Michael Müller stellt Kollatz-Ahnen und Geisel vor: Neue Senatoren wollen bauen und investieren
Mit der Vorstellung der künftigen SPD-Senatoren zeichnet sich ab, was auf Berlin bis zur nächsten Wahl 2016 zukommt. Manches klingt vertraut, anderes nach Kurswechsel. Und die CDU verbindet Lob mit Kritik - auch an dem neuen Regierungschef.
Kontinuität und Neuanfang - auf diese beiden Stichworte könnte man die Vorstellung bringen, die der designierte Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) und sein sozialdemokratisches Regierungsteam am Freitagmorgen im Abgeordnetenhaus gegeben hat. Im Saal 190 stellte Müller vor Dutzenden Journalisten seine vier Senatoren vor, darunter zwei neue Gesichter.
Der Hesse Matthias Kollatz-Ahnen wird ab dem 11. Dezember neuer Berliner Finanzsenator. Mit ihm bekomme der Senat, so Müller, "wieder eine Sensibilität für die wichtigen Themen" - ein scharfer Seitenhieb gegen den scheidenden Finanzsenator Ulrich Nußbaum, mit dem sich nicht nur Müller immer wieder darum gestritten hatte, wofür in Berlin Geld ausgegeben werden soll. Kollatz-Ahnen war Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank (EIB) und Wirtschaftsberater.
Der Finanzsenator soll "nicht gleich mitweinen"
Neuer Senator für Stadtentwicklung wird der bisherige Bezirksbürgermeister von Berlin-Lichtenberg, Andreas Geisel (SPD). Der, so Müller, stehe ihm fachlich und inhaltlich "sehr nahe". Chef der Senatskanzlei soll Björn Böhning bleiben, neue Senatssprecherin wird Müllers bisherige Sprecherin in der Stadtentwicklungsverwaltung, Daniela Augenstein. Sie wird dann Staatssekretärin - die erste Frau in einer derartigen Führungsposition im Roten Rathaus, wie Müller betont.
Kollatz-Ahnen (57) weist in seiner Vorstellung darauf hin, dass er sich in seinem Berufsleben vor allem mit europäischen Förderprogrammen befasst hat - von denen auch aus Sicht von Müller künftig Berlin noch mehr profitieren soll. Kollatz-Ahnen ist studierter Ingenieur, Physiker und Volkswirt - und hat bis 1991 bereits zehn Jahre lang in Berlin gelebt. Danach war er aber aus beruflichen Grünen in Hessen, Luxemburg und andernorts zu Hause. Michael Müller erklärt, dass er gezielt einen Senator von außerhalb geholt habe, der Distanz zu den Berliner Themen habe und nicht bei jeder Forderung der anderen Senatoren "gleich mitweint". Zuletzt war er bei der Wirtschaftsberatungsgesellschaft PwC als Senior Advisor tätig und betreute dort vor allem EU-Förderprogramme.
Geisel (48) kündigt als Schwerpunkt seiner Amtszeit einen verstärkten Wohnungsneubau an. Dafür müssten auch Brachflächen bebaut werden, die manchen Berlinern ans Herz gewachsen seien: Die nach Geisels Worten alte Berliner Losung "Alles muss besser werden, aber nichts darf sich ändern" dürfe nicht weiter Maxime des Handelns sein - eine Spitze gegen die Verfechter des unbebauten Tempelhofer Feldes. Außerdem müssten sich die verstärkten Straßenbauprogramme der wachsenden Wirtschaft der Stadt anpassen. Zumal "eines Tages" ja auch der BER fertig werde, wodurch die Verkehrsströme gerade in Nord-Süd-Richtung zunehmen werden. Und Wirtschaftsgebiete "werden nicht mit der Straßenbahn erschlossen". Im Großen und Ganzen wolle er aber Müllers bisherige Politik als Stadtentwicklungssenator fortsetzen.
Kollatz-Ahnen: Eine Mischung aus Sarrazin und Nußbaum
Vorerst werden die beiden neuen Senatoren ja nur bis zum Wahljahr 2016 im Amt sein - auf Nachfrage erklären aber beide, alles dafür tun zu wollen, dass die SPD auch nach 2016 die Berliner Landesregierung stellt. Und dann auch weiter mit ihnen als Senatoren.
Gefragt nach den Besonderheiten seiner Vorgänger Sarrazin - der für einen rigiden Sparkurs stand - und Nußbaum - der eher für einen unternehmerischen Stil stand - sowie seiner eigenen Philosophie, sagt Kollatz-Ahnen: "Ein bisschen ist es beides." Er wolle unternehmerisches Denken und Konsolidierung zusammenbringen.
Müller soll am 11. Dezember nach dem Rücktritt des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) zu Berlins neuem Regierungschef gewählt werden. Am selben Tag sollen die Senatoren vereidigt werden.
