S-Bahn-Verkehr: Neuer Nord-Süd-Tunnel für Berlin - die nächste Großbaustelle?
Mit einem Antrag im Abgeordnetenhaus will die SPD den Bau der S 21 bis zum Gleisdreieck beschleunigen. Die Pläne sind gewaltig.
Eines der größten Verkehrsprojekte der Bahn könnte bald Realität werden – ein kilometerlanger Tunnel durch Berlins Zentrum. Die SPD will den Bau der neuen Nord-Süd-S-Bahn deutlich beschleunigen. Mit einem Antrag im Abgeordnetenhaus will die Regierungspartei den Senat auffordern, mit der Planung des südlichen Abschnitts der S 21 „sofort zu beginnen“. Der Antrag liegt dem Tagesspiegel vor. Damit würde ein großer Umsteigebahnhof zwischen U- und S-Bahn am Gleisdreieck entstehen.
Verkehrspolitiker der beiden anderen Koalitionsfraktionen Grüne und Linke kündigten an, den Antrag zu unterstützen. Berlins Bahnchef Alexander Kaczmarek sagte dem Tagesspiegel, dass sich die Planer der Bahn und des Landes bereits seit 2017 auch mit dem südlichen (dritten) Bauabschnitt beschäftigen. Dies sei erforderlich, weil ein privater Investor am Gleisdreieck Wohnungen und Gewerbe plant. Hier muss sichergestellt werden, dass man sich mit den geplanten Tunneln und Stationen nicht in die Quere kommt.
Nördlicher Abschnitt alleine nicht wirtschaftlich
Kaczmarek lobte das Vorgehen der SPD: „Wir sind für jeden Beschleunigungsvorschlag dankbar“. Am besten wäre es, die Planung auch des 3. Abschnitts bis zum Planfeststellungsbeschluss voranzutreiben, sagte der Bahnchef.
Bislang ist von der S 21 nur der nördliche Abschnitt vom Nordring bis zum Hauptbahnhof in Bau – und zwar seit 2010. Unter dem Hauptbahnhof entsteht derzeit in einer riesigen Baugrube ein Kopfbahnhof für die S 21. Pannen beim Bau haben die Eröffnung bislang um drei Jahre verzögert, derzeit ist von Dezember 2020 die Rede. Die Anbindung erfolgt mit zwei Kurven an den Nordring, in Richtung Westhafen und Wedding. Die Züge müssen im Hauptbahnhof „Kopf machen“, also umkehren. Dies ist betrieblich schwierig und zeitraubend. Diese Spitzkehre vom Nordring zum Hauptbahnhof ist wirtschaftlich nicht gerechtfertigt: zu teuer, zu wenig Fahrgäste. Kein Wunder, denn der Haltepunkt Perleberger Straße wird aus Kostengründen derzeit nicht gebaut.
Weiterbau nach Süden notwendig
Sinnvoll ist die S 21 nur mit einem Weiterbau nach Süden. Bislang war geplant, die Strecke in einer zweiten Stufe bis zum Potsdamer Platz und in der dritten Phase bis zur Yorckstraße zu verlängern. Im vergangenen Jahr hatte die Senatsverkehrsverwaltung erstmals die Kosten grob geschätzt: 900 Millionen Euro könnte demnach die gesamte S 21 kosten – im besten Fall. Anfangs war von 350 Millionen Euro gesprochen worden.
2030 könnten nach bisherigen Angaben die ersten Züge bis Potsdamer Platz rollen – und dort Anschluss finden an die Strecken Richtung Süden, also nach Wannsee (S 1) und Blankenfelde (S 2) bzw. Teltow (S 25). Angesichts der bisherigen Verzögerungen nördlich des Hauptbahnhofs gilt selbst der Termin 2030 mittlerweile als ambitioniert.
Bereits in den 1930er Jahren war beim Bau des Nord-Süd-Tunnels ein längeres Stück Tunnel zwischen Potsdamer Platz und Brandenburger Tor mitgebaut worden. Um dieses Teilstück an die neuen Röhren anzuschließen, muss es für längere Zeit eine gewaltige Baugrube in Nachbarschaft des Tores und der amerikanischen Botschaft geben. Planung und Bau dieses 2. Abschnitts gelten trotz dieser Vorratsbauten als extrem kompliziert, deshalb die avisierte, lange Bauzeit.
100 Jahre alter Fehler könnte endlich korrigiert werden
Die SPD will nun nicht warten, bis die Strecke bis Potsdamer Platz fertig ist, sondern sofort mit der Planung des dritten Bauabschnitts beginnen. Hier würde ein Umsteigebahnhof zur U-Bahn entstehen. Damit würde ein fast 100 Jahre alter Fehler korrigiert – denn beim Bau des Nord-Süd-Tunnels in den 30er Jahren war auf eine Verknüpfung mit der heutigen U 1, der in Ost-West-Richtung verlaufenden Hochbahn verzichtet worden.
Schon jetzt können Fahrgäste am Gleisdreieck von der U 1 bzw. U 3 in die U 2 umsteigen. In den letzten Jahren ist die Zahl der Ein- und Aussteiger deutlich gestiegen, zum Beispiel durch die neue Wohnbebauung in der Flottwellstraße. Nun soll auch östlich des Parks ein komplett neues Wohnquartier entstehen. „Dieses Stadtviertel sollte möglichst frühzeitig an die S-Bahn angeschlossen werden“, sagte der SPD-Abgeordnete Tino Schopf, der den Antrag an den Senat formuliert hat. „Wir können hier nicht auf 2030, 2040 oder 2050 warten“, sagte Schopf.
Koalitionsfraktionen wollen nicht länger warten
Die Unterstützung der beiden anderen Koalitionsfraktionen hat die SPD. „Zum Umsteigen ist das Gleisdreieck immens wichtig“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, Harald Moritz. Der südliche Teil der S 21 sollte „schnellstens realisiert werden“. Auch Harald Wolf, Verkehrsexperte der Linkspartei, nannte den Antrag der Sozialdemokraten „super“. Moritz kündigte an, dass sich die Politik mit Fachleuten zusammensetzen werde, um zu prüfen, wie sich die Planung beschleunigen lasse.
Die Strecke vom Potsdamer Bahnhof zum Gleisdreieck würde teils im Tunnel, teils auf Brücken verlaufen. Auch im Bahnhof Potsdamer Platz ist in den 30er Jahren eine Ausfädelung mitgedacht und mitgebaut worden. Vor dem Landwehrkanal endet der Tunnel, in den Neubauten an der Gabriele-Tergit-Promenade ist die Trasse freigehalten. Der Kanal wird auf einer Brücke überquert. Aus dem U-Bahnhof Gleisdreieck wird eine große Umsteigestation zur S 21.
Im Bereich des heutigen Gleisdreieck-Parks wird die S 21 in die bestehende S 1 kreuzungsfrei eingefädelt. Möglich ist auch eine Einfädelung in die Strecke der S 2/S 25. Noch ist das Zukunftsmusik.
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