Alma Marter: Neue Zeitenregelung in Humboldt-Bibliothek frustriert externe Studenten
Das Grimm-Zentrum der Humboldt-Universität in Mitte ist als Lesestube auch bei Studenten anderer Unis beliebt. Nach einer Ausweitung der sogenannten HU-Homezone ärgern sich externe Besucher über eine "Zwei-Klassen-Gesellschaft".
Die Bibliothek der Humboldt-Universität ist ein architektonisches Ereignis, lichtdurchflutet, schön, modern – und seit gestern auch wieder exklusiver. Mit der Ausweitung der sogenannten HU-Homezone fördert die Bibliotheksleitung die Humboldt-Studenten: Künftig sollen alle Arbeitsplätze auf den Etagen eins bis fünf zwischen 8 und 19 Uhr nur noch den eigenen Immatrikulierten zur Verfügung stehen. Externen, bis dato auch im ersten und fünften Stockwerk zugelassen, bleiben noch das Erdgeschoss und die Ebene sieben. Diese Selektion provozierte schon am Starttag Unmut. „Ich komme da echt nicht mehr rein, unfassbar“, flucht Martin, er wirbelt durch die Drehtür, wollte eigentlich Bücher wälzen; von der neuen Regel hatte er nicht gehört. Und Ebene sieben? „Auf keinen Fall“, sagt Martin, dann lieber gar nicht, „das ist doch sonst wie Almosen.“ Er studiert an der FU, wohnt in Mitte. Das Grimm-Zentrum liegt näher, warum also für stille Lektüre raus bis nach Dahlem fahren?
Andrea Kullik, stellvertretende Leiterin der Benutzungsabteilung in der vielbesuchten Bücherei, hat die Verordnung begleitet. „Natürlich wird das nicht allen gefallen, das wissen wir. Aber wir müssen auch an unsere Humboldtler denken. Denen werden wir, wenn fast jeder Zweite extern zu uns kommt, nicht mehr gerecht.“ Sie hofft auf Verständnis, verweist auch auf die Lounge- und Gruppenbereiche, die in den besagten Kernarbeitszeiten weiterhin für Studierende anderer Universitäten offen seien. Und auf verlängerte Wochenend-Öffnungszeiten, bis 22 Uhr künftig, also acht Stunden mehr am Samstag und Sonntag.
Nicht zum ersten Mal schränkt das Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum die Arbeitsmöglichkeiten auf seinen Arbeitsterrassen ein. 2010 wurde eine Hausordnung aktiv, die Lesepausen über 60 Minuten strafte und den östlichen Gebäudeflügel für HUler reservierte. Damals hatte es Beschwerden gegeben, Tische würden nach dem Mallorca-Strandliegen-Prinzip besetzt. Weil sich am Andrang seither wenig verändert hat, wird nun nachjustiert. Eine Nutzerbefragung ergab: 43 Prozent der Bibliotheksbesucher sind nicht an der HU eingeschrieben, 46,9 Prozent studieren geistes- oder sozialwissenschaftliche Fächer, jene Disziplinen, deren Bestände im Grimm-Zentrum lagern. Die reformierte Taktung der HU-Homezone bringt Humboldtlern ab sofort 64 zusätzliche Plätze im fünften und 60 im ersten Stock. Damit sind 514 von 1250 Spots für Interne vorgesehen.
Marie, Geschichtsstudentin, 27, schüttelt den Kopf. „Bin mal gespannt, wie die das durchhalten. Bei so einem Zwei-Klassen-System kommt doch auf jeden Fall ordentlich Protest.“ Sie ist in Münster gemeldet und scheinfrei, nur noch die Dissertation steht aus; die kann und will sie in Berlin schreiben, bei ihrem Verlobten, an der Humboldt. Dachte sie jedenfalls. Während Marie und Martin noch mit ihrem Zorn ringen, freuen sich zwei junge Männer. „Endlich mal entspannt, oder?“ feixt er seinen Kumpel an. In sechs Monaten will die Bibliothek ihr Konzept übrigens evaluieren, bis dahin gilt noch: des einen Freud, des anderen Leid.
Moritz Herrmann