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2018 kamen über drei Millionen sogenannte "Club-Touristen" nach Berlin.
© imago/Westend61

Ärger um neue Senatsverordnung: Neue Brandschutzregelungen gefährden Partys in Berlin

Wer mit mehr als 200 Personen feiert, braucht eine Genehmigung? Das sieht eine neue Senatsverordnung vor. Die Kritik ist groß.

Von Laura Hofmann

Der Titel ist sperrig, der Ärger potentiell groß. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat einen Rechtsakt erlassen, der Titel: „Verordnung zur Änderung der Betriebs-Verordnung sowie zur Aufhebung der Feuerungsverordnung und der Verordnung über den Bau von Betriebsräumen für elektrische Anlagen“. Klingt schaurig? Ist es auch, findet zumindest die Clubcommission, ein Zusammenschluss von rund 200 Berliner Clubs.

Doch nicht nur ihre wilden Partys könnte es treffen. Die Verordnung hat auch das Zeug, jede größere Geburtstagsparty oder Hochzeit illegal zu machen. So zumindest die Befürchtung. Denn sie sieht vor, dass Veranstaltungen mit mehr als 200 Besuchern in baulich nicht dafür genehmigten Räumen künftig „rechtzeitig“ bei der zuständigen Bauaufsichtsbehörde des jeweiligen Bezirks angezeigt werden müssen. Hintergrund ist die Sorge um den Brandschutz. Einige Politiker und die Clubcommission sehen nun aber einen kompletten Genehmigungsprozess für größere Veranstaltungen auf die Stadt zukommen.

Alle Senatsverwaltungen, in deren Zuständigkeit die Verordnung fällt, müssen diese unterzeichnen

„Wenn jetzt jede Party mit mehr als 200 Leuten angemeldet werden muss, ist das für uns durchaus problematisch“, sagt Sascha Disselkamp, der seit bald 22 Jahren den beliebten Sage Club an der Köpenicker Straße im Bezirk Mitte betreibt. Er fürchtet, dass die Regelung sogar zur Schließung von Clubs führen könnte. Noch befindet sich die Verordnung im Mitzeichnungsprozess.

Das heißt, bevor der Senat sie beschließt, müssen alle Senatsverwaltungen, in deren Zuständigkeit die Verordnung fällt, sie unterzeichnen. In diesem Fall wäre das die Verwaltung von Justiz- und Verbraucherschutzsenator Dirk Behrendt (Grüne). Unterzeichnet ist aber nach Informationen des Tagesspiegel noch nichts. Die Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung und für Justiz äußerten sich am Freitag bis Redaktionsschluss nicht zu dem Thema.

"Es ist zu erwarten, dass ein Großteil der Veranstaltungen dann nicht stattfinden wird"

In einer internen Notiz der Grünen heißt es: „Es ist zu erwarten, dass ein Großteil der Veranstaltungen dann nicht stattfinden wird.“ Die Mitzeichnung der Verordnung werde nicht empfohlen. Angesichts der überlasteten Verwaltung und komplizierter Haftungsfragen sei von einer strikten Verwaltungsauslegung auszugehen. Das könne Kunstausstellungen, Raves, aber auch alle möglichen anderen Veranstaltungen betreffen. Auch die Rechtsabteilung der Clubcommission befürchtet, „dass die Bauaufsicht Maßnahmen anordnen wird, die die Durchführung einer geplanten Veranstaltung nicht finanzierbar oder gar unmöglich machen“.

Mittes Stadtrat für Stadtentwicklung Ephraim Gothe (SPD) sagt: „Das können wir gar nicht leisten.“ Für einen umfangreichen Genehmigungsprozess würde den Bezirken das Personal fehlen. Er bezweifelt außerdem, dass die Zahl von 200 Gästen richtig gewählt ist. Sinnvoller erscheint ihm die Zahl 400, weil damit zumindest die allermeisten privaten Veranstaltungen ausgeschlossen wären.

Mit anderen Maßnahmen versucht der Senat den Clubs in der Stadt zu helfen

Katalin Gennburg, clubpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, kennt die Verordnung noch nicht, ist aber der Meinung, Berlin könne es sich im Zeitalter des Clubsterbens nicht leisten, Clubs wegzuregulieren. „Wir müssen uns das anschauen und darüber diskutieren“, sagte sie dem Tagesspiegel.

Schließlich versucht der Senat mit anderen Maßnahmen, den Clubs in der Stadt zu helfen: Ein Schallschutzfonds, ausgestattet mit einer Million Euro, soll verhindern, dass Musikstätten schließen müssen, weil es Lärmklagen gibt. Bis Januar dieses Jahres hatten zwölf Berliner Clubs jeweils bis zu 100 000 Euro für den schalldämpfenden Umbau ihrer Anlagen oder Räume beantragt.

Im Jahr 2018 kamen drei Millionen „Club-Touristen“ nach Berlin

Darunter die Konzerthalle SO36 in der Kreuzberger Oranienstraße, der Open-Air-Techno-Club Ipse am Flutgraben und der Holzmarkt in Friedrichshain, Nachfolger der Bar 25. Eine Jury aus Experten entscheidet nun darüber, wer den Zuschlag erhält.

Eine Mitte Februar vorgestellte Studie zur wirtschaftlichen Bedeutung der Berliner Clubs kam zu dem Ergebnis, dass die Club- und Veranstaltungsszene 2017 rund 168 Millionen Euro umgesetzt hat. Im Jahr 2018 kamen drei Millionen „Club-Touristen“ nach Berlin. Damit sind Menschen gemeint, die in erster Linie wegen des Nachtlebens in die Stadt kommen. Sie gaben im Schnitt 204 Euro pro Tag aus und sorgten, so die Studie, für einen Gesamtumsatz von 1,48 Milliarden Euro.

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