Baumblütenfest in Werder fällt 2020 aus: Nachhaltiger feiern als Ziel
Das Baumblütenfest in Werder fällt 2020 aus. Die Stadt will weg vom großen Alkoholexzess.
Das Baumblütenfest im brandenburgischen Werder (Havel), das größte Volksfest in Ostdeutschland, fällt im nächsten Jahr aus. Das Rathaus teilte am Dienstag in einer Presseerklärung mit, dass das Vergabeverfahren für die Veranstaltung im Jahr 2020 erfolglos blieb. "Wir haben einen Partner gesucht, mit dem wir das Baumblütenfest unseren Vorstellungen entsprechend neu ausrichten können", teilte Bürgermeisterin Manuela Saß (CDU) am Dienstag mit. Das sei nicht gelungen. "Es hat sich gezeigt, dass wir für einen echten und nachhaltigen Richtungswechsel eine andere Herangehensweise und mehr Zeit benötigen."
Im März war das Vergabeverfahren deutschlandweit bekannt gemacht worden, der Vertrag mit dem bisherigen Dienstleister war ausgelaufen. Den Angaben zufolge hat die Stadt im Landkreis Potsdam-Mittelmark nach der Ausschreibung für das Betreiben der zentralen Festmeile kein – aus Sicht des Rathauses – passendes Angebot bekommen. Zwar habe der bisherige Veranstalter, die Wohlthat Entertainment GmbH mit Sitz in Berlin, ein Angebot vorgelegt, dies soll aber nicht zufriedenstellend gewesen sein, wie der Tagesspiegel erfuhr.
Es habe etwa zu der vom Veranstalter verlangten Geldsumme und über die Kostenübernahme für die Sicherheitsvorkehrungen keine Einigkeit erzielt werden können, hieß es aus der Stadtpolitik. Fragen, wie mit dem Thema Sicherheit infolge des Terroranschlags am Breitscheidplatz in Berlin 2016 und einem sich verändernden Publikum künftig umgegangen wird, hätten mit zum Scheitern der Vergabe beigetragen, erklärte das Rathaus.
Auf Nachfrage erklärte Stadtsprecher Henry Klix, dass das Baumblütenfest im bisher abgesperrten Bereich, also auf der Festmeile, wozu die Innenstadt mitsamt der Insel gehört, nicht stattfinden wird. Das betreffe auch das Feiern in den Obstgärten, die sich oberhalb der Innenstadt befinden.
Leidtragende des Ausfalls sind die Obstbaubetriebe
Die Wohlthat Entertainment GmbH ist bekannt für zahlreiche Großveranstaltungen, darunter etwa das Fest zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober am Brandenburger Tor, die Silvesterfeier auf der Straße des 17. Juni oder die Botanische Nacht im Botanischen Garten Berlin. Das mehr als eine Woche dauernde Baumblütenfest mit seiner 140-jähriger Tradition gibt es in seiner jetzigen Form mit viel Trubel, Fahrgeschäften und großen Bühnen seit Anfang der 1990er-Jahre. Dem Vernehmen nach soll Rainer Wohlthat der Einzige gewesen sein, der Werder ein Angebot gemacht hat. Er war am Dienstag nicht zu erreichen.
Leidtragende des Ausfalls des Baumblütenfestes im nächsten Jahr sind vor allem die Obstbaubetriebe der Stadt, die bereits Obstwein angesetzt haben, der traditionell auf dem Fest verkauft wird. Es sei für sie eines der zentralen Standbeine, sagte der Werderaner Obstbauer Stefan Lindicke. Falle es weg, dann sei das so, "als ob die Erdbeere kaputt friert oder die Süßkirsche verregnet ist". Die Einnahmen auf dem Fest gleichen denen, die mit einer einzelnen Obstkultur gemacht werde.
Die im Obstbauverein zusammengeschlossenen Höfe wollen nun überlegen, ob die Baumblüte nicht doch im Kleinen gefeiert werden könne – auf den Höfen und zum Teil in den Obstgärten. "Wir müssen uns überlegen, wie wir unsere Höfe füllen können, wenn die Bäume blühen", sagte Lindicke. Und: "Wir müssen uns auf deutlich weniger Gäste einstellen, aber es steckt auch eine Chance dahinter."
Kritik am Ausfall kommt auch vom Schaustellerverband Brandenburg. Der Hotel- und Gaststättenverband Brandenburgs, Dehoga, sowie die Tourismus-Marketing Brandenburg GmbH bedauerten die Entscheidung der Stadt Werder, können ihre Beweggründe dennoch nachvollziehen. Sie setzen darauf, dass das Fest 2021 wieder stattfindet. Dehoga-Hauptgeschäftsführer Olaf Lücke zeigte sich überzeugt, dass auch eine Neuausrichtung im Sinne eines kleineren Festes erfolgreich sein kann: "Gut organisierte Feste mit Qualitätsprodukten aus der Region finden immer Interessenten."
Weniger Rummel und Bambule
Seit Längerem wollen Werders Stadtpolitiker und das Rathaus eine Neuausrichtung des Festes: weniger Alkoholexzesse, Rummel und Bambule – mehr Tradition, Festumzug, Nachhaltigkeit, Genuss in den Gärten und Obstplantagen. Grund dafür ist die wachsende Belastung für die Anwohner und für die Stadt durch das mehr als einwöchige Fest mit seinen rund 200 000 Besuchern: Durch Betrunkene, die in Gärten und an Häuser urinieren, Sexszenen vor Hauseingängen, Drogenkonsum und Gewalt unter Besuchern.
Die Polizei registrierte pro Jahr meist um die 300 Straftaten. Unter den Stadtverordneten war bereits im August die Rede davon, dass es im Zuge eines neu zu erarbeitenden Konzeptes für das Baumblütenfest ein oder zwei Jahre lang keine Festmeile gebe – als Zäsur für eine inhaltliche Neuaufstellung. "Wir gehen davon aus, dass wir in zwei Jahren wieder ein Fest veranstalten können", sagte Stadtsprecher Klix. Das Baumblütenfest genieße eine herausragende Bedeutung für das Image des staatlich anerkannten Erholungsortes, dem müsse Rechnung getragen werden. Die Aufhebung des Vergabeverfahrens sei zwar unbefriedigend, erklärte das Rathaus. Dies sei aber auch eine Chance für eine Neuausrichtung dieses wichtigsten regionalen Jahresereignisses. "Unterm Strich wird es darum gehen, unter neuen Vorzeichen eine gemeinsame Basis für ein zeitgemäßes Baumblütenfest zu finden, das zugleich an dessen Ursprünge anknüpft", sagte Bürgermeisterin Manuela Saß. Dafür werde sich Werder die nötige Zeit nehmen.
Alexander Fröhlich