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Die neue Sozialbindung für Wohnungen belastet die Bezirke.
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Mietenpolitik: Neue Sozialbindung für Wohnungen belastet die Bezirke

Wer ab Mai eine kommunale Wohnung im Osten Berlins mieten will, braucht einen Wohnberechtigungsschein und muss darauf wohl lange warten.

Die Wohnungsämter im Osten Berlins stehen vor großen Herausforderungen. Denn rund 63.000 städtische und 22.000 genossenschaftliche Wohnungen in Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf, Treptow-Köpenick und Pankow werden ab Mai nicht mehr frei vermietet. Wer eine solche Wohnung sucht, muss künftig einen Wohnberechtigungsschein (WBS) vorweisen, der belegt, das sein Besitzer unter einer gesetzlich festgelegten Einkommensschwelle liegt. Abzüglich Steuern, Kranken- und Sozialversicherung, Werbekosten und Freibeträgen sind das bei Alleinstehenden 16.800 Euro jährlich. Bei einem Zweipersonenhaushalt 25 200 Euro zuzüglich 700 Euro je Kind.

Die Formulare für einen Wohnberechtigungsschein gibt es bei den Bürgerämtern oder online bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Aber bearbeitet wird der Antrag von den bezirklichen Wohnungsämtern, die jetzt schon große Mühe haben, mit ihrem knappen Personal auszukommen. Der Verband Berlin- Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) befürchtet dann einen Bearbeitungsstau, den es jetzt schon bei den Anträgen für das Wohngeld gibt. Zurzeit liegt die Bearbeitungszeit für WBS-Anträge bei ein bis zwei Monaten. In Marzahn-Hellersdorf beispielsweise gibt es dafür nur einen Mitarbeiter, im Bezirksamt Mitte sind es drei. Die Lage dürfte sich ab Mai durch eine Flut neuer Anträge verschärfen. Die Sozialstadträte treffen sich in der nächsten Woche, um das Problem zu besprechen.

Die zweite Schwierigkeit: Wenn es zu einem Antragsstau kommt, können viele Wohnungen erst einmal nicht belegt werden, weil den Wohnungssuchenden die amtliche Genehmigung fehlt, die neuen vier Wände zu beziehen. Ein noch höherer Leerstand beim Wohnraum für sozial Schwache wäre, jedenfalls zeitweise, die Folge. Momentan sind schon bis zu zehn Prozent der Sozialwohnungen in Berlin ohne Mieter. Hinzu kommt, dass die Wohnungen im Osten Berlins, die von städtischen Wohnungsunternehmen oder Genossenschaften vermietet werden, nicht so preiswert sind, dass Menschen mit schmalem Einkommen, vor allem große Familien, sorgenfrei einziehen könnten. Der Bestand ist nur zu einem geringen Teil mietpreisgebunden. Und es gehören Wohnungen dazu, die keine öffentliche Wohnungsbauförderung mehr erhalten, so dass die Kostenmiete gilt. Bis zu 11 Euro je Quadratmeter, sagen Experten.

Michael Müller
Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD).
© Mike Wolff

Die gesetzliche Belegungsbindung im sozialen Wohnungsbau, die nun wieder greifen soll, ist ein althergebrachtes Mittel staatlicher Ordnungspolitik. Im Osten der Stadt wurde es seit 1995 für Wohnungen angewendet, die mit staatlicher Hilfe von Altschulden befreit oder mit öffentlichen Mitteln modernisiert und instandgesetzt wurden. Sie standen – wie die Sozialwohnungen im Westen Berlins – bis 2003 nur einkommensschwachen Mietern zur Verfügung, die einen Wohnberechtigungsschein besaßen. Dann beschloss der rot-rote Senat, wegen des damals sehr entspannten Wohnungsmarkts, die Belegungsbindung auszusetzen.

Dies wurde mit dem neuen wohnungspolitischen Ziel verbunden, durch eine freie Wohnungsvermietung besonders in den Großsiedlungen und anderen problematischen Quartieren eine bessere soziale Durchmischung zu erreichen. Der Bildung von Armen-Ghettos sollte entgegengewirkt werden, indem besser verdienende Schichten freien Zugang zu den Wohnungen bekamen. Ein Konzept, das bescheidene Erfolge erzielte, angesichts zunehmender Wohnungsnot und steigender Mieten jetzt aber wieder in der Schublade verschwindet.

Das neue Credo hat Stadtentwicklungssenator Michael Müller jetzt verkündet. Er will die Wohnungsnot „insbesondere in zentraler städtischer Lage“ durch die Wiedereinführung der Belegungsbindung bekämpfen. Grundlage dafür sind Kooperationsverträge mit 8 Wohnungsbaugesellschaften und 26 Genossenschaften, in denen die Bindung für städtische Unternehmen bis 2018 und für Genossenschaften bis 2021 festgeschrieben ist. Diese freiwilligen Vereinbarungen ersetzen die gesetzliche Belegungsbindung, die für den Osten der Stadt Ende 2013 ausläuft.

Maren Kern, Geschäftsführerin der BBU, bleibt vorerst skeptisch. Statt losgelöster Einzelmaßnahmen fordert sie ein wohnungspolitisches Gesamtkonzept, „das nur gemeinsam und im Dialog erarbeitet werden kann“.

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