Sanierte U-Bahnhöfe: Nächster Halt: Dschungel
Die BVG hübscht ihren Untergrund auf, und die Chefin machte einen Baustellenbesuch. Was Sigrid Nikutta sah? Bedrohte Tiere, saubere Fliesen und Neukölln in der Kaiserzeit.
Die BVG hat den Dschungel entdeckt. Der U-Bahn-Regenwald wächst in der Station Hermannstraße. Jede Säule des neu gestalteten Bahnhofs zeigt verschiedene vom Aussterben bedrohte Urwaldtiere. Darunter der Rote Paradiesvogel, der Blauparadiesvogel, der Feueraugenpapagei, die Langschwanzkatze und viele, viele mehr. Insgesamt 80 bedrohte Arten aus den Wäldern Amerikas, Afrikas und Asiens. Vielleicht hilft es ja den Tieren, wenn täglich Zehntausende von Fahrgästen an ihnen vorbeihasten. Schön ist der Dschungel auf jeden Fall.
„Wir wollten mal etwas anderes machen“, erzählt U-Bahn-Bauchef Uwe Kutscher bei einer Baustellenbegehung mit seiner Chefin Sigrid Nikutta. Die wollte mal sehen, wie es auf den Bahnhöfen der U 8 und U 6 vorangeht. Leinestraße, Boddinstraße und Hermannstraße mussten aufwendig grundsaniert werden. Bei der Hermannstraße, erst 1996 frisch errichtet, war das gar nicht geplant. Hier sollten nur ein paar Fliesen wieder angeklebt werden. Letztlich wurden aber 1,5 Millionen Euro verbaut. 1996 war gepfuscht worden. „Wer war denn da verantwortlich?“, fragt Nikutta spontan. „Der Senat“, sagt Kutscher. Inzwischen managt die BVG ihre Baustellen selber.
Ab 20. Oktober soll die U 8 wieder normal verkehren
Die U-Bahn kann derzeit nur eine Seite des Bahnsteigs an der Hermannstraße nutzen, auf der anderen wird noch gebaut. Im Berufsverkehr fährt nur jeder zweite Zug bis zur Endstation. Ab 20. Oktober soll die U 8 wieder uneingeschränkt fahren.
Der Dschungel wurde vom Berliner Illustrator Felix Scholz handgemalt, anschließend digitalisiert und auf Steinzeugfliesen gebrannt. Auf der Glasur ließen sich Graffiti relativ einfach entfernen, sagt U-Bahn-Architekt Martin Renz. Zusätzlich wurde auf den drei neuen Bahnhöfen die Kameraüberwachung vervollständigt. Jetzt gibt es praktisch keinen Winkel mehr, den die roten Fischaugenobjektive nicht beobachten. Die ersten Sprayer seien bereits erwischt worden, sagt eine BVG-Mitarbeiterin.
Die Bahnhöfe Boddin- und Leinestraße haben ihr altes Design zurückerhalten, hier besteht Denkmalschutz. Die Fliesen wurden komplett erneuert, im gleichen Farbton. Zusätzlich sind jetzt historische Aufnahmen Neuköllns zur Kaiserzeit zu sehen. Auch der klassische U-Bahn-Asphalt ist wieder da. Kutscher hätte gerne helle Granitfliesen verlegt wie an der Hermannstraße, durfte er aber nicht. Erlaubt war nur, die abgehängten Decken herauszunehmen und die Installationen zu erneuern. An der Boddinstraße wurden alte Anzeigetafeln erhalten, die historischen Uhren fehlen noch.
Napoleon am Mehringdamm? Schwer vermittelbar
Der Bahnhof Mehringdamm an der U 6/U 7 hat ein modernes Design mit graubraunen Fliesen und metallischem Schriftzug erhalten. Kutscher erzählt, man habe überlegt, an den alten Namen Belle-Alliance-Straße zu erinnern, mit Reminiszenzen an die Befreiungskriege, habe das aber wieder verworfen. Napoleon am Mehringdamm hätte sich nur nach längerer Erklärhilfe erschlossen, und dafür nimmt sich der typische U-Bahn-Nutzer kaum die Zeit.
Letzte Station des Rundgangs ist der Mehringplatz, wo noch bis 2016 an der Tunnelabdichtung gebaut wird. Bei laufendem Betrieb. Die Baustelle beeinträchtigt vor allem das oberirdische Leben. Der Platz samt Brunnen, Säule und Viktoria ist von Baustellenzäunen umzingelt. Um die Anwohner während der Bauzeit für diese Kalamität zu entschädigen, lässt die BVG die Säule jetzt abends anstrahlen, in Blau, Weiß und „wechselnden herbstlichen Farben“. Eine Vorwegnahme des „Festival of Lights“, das am 10. Oktober beginnt. 2016 gehen die Lichter dann wieder aus.