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Autofahrer missachten oft den roten Radstreifen an der Einmündung der Schöneberger Kolonnen- in die Hauptstraße.
© Jörn Hasselmann

Berlin-Schöneberg: Neue Radspur kommt unter die Räder

Nach einem tödlichem Unfall sollte die Schöneberger Kolonnenstraße sicherer werden. Die Behörden ließen den Radstreifen erweitern und rot einfärben. Aus Sicht der Radler reicht das nicht.

Punkt 12.14 Uhr schert sich der Fahrer im schwarzen Volvo einen Teufel um die durchgezogene weiße Linie und die angrenzende rot gefärbte Radspur am rechten Fahrbahnrand der Kolonnenstraße. Zieht seinen Wagen voll auf die für Radler reservierte Fläche, gibt heftig Gas, kaum zeigt die Ampel Grün, und biegt mit Schwung von der Kolonnenstraße nach rechts auf die Hauptstraße ab. Nur ein paar Minuten später naht ein Opel, runtergekurbelte Fenster, Rapmusik – und der Fahrer ist genau so ignorant.

Ortstermin am Sonntag: Kaiser-Wilhelm-Platz in Schöneberg. Gewiss, nicht jeder Fahrer ist derart rücksichtslos. Etliche akzeptieren die weiße Linie vor der Radspur, die man nicht überfahren darf. Zumal der sonntägliche Verkehr ja moderat ist. Doch wie sicher sind Radler an der Einmündung der Kolonnenstraße in die Hauptstraße auf ihrem neuen roten Streifen, wenn sich die Autos im Berufsverkehr neben ihnen drängeln?

Beide hatten, wie üblich, zugleich grün

Immerhin wurden die durchgehende Linie und rote Farbe Mitte Februar zu ihrem Schutz aufgebracht, nachdem sich am Kaiser-Wilhelm-Platz ein Unglück ereignet hatte: Am 24. Januar erfasste dort ein Lkw eine 52-jährige Radlerin und verletzte sie tödlich.

Beide kamen die Kolonnenstraße herunter, der Laster bog nach rechts, die Frau nach links in die Hauptstraße ab. Beide hatten, wie üblich, zugleich grün. Aber der Lkw-Fahrer nahm die Radlerin nicht wahr, obwohl sein Fahrzeug alle vorgeschriebenen Außenspiegel hatte.

Von der weißen Stopplinie aus war die Radlerin am 23. Januar in den Tod gefahren.
Von der weißen Stopplinie aus war die Radlerin am 23. Januar in den Tod gefahren.
© Jörn Hasselmann

Um die Radler an dieser Gefahrenstelle künftig mehr in den Fokus der Fahrer zu bringen, ließen die Behörden den bisher 1,2 Meter breiten Radstreifen auf zwei Meter erweitern und rot einfärben. Zusätzlich wurde die bislang nur gestrichelte Abgrenzungslinie zur Radspur durchgezogen. Für den motorisierten Verkehr verengte sich die Fahrbahn dadurch von zwei auf eine Spur. Es waren überfällige Maßnahmen, die aber aus Sicht vieler Radfahrer noch nicht ausreichen.

Ingrid Krause bremst am Sonntag mit ihrem Hollandrad vor der Ampel und schimpft. „Im Berufsverkehr weicht hier doch jeder zweite Autofahrer auf unseren roten Streifen aus.“ Sogar Linienbusse hat die 42-Jährige dabei beobachtet. Radlerinitiativen fordern deshalb, die weiße Linie müsse zusätzlich mit Pollern gesichert werden.

„Ein prima Idee“, meint Bert Luckner, der hier oft entlangradelt. Allerdings kann er nicht verstehen, wieso der Radstreifen nur auf 15 Metern Länge zurück in die Kolonnenstraße rot gefärbt wurde. „Ein paar Meter mehr würde die Aufmerksamkeit noch erhöhen.“

Die Radfahrerin fuhr hier geradeaus, der Lkw bog rechts ab. Der Bezirk hatte die Markierung bereits heftig kritisiert.
Die Radfahrerin fuhr hier geradeaus, der Lkw bog rechts ab. Der Bezirk hatte die Markierung bereits heftig kritisiert.
© Hasselmann

Luckner muss jetzt laut reden. Ein Lkw verlangsamt mit quietschenden Bremsen, dann lenkt er nach rechts voll auf die Radspur. Vorführeffekt. Und für den junge Mann ein weiterer Grund, sich beim Abbiegen in die Hauptstraße „weit vorne“, noch vor der Haltelinie für Autos und Radler, zu positionieren. Damit ihn die Fahrer bei Grün garantiert sehen.

Fachmännisch ausgedrückt steht er dann auf einem „ausgeweiteten Radaufstellstreifen“, also einer Fläche, auf der sich Radler vor den Autos im Blickfeld der Fahrer aufstellen können. Nur: Einen solchen Streifen gibt es hier noch nicht – obwohl ihn Radaktivisten für „dringend nötig“ erachten.

Christoph Stollowsky

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