium gefördert wird. Sarrazin wird sich vor dem Landesschiedsgericht voraussichtlich darauf stützen, dass eine wissenschaftlich fragwürdige und politisch zweifelhafte Gutachterin über seine Haltung zum Islam entscheide.
Sarrazin sieht sich als faktenbasierter Analyst
Ob dieses Argument zieht, wird man sehen. Sarrazin selbst sieht sich immer noch als faktenbasierter Analyst, der die Rolle der muslimischen Minderheiten in Europa kritisch einordnet. Nach wie vor sieht er sich nicht im rechten oder nationalen Lager verdrahtet und fühlt sich in seinen öffentlich verfochtenen Positionen durch viele Sozialdemokraten tendenziell unterstützt.
Auch in der Berufungsverhandlung wird Sarrazin, der seit November 1973 SPD-Mitglied ist, mit großem Nachdruck auf die innerparteiliche Meinungsfreiheit pochen.
Kritik an Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans
Politische Zurückhaltung erlegt er sich während des laufenden Verfahrens jedenfalls nicht auf. Die neue Doppelspitze der Bundespartei, Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, hält er „von ihren Erfahrungen, Einstellungen und von ihren Fähigkeiten her für weit überfordert“.
Und in der „Bild“-Zeitung hatte Sarrazin den Juso-Bundeschef Kevin Kühnert noch vor der Entscheidung der Parteibasis zu einer Kandidatur für den SPD-Vorsitz aufgefordert. „Wenn die Linken schon die komplette Machtübernahme anstreben, dann sollten sie gefälligst mit der ersten Garnitur antreten.“
Das Berufungsverfahren gegen Sarrazin vor der Landesschiedskommission sollte eigentlich schon im Oktober stattfinden. Angebliche oder echte Terminschwierigkeiten, ein Befangenheitsantrag gegen das dreiköpfige Schiedsgericht und ein statutenrechtliches Scharmützel um die korrekte Zusammensetzung des Gremiums führten jedoch dazu, dass die mündliche Verhandlung zunächst auf November – und nunmehr endgültig auf den 10. Januar um 18 Uhr verschoben wurde.
[Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, die Debatte um den mittlerweile zurückgetretenen Museumsdirektor Peter Schäfer habe im September auch zum Rücktritt Shoomans geführt. Shooman legt jedoch Wert auf die Feststellung, dass ihr Weggang vom Jüdischen Museum zum DeZIM-Institut in keinerlei Zusammenhang mit der Tweet-Affäre und Schäfers Rücktritt stand.]
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