Umstrittener "Turnvater" Jahn: Pankow will Jahn-Sportpark umbenennen
„Bekennender Antisemit“: Pankow fordert den Senat auf, eine Namensänderung des Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportparks zu prüfen. Es gibt bereits Ideen.
Der Bezirk Pankow fordert den Senat auf, die Umbenennung des Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportparks in Prenzlauer Berg zu prüfen. „Die Benennung von Sportstätten nach dem ,Turnvater' und bekennenden Antisemiten Friedrich Ludwig Jahn wird inzwischen allgemein kritisch beurteilt“, heißt es im Beschluss der Pankower Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Anfang Juni. „Deshalb sollte der Senat diese Benennung überprüfen.“
Die Senatsverwaltung für Inneres und Sport sagte diese „kritische Überprüfung“ zu. Dies sei zwar schon in der Vergangenheit passiert, so eine Sprecherin. Im Rahmen der Sanierung und des Neubaus von Anlagen auf dem Areal jedoch werde die Senatsverwaltung „erneut überprüfen, ob durch Benennung einzelner Sportanlagen oder des gesamten Sportparks weitere bzw. andere Personen geehrt werden“.
Die Debatte um Jahn als Namensgeber schwelt seit Jahren. Die Initiative „Sport ohne Turnväter“ drängte schon 2011 auf eine Umbenennung. Jahn habe sich etwa im Buch „Deutsches Volksthum“ chauvinistisch und antisemitisch geäußert, hieß es zur Begründung: „Jahn darf mit seinem Gedankengut nicht die größte Sportanlage Nordberlins repräsentieren, zumal diese mit der Ausrichtung von Veranstaltungen wie den ,Respect Gaymes' der schwul-lesbischen Gemeinde ganz besonders für Offenheit und Toleranz steht.“
"Inklusionssportpark" mit neuem Namen
Jahns Kritiker sehen in Anbetracht der Entwicklung zum „Inklusionssportpark“ eine günstige Gelegenheit zur Neubenennung. Für 170 Millionen Euro soll das Gelände zum Stützpunkt des Behindertensports umgestaltet werden.
Derzeit läuft die erste Umbauphase an, 2021 soll das große Stadion abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden, die Eröffnung ist 2024 vorgesehen. Nach Wunsch des Bezirks Pankow soll im Zuge der Umgestaltung „durch Benennungen von Anlagen, Orten und Wegen die Ortsgeschichte“ stärker berücksichtigt werden.
Auch Bezirksbürgermeister Sören Benn (Linke) geht auf Abstand zum Turnvater. „Jahn ist sicher aus heutiger Sicht ein eher schwieriger Zeitgenosse mit seinem mindestens völkischen Gesellschaftsverständnis“, sagt Benn. „Insofern wäre eine Debatte um die Namensgebung im Zuge des Umbaus des Areals zu einem Inklusionssportpark sicher sinnvoll. Wir hätten beispielsweise mit Lilli Henoch auch eine durchaus diskussionswürdige Namensalternative mit lokalem Bezug.“ Die jüdische Leichtathletin stellte einst vier Weltrekorde auf und arbeitete als Turnlehrerin an einer jüdischen Schule in der Choriner Straße.
Pressekönig Rudolf Mosse im Gespräch
Pankow bringt als künftigen Namenspatron auch den jüdischen Verleger Rudolf Mosse ins Spiel. Der BVV-Beschluss regt „die mögliche Würdigung des Engagements von Rudolf Mosse durch die Benennung eines Weges/Ortes oder einer Sportanlage“ an.
Berlins einstiger Pressekönig („Tageblatt“) war nicht nur Kunstliebhaber und -mäzen, er spendete auch für neue Sport- und Erholungsstätten in der Stadt. Unter anderem auf dem Gelände des Exerzierplatzes („Exer“) an der Schönhauser Allee, auf dem damals auch Hertha BSC trainierte – dem heutigen Jahn-Sportpark.
Nach Mosse wurde deshalb 1920 jene Straße benannt, die längs durch den heutigen Sportpark als Verlängerung der Sonnenburger bis zur Tops-/Ecke Eberswalder Straße lief. Die Rudolf-Mosse-Straße wurde jedoch von den Nazis entwidmet, die DDR überbaute sie ab 1950 anlässlich der Weltjugendfestspiele mit dem Stadion und dem dazugehörigen Gelände. Das hieß anfangs noch „Berliner Sportpark“, 1952 wurde es dann zum 100. Todestag Jahns nach ihm benannt.