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Grünen-Bundestagsabgeordneter Özcan Mutlu
© Gregor Fischer/dpa

Drohungen nach Armenien-Resolution: Özcan Mutlu: "Wir wurden alle angeklagt"

Der Berliner Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu hat nach der Armenien-Resolution seinen Türkei-Urlaub abgesagt, aus Sicherheitsgründen. Dabei stimmte er gar nicht mit ab.

Herr Mutlu, stimmt es, dass Sie den Urlaub in Ihrer türkischen Heimat wegen Mord- und anderer Drohungen abgesagt haben?
Ja, ich möchte meine Familie nicht in Gefahr bringen. Im Netz kursieren diverse Drohungen, der Oberbürgermeister von Ankara hat nach der Bundestags-Resolution zum Völkermord an den Armeniern von allen elf türkischstämmigen Bundestagsabgeordneten Steckbriefe verbreitet. Und er hat 3,2 Millionen Follower.

Gehen die Drohungen inzwischen zurück?

Ein wenig. Ich habe meinen Facebook-Account bereits am vergangenen Sonntag deaktiviert. Die Drohungen und Beleidigungen erreichen mich also derzeit nur noch per Mail oder Twitter.

Dabei haben Sie im Bundestag gar nicht mit abgestimmt, oder?

Ja, ich habe aber immer klar und in der Öffentlichkeit gesagt, dass ich – wenn ich dabei gewesen wäre – selbstverständlich für die Resolution gestimmt hätte. Es war ja keine namentliche Abstimmung und die Mehrheit dafür sicher. Deshalb war ich als bildungspolitischer Sprecher meiner Fraktion – wie Kanzlerin Angela Merkel – auf dem MINT-Gipfel, bei dem es um die Fächer Mathe, Informatik, Naturwissenschaften und Technik ging.

Trotzdem sind Sie für Erdogan ein Verräter.

Ja, wir wurden alle laut türkischer Presse von verschiedenen Vereinigungen wegen Beleidigung des Türkentums angeklagt – das ist der berüchtigte Paragraf 301 des türkischen Strafgesetzbuches. Aber wir lassen uns nicht einschüchtern. Ankara verkennt, dass wir frei gewählte Abgeordnete sind. Ich fände es allerdings konsequent, wenn der Bundestag jetzt auch den Völkermord der Deutschen an den Herero verurteilen würde – nicht nur, weil in meinem Wahlkreis das Afrikanische Viertel liegt.

Özcan Mutlu, 48, ist Berliner Bundestagsabgeordneter für Bündnis 90/Die Grünen. Er gehört zu den türkischstämmigen Abgeordneten, die nach der Armenien-Resolution bedroht werden.

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