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Bianca Tchinda schwimmt jeden Tag.
© Thilo Rückeis

Blog über die Probleme in den Berliner Bädern: "’Ne Badewanne hab’ ich zu Hause"

Bianca Tchinda benennt in ihrem „Schwimm-Blog“ die Probleme in Berlins Bädern. Trotzdem schwimmt sie leidenschaftlich gern.

Flugpionier Otto Lilienthal wollten einst in der Luft schweben wie ein Fisch im Wasser. Bei Bianca Tchinda ist es umgekehrt. „Ich bin zwar kein Vogel“, sagt sie, „aber beim Schwimmen hab’ ich das Gefühl, durchs Wasser zu fliegen.“ Gerade zieht die 51-jährige Tempelhoferin ihre Bahnen im Kombibad Mariendorf und genießt die Schwerelosigkeit. Kein Tag vergeht, an dem sie nicht hier oder in einem anderen Bad eine Stunde lang schwimmt. Die schlanke Frau hält sich kurz am Beckenrand fest, rückt ihre Schwimmbrille hoch und lacht: „Also, ich nehm' ja keine Drogen, aber ich bin schwimmsüchtig!“

Deshalb kennt sie fast alle Berliner Bäder so gut wie ihre Schwimmtasche. Und fragt man sie nach Öffnungszeiten, so hat sie diese wie auf Knopfdruck parat. Egal wie unregelmäßig die Betriebszeiten gerade wegen Personalnot und diverser Pannen sind. Beste Voraussetzungen also für Bianca Tchindas „Schwimm-Blog Berlin“ und ihren regen Twitteraccount.

Den betreibt sie seit Juli 2015 mit wachsendem Erfolg. Für die Bäderbetriebe ist der Blog aber keineswegs eine erfreuliche Lektüre. Wird ein Hallenbad von heute auf morgen dichtgemacht, weil mal wieder die veraltete Wasseraufbereitungsanlage ausfällt, steht das sogleich auf Tchindas Plattform. Ärgern sich Badegäste vor verschlossenen Türen, weil Aufsichtskräfte krank sind, aber die Zahl der Bademeister so knapp berechnet ist, dass kein Ersatz einspringen kann, so beschreibt sie dies und fragt nach den Ursachen. Beispiel: Die Alte Halle des Stadtbades Charlottenburg war Anfang des Jahres mehrere Wochen lang geschlossen. Solche Infos sammelt sie selbst oder erhält sie von Usern ihres Blogs. Und dann geht sie den Dingen wie beim Tauchen auf den Grund.

Ihr Namensvorschlag wird ignoriert

Dabei versteht sich Bianca Tchinda keineswegs als Miesmacherin. Nein, die vielfältige „Berliner Bäderlandschaft“ findet sie super. „Schade nur“, sagt sie, „dass längst nicht alles so toll funktioniert, wie es verkündet wird und möglich wäre.“

Aus ihrer Sicht müssten weitaus mehr als nur vier bis sechs Hallenbäder während des Sommers offen bleiben. ,Aber warum, dann gibt’s doch Freibäder?‘, habe sie ein User gefragt. „Unser Sommer ist unzuverlässig“, schrieb sie zurück. Außerdem habe fast kein Freibad abgetrennte Sportbahnen. Und bei schönem Wetter sei dort Kraulen im Getümmel „eher Nahkampf als Schwimmen“. Im Übrigen seien zwei der ganzjährig betriebenen Hallen fürs sportliche Training ungeeignet. „Deren Wasser ist mit 30 Grad zu warm. ’Ne Badewanne hab' ich zu Hause.“

Was ärgert sie noch? Zum Beispiel dass ihr Namensvorschlag für das neu geplante Multifunktionsbad in Mariendorf vom Bezirk „ignoriert wird“. Dabei geht es ihr um die letzte Besitzerin des einstigen Seebades Mariendorf, Helene Lewissohn. Auf Tchindas Blog sieht man ein Foto dieser 1876 eröffneten, damals größten Badeanstalt Berlins. Betrieben wurde das Seebad südlich der Ullsteinstraße vom jüdischen Kaufmann Adolf Lewissohn. Nach dessen Tod führte es seine Tochter Helene bis zur Enteignung durch die Nazis weiter. Nach dem Krieg wurde deren Antrag auf Rückübertragung abgewiesen, das Bad war bis 1950 geöffnet. „Heute gibt es in Tempelhof keinen einzigen Hinweis auf die Lewissohns“, sagt Tchinda.

Deshalb hat sie vorgeschlagen, das neue Bad nach Helene Lewissohn zu benennen. Und sie bleibt dran. So wird das 140. Jubiläum des Seebades auf ihre Initiative hin am 9. Juli im Park der Seniorenresidenz „Alloheim“ gefeiert – auf dem Terrain des früheren Schwimmbeckens.

„Du musst rascher schwimmen als die Fische, dann kriegen sie dich nicht!“, hat Bianca Tchindas Vater ihr geraten, als sie neun Jahre jung war. „Das gibt mir bis heute Schwung“, sagt sie. Beim Schwimmen – und bei ihrem Engagement für Berlins Bäder.

www.schwimm-blog-berlin.de

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