Filmprojekt zum Erfolgs-Blog: Notes of Berlin - Platz für Notizen
Erst als Blog, bald auch als Film: Bei dem Projekt „Notes of Berlin Filmlab“ sollen die User interaktiv einen Film zu den Zetteln Berlins gestalten.
"Eine Leggings ist keine Hose", mahnt ein Zettel an einer Bushaltestelle. Oder der Vater eines kleinen Kindes hängt einen Zettel in den Flur: "Liebes Studentenpack im 2. OG; bitte hört auf, nackt zu kiffen!" Und was wohl Jagdhund "Baader" erlebt, nachdem er ohne Herrchen in die M13 gestiegen ist?
Ein Blog von Berlinern für Berliner
All diese Geschichten stecken in den Zetteln, Schriftzügen und Aufklebern, die seit 2010 auf dem Blog "Notes of Berlin" veröffentlicht werden. Die Seite ist eine Erfolgsgeschichte aus dem Mitmachweb: Die User schicken die Fotos selbst ein und kommentieren fleißig. Zu den 2000 Fotos von lustigen Botschaften aus dem öffentlichen Raum existieren 20 000 Kommentare. Besonders eifrig kommentiert werden die Themen, die auch in der analogen Welt die Gemüter bewegen: Lärmbelästigung, Gentrifizierung, Fahrradklau. Saftige Beleidigungstiraden sind bei den Usern besonders beliebt, sie scheinen auch deren Frust widerzuspiegeln. Aber auch Anrührendes findet man auf dem Blog: Da sucht eine Frau den Kontrabassisten aus der Ringbahn, der es ihr angetan hat. Oder jemand teilt die beiden Klappen eines Postkastens neu auf: eine Klappe für Liebesbriefe, die andere für Behördenpost.
Die Idee zum Filmprojekt
Solche Botschaften kitzeln die Vorstellungskraft: Wer hat den Zettel geschrieben und welche Geschichte steckt hinter Notizen wie "Der Mann mit dem Hund und dem Badesalz möge sich bitte melden – Problem aufgeklärt"? Die Geschichten zu den Zetteln sollen jetzt in einem Film erzählt werden. Allerdings nicht die realen Geschichten, sondern das, was die Leser des Blogs selbst zu den Botschaften zusammenreimen. "Wenn man die Geschichten kennt, ist man gehemmt", findet Produzent Martin Danisch. Das Projekt "Notes of Berlin Film Lab" startete am Montag seine interaktive Webseite, auf der jeder seine eigenen Ideen, Fotos und sogar Tonaufnahmen veröffentlichen kann. Die Idee entstand während der Berlinale 2013, als Mariejosephin Schneider, Regiestudentin an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb), auf Bloggründer Joab Nist traf.
"Der Blog ist aus der Gemeinschaft heraus entstanden, da soll der Film auch aus der Gemeinschaft heraus entstehen“, sagt Martin Danisch. Außerdem würden crossmediale Formate verstärkt nachgefragt. Und so reichte das Team, das neben Schneider, Nist und Danisch noch aus den Drehbuchautoren Thomas Gerhold und Hannes Held besteht, das Konzept beim Medienboard Berlin-Brandenburg ein und bekam die Förderung für ihr Projekt zugesagt. "Wir wollen aber auch noch Crowdfunding machen, damit wir zum Beispiel mit einer Berliner Band einen tollen Soundtrack aufnehmen können", sagt Danisch.
Kein Hollywood-Glamour
Zur Berlinale 2016 soll der Film fertig sein. Bis dahin liegt noch viel Arbeit vor dem Team, das das Projekt neben seinem Broterwerb betreibt: Bis zum 21. September können User ihre Vorschläge einreichen, parallel dazu entsteht das Drehbuch. "Wir haben jede Woche ein Thema, zum Beispiel Liebe, und eine Note, zu der wir Anweisungen geben", erklärt Danisch das Konzept. Bei dem Hund aus der M13 etwa sollen sich die Leser selbst eine Geschichte zu den Abenteuern "Baaders" ausdenken; zu einem Zettel, der dazu auffordert, in den Himmel zu schauen und das Leben zu genießen, sollen Benutzer Fotos einschicken. Auch Audio- oder Videodateien sind möglich – alles aus Laienhand. "Der Film wird nicht aussehen wie ein Til-Schweiger-Film", stellt Danisch klar, "er wird durchaus etwas rough und ungehobelt sein." Auch bei den Schauspielern setzen die Produzenten auf Laien. Einige Stars hätten die Produzenten trotzdem gerne, Willem Dafoe oder Tilda Swinton wären nett. Die sollen aber nur Nebenrollen spielen – denn die Hauptrolle spielt schon die Stadt. "Das Interessante sind die Geschichten", findet Danisch. Die haben Berlin und seine Menschen geschrieben, und deshalb sollen die auch im Mittelpunkt des Films stehen.
Aus den Vorschlägen zu jeder Notiz soll eine Episode entstehen, die dann im Film in einer Reihe mit anderen Episoden steht. Der Zuschauer soll auf einen eintägigen Spaziergang durch die Stadt mitgenommen werden. "Es soll ein ganz spezieller Berlin-Film werden", sagt Danisch. Denn für ihn spiegeln die Zettel die Stadt wider und eine ganze Generation dazu. Die Generation der Online-Gucker und Livestreamer nämlich. Deutsches Kino sei ja etwas tot, und zur Wiederbelebung will er die Zuschauer miteinbeziehen. Auf dem Blog hat das schon geklappt, jetzt hofft er, die Live-Stream-Gucker wieder ins Kino zu holen. "Er ist schon dafür gedacht, ihn im Kino anzusehen", sagt er. Vielleicht gefällt das ja auch den Nutzern.
Das Projekt "Notes of Berlin Film Lab" finden Sie hier.
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