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Foto: Maurizio Gambarini/dpa
© ZB

Brandenburg: Naturschützer kritisieren Einsatz von Folien bei Spargelanbau

Frischer Spargel wird derzeit vier Wochen früher angeboten, was den Anbau wirtschaftlicher macht – dank der fast überall genutzten Folie. Daran üben Naturschützer nun Kritik.

Etikettenschwindel ist bei Spargel nicht ganz abwegig. So ermittelte die Staatsanwaltschaft Hannover gegen einen Landwirt, der am 14. April Spargel aus Spanien und Griechenland als deutsches Produkt, genauer gesagt: als „Nienburger Spargel“ verkaufte. Das machte einige Kunden stutzig, denn Mitte April gab es noch keinen Nienburger Spargel. Jedenfalls nicht vor 20 Jahren, als der Schwindel aufflog.

Heute könnte das kaum noch passieren, denn die Spargelsaison beginnt schon seit Jahren nicht mehr Anfang Mai, sondern gut vier Wochen früher – meist in der zweiten Aprilwoche. Auch in Brandenburg, wo die Saison am 11. April offiziell eröffnet wurde, gibt es bereits seit Tagen frischen Spargel, was aber weniger an der globalen Erderwärmung als an der Folie liegt, unter der die begehrten Stangen wachsen.

„Das ist inzwischen überall so“, sagt Sven Hager, der Geschäftsführer vom Spargelhof Klaistow in Beelitz. „Ähnlich wie im Gewächshaus wird so auch bei geringer Sonneneinstrahlung genug Wärme erzeugt, um die regionalen Produkte früher auf den Markt zu bringen und konkurrenzfähig zu bleiben.“

Kritik an der ziemlich verplanten Landschaft

Denn der Spargel aus Beelitz, dem Spreewald oder dem Elbe-Elster-Land ist zwar aufgrund kurzer Transportwege allemal frischer als die Stangen aus Griechenland oder Übersee, war früher allerdings nur sechs bis sieben Wochen verfügbar, weil die Saison stets am 24. Juni endet. Jetzt gibt es ihn vier Wochen früher, was den Anbau viel wirtschaftlicher macht, erklärt Sven Hager. Außerdem sorgt eine zweite Schwarz-Weiß-Folie unter der dunklen Treibhausfolie dafür, dass der Spargel lichtgeschützt ist, sich nicht wie unter freiem Himmel rasch verfärbt, sondern schön weiß bleibt. Für die Landwirte hat das den Vorteil, dass er nur einmal am Tag gestochen werden muss und nicht zweimal wie früher.

Doch es gibt auch Kritik an der ziemlich verplanten Landschaft. Naturschützer mahnen, dass dadurch der Lebensraum von Pflanzen und Tieren eingeschränkt wird. Andere befürchten, dass die Plastik Touristen abschrecken könnte und manche Anwohner sind einfach genervt. „Wenn ich vor meine Haustür trete, sehe ich nur noch Folie“, sagt eine Frau, die neben einem großen Spargelanbaugebiet im Spreewald wohnt: „Es sieht irgendwie aus wie bei Christo – alles verpackt.“

21 Vogelarten sollen "lokal ausgestorben" sein

Weil im europäischen Vogelschutzgebiet „Mittlere Havelniederung“ nördlich der Stadt Brandenburg seit zehn Jahren Spargel unter Folie angebaut wird, sollen bereits 21 Vogelarten „lokal ausgestorben“, sprich: verschwunden sein – darunter besonders streng geschützte Arten wie der Rotmilan und die Sperbergrasmücke. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) habe die Untere Naturschutzbehörde aufgefordert, die Auswirkung der Folienbespannung zu untersuchen, sagt Brandenburgs Nabu-Landesvorsitzender Friedhelm Schmitz-Jersch: „Wir müssen nach ökologisch vernünftigen Lösungen suchen. Zum Glück sind viele Spargelbauern aufgeschlossen.“

Zu letzteren gehört auch Eckhard Kuhl. „Tier- und Pflanzenschutz ist die Voraussetzung für unsere Arbeit“, sagt der Geschäftsführer beim Spargelhof Sallgast. „Wir werden fast täglich streng kontrolliert und das ist okay. Aber wir müssen auch gegenüber Billiglohnländern wie Polen konkurrenzfähig bleiben und dabei hilft uns die Folie.“ Durch diese könnten die Spargelproduzenten übrigens auf Düngemittel verzichten, sagt Kuhl, dessen Spargel derzeit zwischen 4,50 Euro und 9,50 Euro pro Kilo kostet.

Auf Etikettenschwindel müsse hierzulande niemand mehr hereinfallen, sagen die Spargelbauern. Es sei denn, er kaufe von Fremden am Straßenrand. Ansonsten lasse sich die Herkunft der wohlschmeckenden und gesunden Stangen sowohl im Supermarkt als auch direkt beim Erzeuger lückenlos nachweisen.

Sandra Dassler

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