Debakel um AfD-Stadtratskandidaten: Pankow ruft den Senat um Hilfe
In fünf Wahlgängen fiel der Kandidat der AfD in Pankow durch. Nun ruft der Bezirk die Innenverwaltung Berlins an. Denn die anderen Parteien haben weiterhin Zweifel am möglichen Stadtrat Nicolas Seifert.
Der BVV-Vorsteher in Pankow will die Senatsinnenverwaltung anrufen. Zuvor hatten die Mitglieder der BVV in fünf Wahlgängen nicht für einen Stadtratskandidaten der AfD gestimmt. „Ich kann die Verordneten nicht zwingen, einen Kandidaten zu wählen“, sagt BVV-Vorsteher Michael van der Meer. Üblicherweise würden Stadträte in einem, maximal zwei Abstimmungen gewählt. Fünf Wahlgänge seien eine Premiere.
Die AfD hatte ihren Kandidaten, Nicolas Seifert, wenige Tage vor der ersten Sitzung der BVV bekannt gegeben. Während andere Stadtratskandidaten sich bei den Fraktionen vorstellten, urlaubte Seifert. Am Mittwoch vor drei Wochen kam er wieder in die Stadt, am Donnerstag stimmten die Verordneten gegen ihn. Politiker anderer Parteien begründeten dies damals damit, dass sie keinen Unbekannten wählen könnten. Also holte Seifert nach, was er verpasst hatte. Er besuchte die Fraktionen von Linken, SPD, Grünen und CDU.
Viele überzeugte Seifert nicht. „Wenn sich jemand ins Bezirksamt wählen lassen möchte, dann sollte er wissen, was er dort zu tun hat. Er konnte uns das nicht vermitteln“, sagt der Fraktionsvorsitzende der Linken, Matthias Zarbock. Anfang November besuchte Seifert seine Fraktion. Kurz darauf erhielt Zarbock einen Hinweis auf ein Video. Darin ist zu sehen, wie Seifert dem Fernsehjournalisten Ralf Kabelka eine Clownsperücke vom Kopf reißt. Kabelka hatte für die „heute-show“ des ZDF auf einer AfD-Demonstration gedreht.
Wie geht es weiter mit der AfD in Pankow?
„Ich kann nicht jeden wählen“, sagt Zarbock. Auch Michael van der Meer hat den Film gesehen. Jeder neue Stadtrat muss auf das Grundgesetz schwören. Wie sei das vereinbar damit, dass Seifert gegen eines der Grundrechte, die Pressefreiheit, verstoßen habe? „Ich habe Zweifel an der Eignung“, sagt er. Auch weil Seifert sich für das Video nicht entschuldigt habe.
Viele Verordnete teilen diese Meinung. Einen Abend vor der zweiten BVV-Sitzung treffen deshalb die Vorsitzenden der Fraktionen der Linken, der SPD und der Grünen den Vorsitzenden der AfD-Fraktion, Wirtensohn. Sie deuten an, dass viele Verordnete seinen Kandidaten nicht wählen könnten.
Während der BVV-Sitzung nominiert Wirtensohn Seifert dennoch. Nach dem vierten Wahlgang zeigt er van der Meer einen Zettel, darauf hat er bereits die nächsten zehn Wahlgänge eingetragen, die er beantragen will. „Wir machen uns lächerlich, wenn wir den Kandidaten zurückziehen“, sagt AfD-Sprecher Ronald Gläser. Nach fünf Abstimmungen wird die Wahl vertagt. Der AfD-Sprecher: „Beim nächsten Mal tritt er wieder an.“
Die nächste, dritte BVV-Sitzung wird am 14. Dezember stattfinden. Bis dahin hofft van der Meer, dass die Innenverwaltung klären kann, wie er mit der AfD verfahren soll. Möglich wäre, dass die AfD das Vorschlagsrecht für den Stadtratsposten verliert. Das schreibt Senatsrat Sören Kirchner in einem Kommentar zum Bezirksverwaltungsgesetz. Van der Meer würde dies gerne vermeiden. „Das Bezirksamt soll auch mit einem Mandat der AfD ausgestattet werden.“
Sollten sich die Fraktionen nicht einigen, hält es der frühere Professor für Politikwissenschaften, Nils Diedrich, für möglich, dass langfristig das politische Bezirksamt eingeführt wird. Statt nach Proporz würden Stadtratsposten dann an Koalitionen vergeben werden. Damit es so weit nicht kommt, sagt Diedrich: „Die AfD muss versuchen, in Gesprächen zu überzeugen.“