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Ein Sprung für die Menschheit. Jesse Owens Triumphe bei den Olympischen Spielen 1936 sind bis heute unvergessen.
© picture-alliance/ dpa

Berlin-Charlottenburg: Namensstreit: Jesse-Owens-Schule statt Poelchau-Schule?

Die Poelchau-Schule will sich umbenennen und wird kritisiert. Ihr Sportkoordinator Carsten Richter nennt die Gründe und erklärt, was ein neuer Name bedeuten würde. Und wie finden Sie den Vorschlag?

Herr Richter, die Poelchau-Schule will sich umbenennen. Ist Ihnen denn der Name eines Widerstandskämpfers nicht mehr gut genug?
Schule darf sich weiterentwickeln. Dafür steht unsere Profilbildung, wir sind eine Eliteschule des Sports geworden. Wir wollen aber an bestehende Traditionen anknüpfen und sie an unserem neuen Standort im Olympiapark mit einem besonderen Zeichen weiterführen.

Welches Zeichen meinen Sie?
Zur Diskussion stehen zwei Sportler als Namen: Jesse Owens und Lilli Henoch. Nehmen Sie Owens: Dieser Mann verkörpert nicht nur sportliche Erfolge. Seine Gesamtpersönlichkeit steht ebenfalls für Widerstand in einem besonderen Kontext. Zeit seines Lebens hat er sich mit der Ideologie der Rassentrennung auseinandersetzen müssen. Wie Owens damit umgegangen ist, darin steckt eine besondere Botschaft.

Richter (46) ist Lehrer für Sport, Politik, Geschichte und Erdkunde. Er gehört zum Leitungsteam der Poelchau-Schule.
Richter (46) ist Lehrer für Sport, Politik, Geschichte und Erdkunde. Er gehört zum Leitungsteam der Poelchau-Schule.
© privat

Sie sind als Poelchau-Schule bekannt, spielt das keine Rolle?
Wir wollen uns erweitern und unser schulisches Profil verstärken. Wir können nicht versprechen, dass alle Weltmeister und Olympiasieger werden, aber auf jeden Fall wollen wir Persönlichkeiten ausbilden, die eine Haltung haben. „Be a Champion in Life“ ist unser Motto. Dabei spielt auch der Kampf gegen Ausgrenzung und Diskriminierung eine wesentliche Rolle. Im Sommer war etwa Thomas Hitzlsperger bei uns und hat über seine Erfahrungen mit Homophobie im Fußball erzählt. Mitte November werden wir im Olympischen Dorf eine Lesung für die Schulgemeinschaft aus Owens Buch „Schwarze Gedanken“ veranstalten.

Wie ist überhaupt die Idee zur Umbenennung der Schule entstanden?
Mit der Entscheidung über den Umzug der Schule wegen Asbests in den Olympiapark begannen die Diskussionen über die Entwicklung der Schule an diesem Ort. Der Umzug bringt enorme Vorteile, weil die Schüler früher die Trainingsstätten nur mit Busshuttle erreicht haben, das war kostspielig und eine extreme Belastung für die Schüler. Dann kam der sporthistorische Hintergrund ins Spiel. Jesse Owens hat im Olympiagelände Sportgeschichte geschrieben. Mit seinen sportlichen Erfolgen und seiner Persönlichkeit verkörperte er gegen alle Widerstände die verbindende Kraft des Sports.

Die Pläne zur Umbenennung sind auf Kritik gestoßen. Hat Sie das überrascht?
Der Widerstand ist insofern überraschend, weil dieser Prozess langfristig und demokratisch gestaltet wurde. Alle Gremien haben sich mit großer Mehrheit für die Umbenennung ausgesprochen, Eltern, Schüler und Lehrer. Was mich so ärgert und enttäuscht, ist dass mancher versucht, Poelchaus Anti-Faschismus und Owens Anti-Rassismus gegeneinander aufzuwiegen.

Wie erklären Sie sich den Widerstand?
Er ist auch insofern rätselhaft, als beispielsweise bei der Zusammenfügung des Coubertin-Gymnasiums und der Werner-Seelenbinder-Schule zum Schul- und Leistungssportzentrum Berlin gleich zwei Namen verschwunden sind, darunter der eines kommunistischen Widerstandskämpfers. Das hat jedoch keine Erwähnung gefunden. Es hat mich jetzt auch sehr gewundert, dass Wolfgang Albers von der Partei Die Linke ohne Hintergründe zu erläutern im Abgeordnetenhaus über uns hergezogen ist. Er hätte doch mit der Schulleitung reden können, sein Sohn besucht unsere Schule.

Wer unterstützt Sie bei der Umbenennung?
Der organisierte Sport, also der Landessportbund und der Olympiastützpunkt. Vor allem aber ist es der demokratische Prozess, das Votum von Schülern, Eltern und Lehrern. Eine größere Unterstützung kann man gar nicht haben als die von den Menschen, die für sieben Jahre wie Schüler und Eltern oder für ihr Berufsleben wie die Lehrer jeden Tag in dieser Schule sind.

Wann fällt die endgültige Entscheidung über den Namen der Schule?
Im November beginnen die Schulgremien über die Namensvorschläge abzustimmen. Im Dezember beziehungsweise Januar wird dann die Schulkonferenz abschließend entscheiden und den Beschluss der Bildungsverwaltung übermitteln. In der Namenswahl ist die Schule frei.

Wird der Name Harald Poelchau dann ganz verschwinden?
Die Schule hat schon früh beschlossen, dass die Eingangshalle nach dem Umzug den Namen Harald Poelchaus tragen wird. Auch der Poelchau-Gedenktag, den wir jährlich durchführen, soll am neuen Standort stattfinden. Das ist kein Nebeneinander zwischen Poelchau und Owens, sondern ein Miteinander.

Blick zurück: In der Poelchauschule büffelten Weltmeister

Als Deutschland in Brasilien Fußball- Weltmeister wurde, konnte auch die Poelchau-Schule in Charlottenburg behaupten, einen kleinen Teil beigetragen zu haben. Jérôme Boateng ist ihr prominentester Absolvent. Die Schule nahm 1975 ihren Betrieb auf und suchte nach einem Profil. „Der Sport sollte uns retten – das war die große Chance für die Schule“, schreibt der 2013 pensionierte langjährige Schulleiter Rüdiger Barney in seinem Buch „Die Eliteschule des Sports – der Königsweg?“ Das Siegel Eliteschule des Sports trägt die Schule genauso wie das der Eliteschule des Fußballs. 2007 gewann sie die Schul-WM. Elf Sportarten gehören zum Profil. Bei Olympia 2012 in London nahmen der Ruderer Anton Braun, die Hockeyspielerin Anke Brockmann und die Moderne Fünfkämpferin Annika Schleu teil. Mehrere Fußballprofis von Hertha BSC besuchten die Poelchau-Schule, so Nico Schulz, Änis Ben-Hatira und Hany Mukhtar.

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