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Da lachte er noch: Jim Avignon.
© Doris Spiekermann-Klaas

Jim Avignon und die East Side Gallery: Noch mal malen

Jim Avignon denkt im Streit um sein neues Bild an der East Side Gallery darüber nach, das Ursprungswerks wiederherzustellen. Die Künstlerinitiative an der Mauergalerie hatte ihn zuvor heftig kritisiert.

Mit derart harter Kritik seiner Malerkollegen hatte er offenbar nicht gerechnet. „An einem solchen heftigen Konflikt bin ich überhaupt nicht interessiert“, sagt Popartkünstler Jim Avignon. Jetzt denkt er über Kompromissvorschläge nach, die ihm Mitglieder der Künstlerinitiative East Side Gallery jüngst bei einem Gespräch „in freundlicher Atmosphäre“, so Avignon, unterbreiteten. Es geht um sein umstrittenes, weil neu gemaltes Bild an der längsten Open-Air-Galerie der Welt am Friedrichshainer Spreeufer. Die Initiative schlug ihm vor, es zumindest teilweise „zurückzuverwandeln“. Das ursprüngliche Werk, das Avignon 1990 in der ersten Wendeeuphorie auf das selbe Mauerstück der Gallery gemalt hat, soll damit teils wiederhergestellt werden. Es soll aber auch der „Spirit“ des neuen Bildes mit aktuellen Motiven erhalten bleiben. Bis Januar will sich Avignon nun entscheiden und dann mit der Initiative einen Konsens erarbeiten.

Künstler nehmen Denkmalschutz an East Side Gallery ernst

Das Gerangel um Jim Avignons provokative Malaktion zeigt, wie ernst die meisten Mauerkünstler den Denkmalschutz an der East Side Gallery nehmen. Seit 1991 gilt dieser Schutz nicht nur für das längste erhaltene Stück der einstigen Grenzanlage, sondern auch für die Gemälde, die 1990 auf die Ostseite der Mauer am Friedrichshainer Spreeufer von einer internationalen Gruppe Kunstschaffender hinterlassen wurden. Deshalb setzte sich die Initiative am Wochenende erneut dafür ein, dass die Gallery unter die Obhut der Stiftung Berliner Mauer kommt. Nur so könne man sie „auf Dauer finanziell abgesichert erhalten“. Baustadtrat Hans Panhoff (Grüne) von Friedrichshain-Kreuzberg sieht dies optimistisch. „Das kann schon 2014 passieren.“ Bisher ist der Bezirk für die Kunstmauer zuständig.

"Die East Side Gallery ist ein schützenswertes Zeitzeugnis"

Wie berichtet, hatte Jim Avignon sein früheres, in Höhe des Ostbahnhofs gemaltes Bild vor drei Wochen in Zusammenarbeit mit Kunststudenten übermalt. Jetzt sind dort neue Motive zu sehen: DJs in Clubs etwa oder Spekulanten mit Hochausmodellen unterm Arm. Avignon protestiert gegen die „Konservierung von Kunst“ an der Gallery und plädiert dafür, die alten Bilder „zeitgemäß zu aktualisieren“. Doch Thierry Noir, Birgit Kinder und andere Mauerkünstler verurteilen seine Aktion vehement. Sie betonen, die Gemälde von damals vereinten „den Zeitgeist von 1990, die Freude über den Mauerfall“. Man habe „einen Treffpunkt des Friedens für internationale Besucher geschaffen.“ Deshalb müssten die Bilder im Original erhalten bleiben. Andernfalls sei die East Side Gallery kein Zeitzeugnis mehr, sondern eine „x-beliebige Wandzeitung“.

Dass der bemalte frühere Grenzwall künftig zur Stiftung Berliner Mauer gehören sollte, hat der Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses bereits im März 2013 gefordert. Seither unterstützt auch Kulturstaatssekretär André Schmitz den Vorschlag. Die 2008 gegründete Stiftung wird vom Bund und Land finanziert. Zuständig ist sie bisher für die Gedenkstätte Berliner Mauer an der Bernauer Straße sowie für die Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde. Ein erster Schritt zur Übernahme der East Side Gallery ist schon seit 2006 getan: Sie gehört zum damals beschlossenen „Gedenkstättenkonzept Berliner Mauer“des Senates.

Die Künstlerinitiative erhofft sich von der Stiftung „ein Ende der Flickschusterei“ an der East Side Gallery. Der Bezirk gebe sich zwar Mühe, sei aber personell und finanziell damit überfordert, die drohenden Schäden – von Graffiti bis zu bröckelndem Beton – professionell zu verhindern und die Erneuerung abgeblätterter Gemälde verlässlich sicherzustellen.

Die Stiftung Berliner Mauer sollte die Gallery übernehmen, meinen Künstler

Stadtrat Hans Panhoff will aber nun erst einmal die Ergebnisse zweier beauftragter Gutachten abwarten. Die sollen klären, „was geschehen muss, um die East Side Gallery als Denkmal und Touristenattraktion vernünftig zu bewahren“. Dabei geht es nicht nur um Graffitischutzschichten und Sanierungsaktionen, sondern auch um die künftige Breite der Gehwege, um Parkplätze und Überwege entlang der Mühlenstraße, die am einstigen Mauerstreifen entlangführt. Die Stiftung Denkmalschutz wolle erst einmal wissen, was finanziell auf sie zukommt, sagt Panhoff.

Vonseiten der Stiftung gibt es unterdessen positive Signale. Mit einer Einschränkung: Die Übernahme setze voraus, dass ausreichend Mittel bereitstehen.

Christoph Stollowsky

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