Die ersten Glückwünsche schon vor der Vorstellung
Kurz vor der Pressekonferenz war bereits der erste Glückwunsch per E-Mail eingetroffen. "Ich gratuliere Andreas Geisel zu seiner Nominierung als zukünftiger Senator für Stadtentwicklung und Umwelt", schreibt der Vize-Fraktionsvorsitzende Stefan Evers vom Koalitionspartner CDU, der auch für Stadtentwicklung zuständig ist. "Ich habe Herrn Geisel schon in den Koalitionsverhandlungen als umgänglich und konstruktiv erlebt und freue mich auf die Zusammenarbeit." Ein Stadtentwicklungssenator mit DDR-Biographie könne "dem Amt gut tun". Geisel bringe gute Voraussetzungen für die neue Funktion mit. Er, Evers, setze auf ein vertrauensvolles Miteinander in der Koalition. "Es gibt in seinem zukünftigen Ressort eine ganze Reihe von Baustellen, die eines entschlossenen Senators und einer geschlossenen Koalition bedürfen. In diesem Sinne wünsche ich ihm und uns gutes Gelingen."
SPD-Landeschef Jan Stöß lobt Müllers Senatoren als „ein starkes Team für Berlin“. Mit Geisel und Kollatz-Ahnen hole Müller "zwei politische Schwergewichte in den Senat". Beide seien "hoch angesehene Sozialdemokraten mit profunden Kenntnissen in ihren Fachgebieten und einer breiten politischen Erfahrung". Geisels Nominierung sei "auch ein Signal an die Berliner Bezirke". Als Bezirksbürgermeister von Lichtenberg habe der künftige Senator "mit seinem Bündnis für Wohnen in Lichtenberg Maßstäbe gesetzt". Lichtenberg sei unter seiner Führung seit 2011 zu einem der Wohnbezirke mit dem stärksten Zuzug und zu einem "Labor der wachsenden Stadt" geworden. Geisel habe in enger Kooperation mit den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften "den Wohnungsbau entschlossen vorangebracht und steht für unsere Politik für bezahlbaren Wohnraum". Zudem sei es gut, "dass ein gebürtiger Ostdeutscher für die Berliner SPD Verantwortung in dieser wichtigen Senatsverwaltung übernimmt".
Für Kollatz-Ahnen spricht aus Sicht von Stöß, dass er nicht nur in verschiedenen Funktionen als Spezialist für Finanzen auf Landes- und Europaebene gewirkt habe, sondern auch in der Sozialdemokratie "bestens vernetzt" sei. "Mit seinen Positionen zur Stärkung von Investitionen und einer stärkeren Regulierung der Finanzmärkte steht er für eine klare, sozialdemokratische Handschrift in der Finanzpolitik und wird die Interessen Berlins als Finanzsenator bestens vertreten."
Die CDU sieht einen "gehörigen Nachholbedarf"
Kollatz-Ahnen sei ein exzellenter Finanzfachmann, "aber auch jemand, der sich in seiner Biographie etwa als stellvertretender Bundesvorsitzender der Jusos, Mitglied der Antragskommission beim SPD-Bundesparteitag und im Managerkreis der Friedrich-Ebert-Stiftung ehrenamtlich engagiert hat und die Sozialdemokratie gut kennt".
CDU-Fraktionschef Florian Graf verband seine Gratulation mit mahnenden Worten an den Koalitionspartner. „Wir werden den designierten Finanzsenator Kollatz-Ahnen auf den erfolgreichen Konsolidierungskurs der Großen Koalition einschwören: Sparen und Investieren", kündigte er an. CDU und SPD hätten in dieser Legislaturperiode früher als erwartet einen ausgeglichenen Haushalt vorgelegt und begonnen, die Schuldenlast abzubauen. "Diesen erfolgreichen Kurs einer nachhaltigen und wachstumsorientierten Finanzpolitik werden wir als Koalition konsequent fortsetzen." Der designierte Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, Geisel, finde "viele Herausforderungen vor: Sowohl bei der Verkehrsinfrastruktur, als auch beim Stadtschloss oder der künftigen Nutzung des Flughafengebäudes Tempelhof hat Berlin einen gehörigen Nachholbedarf" - eine Einschätzung, die man durchaus auch als Kritik am bisherigen Senator - eben Michael Müller - verstehen kann.
Seitens der Berliner Wohnungsbauunternehmen wurde vor allem die Wahl Geisels gelobt. „Wohnungsneubau und Investitionen in die Stadtinfrastruktur werden jetzt hoffentlich mehr denn je Vorfahrt haben“, erklärte Maren Kern, Vorstand beim BBU Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e.V. Von der Benennung Geisels sei man "angenehm überrascht". Der BBU kenne ihn "als kompetenten Fachmann, dem Wohnungs- und vor allem Stadtentwicklungspolitik am Herzen liegen". Sein Bezirk habe besonders frühzeitig auf die großen Neubauherausforderungen Berlins reagiert. "Dabei hat er sich als Partner für eine kooperative Stadtgestaltung profiliert.“
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