Rot-schwarz: Neuer Berliner Senat nimmt Arbeit auf
"Dann lasst uns doch mal arbeiten": Halb feierlich, halb holperig nimmt der neue rot-schwarze Senat seine Arbeit auf. Die offizielle Regierungserklärung will Klaus Wowereit aber erst im Januar abgeben.
Bewegt sei er schon, sagt Ehrhart Körting. Am trockenen Humor des scheidenden SPD-Innensenators ändert das nichts. Was er seinem Nachfolger, CDU- Chef Frank Henkel (48), hinterlasse, wird der 68-Jährige am Mittwoch auf den Stufen seines Amtssitzes in der Klosterstraße in Mitte von Journalisten gefragt. Körting schlagfertig: „Einen Teppich.“ Kurz danach stehen die zwei Männer im Büro Nummer 4201 des Alten Stadthauses, um sich das gewebte Stück anzuschauen, das mit seinem graugelben Wolkenmuster das Amtszimmer des Innensenators dominiert. Körting schlägt eine Ecke um: „VEB Textilmanufaktur Halle“ steht drunter. Dann lassen sich die beiden auf der schwarzen Ledercouch nieder, Körting bittet die Journalisten mit den letzten Worten hinaus, die er nach zehneinhalb Jahren als Innensenator öffentlich sagt: „Dann lasst uns doch mal arbeiten.“
War das jetzt schon die offizielle „Amtsübergabe“, wie es Körtings Büro verkündet hatte? Darüber herrschte am Mittwoch vorübergehend Verwirrung, denn vereidigt werden die Senatoren erst an diesem Donnerstag im Abgeordnetenhaus. „Im Sport würde man sagen, dies ist die Übergabe des Staffelstabes“, sagt Körting. Er wolle Henkel einen Überblick geben, was nun auf ihn zukommt, als Dienstherr über 28 000 Mitarbeiter, die in der Innenverwaltung sowie in nachgeordneten Behörden wie der Polizei arbeiten.
Auch im Roten Rathaus wird klargestellt: Offiziell im Amt sind die acht Mitglieder des Wowereit-Kabinetts erst mit dem Eid am Donnerstag. Das müssen die Juristen der Senatskanzlei an diesem Tag allerdings öfter erklären. Zum Beispiel als der Regierende Bürgermeister seinen Senatoren am Mittwochvormittag im Wappensaal des Roten Rathauses feierlich ihre Ernennungsurkunden überreicht. Die sind nämlich vordatiert – auf den heutigen 1. Dezember. Dass es sie schon einen Tag früher gibt, wird mit praktischen Gründen erklärt – man wolle die neuen Senatoren nach dem Parlament nicht noch mal zum Rathaus schicken, bevor sie ihren ersten Arbeitstag beginnen.
Wie der aussieht, ist von Politiker zu Politiker unterschiedlich. Manche haben sich ihren neuen Arbeitsplatz bereits angeschaut, wie der künftige Justizsenator Michael Braun (CDU), der seine Vorgängerin Gisela von der Aue vorgestern in ihrem Amtssitz besuchte, um die wichtigsten Informationen auszutauschen. Inhaltlich wurde Braun am Mittwoch in Zeitungen mit dem Vorhaben zitiert, sich dafür einzusetzen, dass mehr Straftäter gemeinnützige Arbeit leisten sollen, statt ins Gefängnis zu gehen. Sein Parteifreund, der neue Gesundheitssenator Mario Czaja, kündigte in Interviews an, die medizinische Versorgung im Ostteil der Stadt verbessern zu wollen und die ärztlichen Versorgungsbezirke zu verkleinern. Auch Michael Müller hat sich schon Gedanken gemacht, was er als neuer Verkehrssenator vorhat – wenngleich dies bei seiner Partei, der er bislang als Landesvorsitzender und Fraktionschef vorsteht, nicht auf Begeisterung stieß. So hatte Müller am Dienstag in einem Radiointerview gesagt, er schließe einen neuen Vertrag mit der Bahn über den S-Bahn-Betrieb nicht aus. Kurz darauf rückte ein SPD-Sprecher Müllers Äußerungen zur S-Bahn gerade, die unter anderem bei den Grünen Kritik provoziert hatten: Natürlich werde es eine Teilausschreibung geben, sofern die Verhandlungen mit der Deutschen Bahn über einen Kauf des Streckennetzes durch das Land scheitern sollten, sagte ein SPD-Fraktionssprecher der Agentur dapd.
Lesen Sie auf Seite zwei, was bis zur Regierungserklärung im Januar noch alles geklärt werden muss.
Andere Senatoren halten sich noch zurück. So wie Frank Henkel, der beim Besuch seines neuen Amtssitzes ankündigte, die „konkreten Dinge“ in den nächsten Tagen zu besprechen. Lediglich die Stichworte „mehr Polizeipräsenz“ und „Kampf gegen Extremismus“ ließ er fallen und kündigte an, „andere Akzente“ setzen zu wollen, aber auch „das, was gut war, zu bewahren“. Auch Sybille von Obernitz (parteilos, für die CDU), Dilek Kolat (Arbeit/Integration) und Sandra Scheeres (Bildung) wollen sich erst mal einarbeiten.
Was inhaltlich insgesamt vom neuen Senat zu erwarten ist, wird sich daher erst in den kommenden Wochen herauskristallisieren. Die Koalitionsvereinbarung von SPD und CDU gibt zwar die groben Linien vor, muss aber jetzt in der Senatskanzlei erst mal in praktisches Regierungshandeln übersetzt werden, wie Senatssprecher Richard Meng sagt. Auch die genaue Geschäftsverteilung muss noch verhandelt werden, gerade bei Ressorts, die bisher in einer Hand waren und nun auf zwei Verwaltungen aufgeteilt sind, wie es beim umstrittenen Fall der Wissenschaft (künftig bei Bildung) und Forschung (künftig bei Wirtschaft) der Fall ist. Um zu klären, was die neue Ressortverteilung praktisch bedeutet, werden sich die neuen Senatoren am heutigen Donnerstag erstmals in ihrer konstituierenden Sitzung austauschen. Eine weitere Sitzung, um die Geschäftsverteilung zu vereinbaren, ist für kommende Woche angesetzt.
Erst wenn alle Senatoren für sich geklärt haben, was sie inhaltlich für Schwerpunkte setzen wollen, wird das zusammen mit den Vorstellungen des Regierenden Bürgermeisters in eine Regierungserklärung gegossen, die Klaus Wowereit vor dem Parlament abgeben wird. Wahrscheinlich ist, dass dies erst Anfang kommenden Jahres der Fall sein wird, voraussichtlich am 12. Januar.