Asylsuchende in Berlin: Neues Konto bei der Flüchtlingsbank
In zwei Filialen der Berliner Sparkasse warten jeden Morgen hunderte Flüchtlinge, um ein Konto anzulegen. Ein Besuch.
Morgens, sechs Uhr. Neben dem Eingang der Berliner Sparkassenfiliale in der Frankfurter Allee warten Männer. In schwarzen Steppjacken, Zigarette rauchend und mit klappernden Zähnen. Sie stehen an, um ein Konto zu eröffnen. Die Sparkassenfiliale ist eine von zwei „Kundencentern für Flüchtlinge“, die es in Berlin gibt. Jeden Tag warten dort Hunderte im Morgengrauen, bis die Tür aufgeht. Die Temperatur liegt knapp über Null. Ein Eiscafé hat in den Wartenden schon potenzielle Kunden identifiziert. Gut sichtbar steht ein Schild: „Arabischer Kaffee, 50 Meter“. Doch niemand will seinen Platz in der Schlange riskieren. Obwohl die Bundesanstalt für Finanzdienstleistung (Bafin) die Einrichtung eines Kontos für Flüchtlinge im September erleichtert hat, ist die Sparkasse in Berlin die einzige Bank, die eigene Filialen nur für Flüchtlinge hat.
Bis zu 150 neue Konten am Tag
An Platz neun in der Schlange steht Khalil, er ist seit vier Monaten in Berlin. Mit ihm warten Susi, eine Helferin und drei weitere Syrer: Mohamed, Ayman und dessen Onkel. Ayman hat schon ein Konto eröffnet, allerdings in Brandenburg. „Da war alles leicht“, sagt der 23-Jährige. „Hier ist es besser, als am Lageso, denn hier kommt man wenigstens an einem Tag dran“. Um halb neun geht die Schlange einmal an der ganzen Hauswand entlang. Die „Kundencenter für Flüchtlinge“ wurden eingerichtet, nachdem es „sehr kritische Situationen in anderen Filialen“ gab, wie der Vorstandsvorsitzende der Berliner Sparkasse, Johannes Evers damals erklärte. Es gab Sprachprobleme und die anderen Kunden waren verärgert über lange Wartezeiten. Heute sagt Tanja Müller-Ziegler, Privatkundenvorstand der Sparkassen: „Die beiden Center sind gut angenommen worden. Es lief langsam an, mit 15 bis 20 Anträgen pro Tag, auch das war gut. Die Situation war ja auch für unsere dort eingesetzten Mitarbeiter neu. Heute können wir pro Tag bis zu 150 Konten eröffnen.“
Persönliche Schicksale sind auch für Berater eine Belastung
Um halb zehn macht die Bank auf. Kurz vorher gibt es Gedränge und Diskussionen. Eine Frau mit Kind will sich einen Platz nahe der Tür ergattern. Manchmal gäbe es Reaktionen, die sowohl die Mitarbeiter als auch die eingesetzten Wachleute in eine schwierige Situation brächten, sagt Constanze Stempel, Sprecherin der Berliner Sparkasse. Heute bleibt es ruhig. Zwei Sicherheitsleute in roten Jacken haben das Kommando übernommen. Der eine kontrolliert den Eingang. Der andere sorgt für Ordnung in der Schlange. Mohamed, Khalil und dessen Onkel haben Glück. Um kurz vor zehn sind sie endlich drinnen. In der Filiale fühlt es sich nach stundenlangem Warten in der Kälte wunderbar warm an. Vier Sparkassenbeamte und ein Sprachmittler sind da. Normalerweise sind es drei arabische Muttersprachler. Die Mitarbeiter kommen aus unterschiedlichen Bereichen der Berliner Sparkasse und wurden insbesondere aufgrund ihrer Sprachkenntnisse ausgewählt. Sie sind selbst nicht froh darüber, einen Teil der Wartenden wieder wegzuschicken zu müssen, sagen sie. Auch die persönlichen Schicksale von denen die Menschen berichten, mit nach Hause zu nehmen sei nicht einfach.
Sparkasse fordert auch andere Banken zur Mithilfe auf
Khalil und die anderen geben ihre Papiere ab. Ein gültiges, so genanntes Legitimationspapier, etwa von der Ausländerbehörde, und eine polizeiliche Anmeldebescheinigung müssen sie vorlegen. Die Kontoeröffnung dauert damit nur etwa eine halbe Stunde. Je nach Öffnungszeiten werden allein in dieser Filiale zwischen 50 und 90 Konten am Tag neu eingerichtet. Khalil und Mohamed wühlen in ihren Heftern voller Papier. „Oft müssen wir auch Leute wieder wegschicken, die zwar lange gewartet haben, aber nicht alle Dokumente vorlegen können“, sagt Constanze Stempel. Deshalb würden Termin auch nicht online vergeben. Pläne, neue solcher Kundencenter zu eröffnen, hat die Bank nicht. „Wir haben alle im Haus verfügbaren Kapazitäten ausgeschöpft. Wir leisten damit einen großen Beitrag für die Bewältigung der Flüchtlingskrise in der Stadt. Aber wir haben das Thema auch nicht für uns alleine gepachtet“, sagt Müller-Ziegler.
Viele Konten sind leer
Die Flüchtlinge müssen die Kontonummer persönlich beim Lageso abgeben. Wer ein Konto hat, muss danach nur noch für die Kostenübernahme der Unterkunft und die Krankenscheine erscheinen. So zumindest die Theorie. Denn auch wenn die Bank zügig arbeitet, dauert es oft zu lange, bis die Kontonummer beim Lageso landet und Geld fließt. Viele der bereits eröffneten Konten sind leer, manche durch die Kontoführungsgebühren schon im Minus. Auch für Khalil und seinen Onkel wird es heute nichts mit einem Termin. Der einzige, den der Sparkassenbeamte ihnen anbieten kann, wäre um halb elf. Doch um elf haben sie einen Termin am Lageso. Nur Mohamed bleibt. „Wehe, du hast kein Konto, wenn wir uns wiedersehen“, sagt Susi und lacht. Dann macht sie sich mit den anderen auf den Weg in eine neue Warteschlange.
Pascale Müller