Krise bei der BVG: Nikutta sieht Hauptproblem in enorm gestiegenem Krankenstand
Am Dienstag stand die BVG-Chefin bei der SPD Rede und Antwort. Der U-Bahn-Fahrplan soll ab Februar stabiler werden.
„Pappsatt“ seien die Berliner über die BVG, hatte der Regierende am Wochenende gepoltert und der BVG mangelnde Organisation, Verlässlichkeit und Planung vorgeworfen. Deshalb war die Chefin des größten deutschen Verkehrsbetriebs zum Rapport einbestellt für Dienstagnachmittag.
„Frau Nikutta ist Angestellte des Landes Berlin, sie muss sich Fragen gefallen lassen“, hatte SPD-Fraktionschef Raed Saleh ergänzt. Um ihren Kopf werde es nicht gehen, hieß es vorher. Nach den scharfen Töne der vergangenen Woche und dem Wochenende legte die SPD in der Senatssitzung am Dienstagvormittag nicht noch einmal nach, aus der Fraktion drangen freundlichere Worte.
Hauptproblem: Der exorbitante Krankenstand
Auch die seit 2010 amtierende BVG-Chefin hatte vor dem Gespräch ganz freundlich gesagt, dass sie nicht sauer auf die SPD sei, sondern sich freue, dass die Lage des ÖPNV in Berlin jetzt mal im Mittelpunkt stehe. Nikutta legte mit einem ausführlichen Vortrag den Abgeordneten der SPD dar, wie es um die BVG bestellt ist. Hauptproblem sei der im Jahr 2018 exorbitant angestiegene Krankenstand, berichtete die BVG-Chefin.
Als dies im Lauf des Jahres erkennbar war, wurden 140 zusätzliche Fahrer über Plan eingestellt. Dennoch fehlen gerade auf den Betriebshöfen in der Innenstadt Fahrer, deshalb gebe es besonders auf den wichtigen Linien wie M19 oder M48 Ausfälle. Nikutta betonte, dass die BVG die Zahl der Fahrten in den vergangenen Jahren deutlich gesteigert habe – und das ohne neue U-Bahn-Wagen.
Nikutta machte der SPD klar, wie die Politik helfen könne, zum Beispiel den Busverkehr durch mehr Busspuren zu beschleunigen. Hier gab es in den letzten Jahren keine Verbesserungen, auch nicht unter Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne).
Durch mehr Autoverkehr sank das Durchschnittstempo der Busse in sechs Jahren von 19 auf 18 km/h. Dieser eine Kilometer koste 70 Busse und 170 Fahrer, rechnet die BVG vor. Bis 2035 werde die Busflotte um 21 Prozent wachsen, die U-Bahn bekomme zwischen 2022 und 2032 sind für Milliarden etwa 1700 U-Bahn-Wagen bestellt. Es werde also alles besser, so Nikuttas Botschaft – nur nicht sofort.
Stabilität des Fahrplans soll bereits ab Februar gestärkt werden
Schuld an den aktuellen Ausfällen sei die SPD selbst, hatte Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) am Wochenende gekontert, die SPD habe die BVG 20 Jahre lang durch fehlende Investitionen „in den Keller gefahren“. Am Dienstag gab sich auch Pop konzilianter: „Ich erwarte, dass es nicht nur bei markigen Sprüchen bleibt, sondern dass die SPD bereit ist, mit uns gemeinsam den ÖPNV deutlich zu stärken.“
Die Stabilität des Fahrplans bei der U-Bahn soll bereits ab der ersten Februarwoche gestärkt werden. Auf den wichtigen Linien U6, U7 und U9 werden die Züge im Berufsverkehr etwas seltener fahren, nämlich etwa alle fünf Minuten. Dies spare 48 Wagen ein, sagte eine BVG-Sprecherin. Dass die BVG an vielen Fronten kämpft, zeigt eine andere Zahl: Am Montagmorgen fehlten etwa 40 Wagen bei Betriebsbeginn, weil sie in der Nacht mit Farbe beschmiert wurden – und zwar auch an sicherheitsrelevanten Teilen.
Nach der Sitzung hieß es von der SPD, die Wogen seien geglättet. Am Donnerstag wird sich das Parlament mit der BVG beschäftigen. Die CDU hat das Thema „Umfragetief lässt SPD am Rad drehen. Querschüsse gegen BVG und Koalitionspartner statt Lösungsvorschläge zu Berlins Nahverkehrskrise“ auf die Tagesordnung gesetzt.
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