Berlin-Charlottenburg: Pächter für Baudenkmal am Lietzensee gesucht
Seit 90 Jahren gibt es im Charlottenburger Lietzenseepark das einstige Parkwächterhaus, das inzwischen verfällt. Anwohner und Bezirk haben nun Ideen: Es geht um Kaffee und Kultur.
Das kleine Baudenkmal hat eine traumhafte Lage mitten im beliebten Charlottenburger Lietzenseepark – und doch steht das alte Parkwächterhaus seit langem leer und verfällt. Vor drei Jahren räumte das bezirkliche Grünflächenamt die oberen Etagen, in denen es ein Büro sowie Duschen und Toiletten für Grünpfleger gab. Unten verschwand 2012 ein kleines Café mit Biergarten. Zu den Folgen gehören eingeworfene Fenster, die notdürftig mit Holzplatten verschlossen wurden, Graffiti, lose Ziegel und verstopfte Regenrinnen.
Auf eine neue Nutzung drängt vor allem der Verein „Bürger für den Lietzensee“, dessen Mitglieder ehrenamtlich den Park pflegen und sich monatlich zum Gedankenaustausch treffen. Das Vorgehen der Ämter „langsam“ zu nennen, sei „noch freundlich ausgedrückt“, ärgert sich die Schriftstellerin und pensionierte Lehrerin Irene Fritsch. Sie gehörte vor zehn Jahren zu den Gründungsmitgliedern des Vereins und engagiert sich in dessen „AG Parkwächterhaus“. Eigentlich habe der Bezirk bis Januar ein Konzept vorlegen wollen, sagt Fritsch.
Nun aber kommt Bewegung in die Sache. Am Dienstagnachmittag treffen sich Vertreter aller Charlottenburg-Wilmersdorfer BVV-Fraktionen, um Kriterien für ein Interessenbekundungsverfahren festzulegen, Baustadtrat Marc Schulte (SPD) will dieses „so schnell wie möglich“ starten. Und am Dienstagabend geht es beim jährlichen öffentlichen „Runden Tisch“ des Bürgervereins um das Parkwächterhaus. Dazu werden auch Schulte und Verwaltungsbeamte erwartet (19 bis 21.30 Uhr in der Evangelischen Gemeinde Am Lietzensee, Herbartstraße 4-6).
Das Haus steht neben dem großen Spielplatz im Nordwesten des Lietzenseeparks, den vor allem der berühmte Charlottenburger Gartendirektor Erwin Barth (1880 bis 1933) gestaltet hat. Das Gebäude entstand 1924-25 nach Plänen des Stadtbaurats Rudolf Walter. Damals gab es unten eine Verkaufsstelle für Milch und Mineralwasser, darüber wohnte ein Parkwächter. Stadtrat Schulte bot die Räume einer Kita an. Doch dafür erwies sich der Altbau als ungeeignet, unter anderem wegen einer steilen Treppe und des fehlenden zweiten Fluchtwegs.
Angedacht sind ein neues Café und kulturelle Nutzungen
Infrage kommen ein Café sowie eine kulturelle und vielleicht gemeinnützige Nutzung der oberen Räume. Zu den Sanierungskosten gibt es noch keine Berechnungen. Architekt Norbert Voß, der zum Vorstand des Bürgervereins gehört, schätzt den Investitionsbedarf auf mindestens 100 000 Euro: Bei größeren Umbauten könne es noch viel teurer werden. Es geht nicht nur um Baumängel. Laut Voß’ Mitstreiter Heinz Wermer nehmen Duschen und Toiletten einen Großteil der oberen Etagen ein – sie müssten wohl verkleinert oder abgebaut werden.
Draußen am Haus gibt es öffentliche Toiletten, darunter ein Behinderten-WC. Im Spätsommer 2013 wurde die Anlage kurz von der Wall AG betrieben, in diesem Frühjahr soll es weitergehen. Als Gegenleistung erlaubt der Bezirk der auf Außenreklame spezialisierten Firma, an Rückwänden von Buswartehäuschen am Theodor-Heuss-Platz sechs Wochen lang für Bier zu werben. Auf längere Sicht sollte überlegt werden, ob eine separate Außentoilette im Park sinnvoller sei, schlägt der Verein vor.
Ein Café müsste sich gegen das nahe „Bootshaus Stella am Lietzensee“ behaupten, das mit seiner Terrasse am Wasser punktet. Den 2009 eröffneten Neubau nach historischem Vorbild betreiben die Wirte des Restaurants „Stella Alpina“ in der Suarezstraße. Die Sorge mancher Anwohner vor einem teuren Luxuscafé hat sich nicht erfüllt. „Stella wird sehr gut angenommen“, lobt Irene Fritsch.
Im Parkwächterhaus gibt es viel weniger Platz, aber eine geschäftliche Chance: Als Kunden könnte ein Gastronom unter anderem die Eltern und Kinder auf dem benachbarten Spielplatz gewinnen.
Die Wohnlage ist begehrt, am Witzlebenplatz läuft wieder ein Bauprojekt
Irene Fritsch hat Bücher über den Kiez und den Bezirk geschrieben, auch Krimis, die dort handeln. Gerade hat sie ihr neues „Charlottenburg-ABC“ vorgestellt. Für den Verein veranstaltet sie Führungen und Vorträge und hat die „Dienstagsgruppe“ gegründet, die wöchentlich das Grün pflegt. Fritsch ist noch immer glücklich in der Gegend, wo sie seit 1950 lebt. Sie befürchtet auch nicht, dass sich nur noch Reiche die Wohnlage leisten könnten. Wie begehrt diese ist, zeigt sich am Witzlebenplatz: 2007 war das einstige Reichskriegsgericht zum luxuriösen Wohngebäude umgebaut worden, jetzt rollen nebenan Bagger für das nächste Projekt „Berlin Lake Suite“ der Berliner Primus Immobilien AG mit zwölf Wohnungen.