Neues Vorgehen gegen Corona-Ausbrüche: Neuköllner Wohnblock steht unter Quarantäne
In dem Block gibt es 57 Infektionen. Mehrere Bezirke testen nun „sozialraumorientiert“ – und stellen ganze Hausgemeinschaften vorsorglich unter Quarantäne.
In Berlin-Neukölln steht derzeit ein ganzer Häuserblock unter Quarantäne, weil eine größere Zahl der Bewohner positiv auf das Coronavirus getestet wurde. Betroffen sind mehrere Hausnummern. Außerdem einige weitere Häuser im Bezirk.
Darin wohnen laut Gesundheitsstadtrat Falko Liecke (CDU) „mehrere Hundert Menschen“. Weil nicht alle Bewohner tatsächlich auch dort gemeldet sind, kennt niemand die genaue Zahl. In den betroffenen Häusern wurden bislang 54 Personen positiv auf das Coronavirus getestet. Am Dienstag wurde die Zahl auf 57 erhöht, 369 Haushalte in Neukölln sind unter Quarantäne. Entdeckt wurde das Ausbruchsgeschehen durch ein infiziertes Kind an einer Schule am 5. Juni, mittlerweile sind drei Schulen und eine Kita im Bezirk betroffen.
Das Neuköllner Gesundheitsamt testet darum jetzt auch "sozialraumorientiert", um Ansteckungen einzudämmen. Auch in Reinickendorf, Spandau und Mitte wird so verfahren, in allen Bezirken sind ganze Hausgemeinschaften unter vorsorgliche Quarantäne gestellt.
In Spandau wird diese Darstellung allerdings relativiert. Ein ganzes Haus sei nicht unter Quarantäne gestellt worden - die Details nennt die Chefin des Gesundheitsamtes gleich im Tagesspiegel-Newsletter für Berlin-Spandau. Den gibt es kostenlos und in voller Länge unter leute.tagesspiegel.de
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Gemeindepfarrer könnte das Virus verbreitet haben
Die Behörden gehen davon aus, dass die Infektionen rund um Pfingsten stattgefunden haben, möglicherweise bei Gottesdiensten, die ja wieder erlaubt sind. Viele der Infizierten gehören der Pfingstbewegung an und haben einen rumänischen Hintergrund. Liecke sieht eine Möglichkeit für den Ausbruch darin, dass ein infizierter Gemeindepfarrer das Virus unwissentlich verbreitet hat.
Er liege mittlerweile mit Covid-19 im Krankenhaus. „Es gibt dafür keinen eindeutigen Beweis, aber es sprechen einige Indizien dafür“, sagte Liecke. Bislang habe man allein in den betroffenen Häusern 135 Tests gemacht, es stehen noch dutzende weitere bevor.
Nicolai Savaskan, Amtsarzt von Neukölln, erklärt: „Das einzelfallbezogene Testen berücksichtigt nicht die Lebenswelten der Familien.“ Deshalb sei man auf das Testen ganzer Sozialräume übergegangen. In dem Haus an der Harzer Straße lebten etwa viele Menschen auf engem Raum zusammen, die Kinder spielen miteinander auf der Straße.
Amtsarzt warnte vor Vergleichen mit Göttingen
Savaskan warnte vor Vergleichen mit Göttingen. Dort hatte sich ebenfalls in einer sozial benachteiligten Gegend das Coronavirus ausgebreitet. Letztlich kam heraus, dass es wohl keine illegalen Feiern gab, sondern einzelne Quarantänebrecher, Gottesdienste und die engen Wohnverhältnisse den Ausbruch bedingten. Durch das weiträumige Testen will man in Neukölln weitere Fälle verhindern. Auf der bezirkseigenen Teststrecke wären für das Gesundheitsamt bis zu 300 Tests am Tag möglich.
Der Bezirk setzt bislang auf die Eigenverantwortung der Menschen in den betroffenen Gebäuden, einige Sozialarbeiter unterstützen, verteilen Informationen. „Wir stehen da nicht mit der Polizei vor, und ich hoffe nicht, dass wir zu dem Punkt kommen, jemanden abzuführen, weil er die Quarantäne bricht“, sagt Gesundheitsstadtrat Liecke. Weil die Ausbrüche mittlerweile mehrere Bezirke beschäftigen, wurde am Montag mit der Gesundheitsverwaltung ein berlinweites Vorgehen beratschlagt.