Nach dem Berliner SPD-Landesparteitag: Wowereit zelebriert seinen Abschied - und Müller lässt auf sich warten
Erst in einem Monat wird der neue Regierende Bürgermeister gewählt, bis dahin zelebriert der Amtsinhaber Klaus Wowereit seinen Abschied - und Müller hüllt sich bei der Personalsuche in Schweigen
Aus dem Plan, den designierten Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) schon am 10. Dezember vom Abgeordnetenhaus ins Amt zu wählen, wird möglicherweise nichts. Auch wenn es vernünftig wäre, die Wahl einen Tag vorzuziehen, weil Müller dann am 11. Dezember in aller Ruhe an der Ministerpräsidentenkonferenz teilnehmen könnte, die sich mit der Reform des Länderfinanzausgleichs befasst. Aber der frühere Termin kollidiert mit dem CDU-Bundesparteitag, an dem auch Berliner CDU-Abgeordnete teilnehmen, deren Stimmen Müller im Abgeordnetenhaus braucht.
Wie auch immer das kleine Terminproblem gelöst wird: Bis zur Neuwahl ist noch ein Monat Zeit, die der scheidende Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) unbedingt nutzen will, um seine vielen Abschiedstermine zu absolvieren. Von einem vorzeitigen Wechsel hält er nichts, und die Berliner müssen sich damit abfinden, dass vor Weihnachten nur noch verwaltet, aber nicht regiert wird. Seitdem Wowereit Ende August seinen Rücktritt ankündigte, ist die Senatspolitik weitgehend zum Stillstand gekommen. Zum Jahresbeginn 2015 müssen die Koalitionspartner SPD und CDU einen neuen Anlauf nehmen, damit der Regierungsbetrieb wieder anläuft.
In den nächsten Tagen wird Müller erst einmal die Öffentlichkeit darüber informieren, mit wem er die vakanten Posten im rot-schwarzen Senat neu besetzen will. Die streng vertrauliche Personalsuche ist dem Vernehmen nach abgeschlossen, es seien noch Fragen im Detail zu klären, hieß es am Wochenende. Spannend ist vor allem die Frage, wer neuer Finanzsenator wird, nachdem der Amtsinhaber Ulrich Nußbaum (parteilos) vor drei Wochen seinen Rückzug bekanntgab.
Prominente Kandidaten von außen haben offenbar abgesagt. Beispielsweise die Staatssekretäre im Bundesfinanzministerium, Jörg Asmussen und Werner Gatzer, aber auch der Finanzminister in Sachsen-Anhalt, Jens Bullerjahn. Intern genannt wurden außerdem der SPD-Fraktionsvize im Bundestag, Carsten Schneider, der ehemalige Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Volker Halsch, und der Finanz-Staatssekretär in Sachsen-Anhalt, Michael Richter. Er ist immerhin gebürtiger Berliner und war in den neunziger Jahren Grundsatzreferent in der Finanzverwaltung des Senats.
Wer sind die neuen Finanz- und Stadtentwicklungssenatoren?
Ob das Gerücht stimmt, dass Müller von allen auswärtigen Kandidaten Absagen bekam, wird vom künftigen Regierungschef nicht bestätigt. Er schweigt eisern. Eine Meldung der „B.Z.“, dass der Chef der Senatskanzlei, Björn Böhning, neuer Finanzsenator werden soll, nahm Müller ebenso amüsiert zur Kenntnis wie der Betroffene selbst. „Ich muss erst mal nachlesen, was da in der Zeitung steht“, sagte Böhning. Energisch dementiert wurde aber nicht. Aus SPD-Kreisen gab es bisher nur den Hinweis, dass nach zwei profilierten Quereinsteigern, Thilo Sarrazin und Nußbaum, mal wieder ein Finanzsenator mit einer „dienenden Rolle“ das Amt übernehmen könnte.
Um die Neubesetzung des ebenfalls vakanten Senatsressorts für Stadtentwicklung macht Müller auch noch ein Geheimnis. Doch bisher werden immer dieselben Namen genannt: Christian Gaebler und Engelbert Lütke Daldrup. Beide sind Staatssekretäre in der Stadtentwicklungsbehörde, die ab Dezember ohne den Senator Müller auskommen muss. Offen ist noch, ob Kanzleichef Böhning im Roten Rathaus bleibt oder andere Aufgaben außerhalb der Landespolitik wahrnimmt. Ihn könnte, wenn er nicht bleibt, der SPD-intern einflussreiche Gaebler ersetzen. Auch im Amt des Senatssprechers ist ein Wechsel zu erwarten.
Die nächste Parlamentssitzung am Donnerstag ist wohl die letzte Gelegenheit für die Opposition, um die alte Regierung mit Klaus Wowereit an der Spitze noch einmal so richtig vorzuführen. Sie dominieren mit zwei Dutzend Anträgen die Tagesordnung und werden versuchen, mit Initiativen zur Änderung des Betriebe- und des Schulgesetzes Konflikte zwischen den Koalitionspartnern SPD und CDU zu befördern.
So beantragen die Linken eine Stärkung des landeseigenen Stadtwerks, um es als Stromanbieter für Privatkunden wirtschaftlich doch noch tragfähig zu machen. Das wäre ganz im Sinne der SPD, aber gegen den Willen der Union. Und die Grünen legen einen Antrag vor, mit dem die Früheinschulung von Kindern rückgängig gemacht werden soll. Dieses Ansinnen wird von den Christdemokraten geteilt, aber von der SPD bisher zurückgewiesen.
Ulrich Zawatka-Gerlach