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Gemeinsames Nähen soll Menschen zusammenbringen.
© Gyalpa

Projekte für Geflüchtete: Nach Strich und Faden

Im Gyalpa Open Studio in Moabit wird Willkommenskultur gelebt. Neuangekommene Syrerinnen finden hier sinnvolle Aufgaben, die Mut machen.

Und wo kommst du her? Die Frage wirft Slava kurz aus der Bahn. Plötzlich wird die sonst so quirlige Frau nachdenklich. Das unbekümmerte Lächeln schwindet aus ihrem Gesicht. Slavas Heimatstadt Aleppo liegt in Trümmern. Auch ihr Haus gibt es nicht mehr. Sie hat die Fotos von den Ruinen. „Alles zerstört“, sagt die 27-jährige Syrerin und senkt ihren Blick. Nur noch Frauen und Kinder laufen auf den Straßen herum. Und die Männer? Der Krieg verschluckt sie gnadenlos.

Slava seufzt und sticht mit der Nadel durch den Stoff. Der neonpinke Faden flattert hin und her. Als würde er versuchen, der Trostlosigkeit zu entkommen.

Das will Slava auch. Jeden Freitag Nachmittag kommt sie deshalb ins Berliner Zentrum für Kunst und Urbanistik (ZKU) in Moabit. 15 Frauen treffen sich dort in einem Open Studio zum Stickerei-Workshop. Viele sind wie Slava aus Syrien geflohen. „Auch ein Student aus der Türkei ist dabei“, sagt Rula. Die 34-jährige Bildhauerin aus Qamischli leitet den Kurs. Noch bis Ende dieses Jahres wollen die Teilnehmer eine Art Patchwork-Teppich nähen, der später am ZKU hängen soll.

Die Frauen im Nahen Osten sind Meisterinnen in dieser Nähtechnik. „Meine Oma und meine Mutter machen das auch“, erzählt Rula. Sie selbst habe sich dafür eigentlich kaum interessiert, wie die meisten syrischen Frauen ihrer Generation. Bis sie nach Deutschland kam. „Dass wir das hier gemeinsam machen, das hat für uns eine besondere Bedeutung.“ Es erinnere sie nicht nur an ihre Heimat. Sie hätten auch die gleichen Alltagsprobleme, die gleichen Schwierigkeiten mit der Sprache oder im Jobcenter. „Hier können wir darüber sprechen, uns austauschen und voneinander lernen.“

Vor dem Krieg lebten hier 40 000 Syrer, heute sind es 600 000

Brücken bauen, Begegnungsorte schaffen, Vertrauen stiften: So kann Willkommenskultur aussehen. Dafür engagiert sich Lana Idriss, die Initiatorin des Open Studios im ZKU tatkräftig. Sie reist in den Krisenregion, verbringt viel Zeit in den Flüchtlingslagern in Syrien und Libanon, organisiert Hilfe. 2014 gründet die Bankerin und Chefin von rund 120 Mitarbeiten bei der BHF Bank ein soziales Unternehmen: Gyalpa soll syrischen Frauen ein verlässliches Einkommen verschaffen.

Begegnungsort. Neuangekommene haben die gleichen Alltagsprobleme, hier können sie darüber sprechen.
Begegnungsort. Neuangekommene haben die gleichen Alltagsprobleme, hier können sie darüber sprechen.
© Gyalpa

Weil ihre Männer im Krieg gefallen sind, müssen sie den Lebensunterhalt der Familie sichern. Gyalpa kauft ihnen die handgemachten Taschen, Tücher, Gläser und dekorative Accessoires ab. Die Produkte werden dann hierzulande über die Internetplattform www.gyalpashop.com verkauft. Micro-Trading, also Kleinsthandel nennt sich das.

Natürlich will Idriss als gute Managerin mit der Firma auch Geld verdienen. Und es in gemeinnützige Projekte stecken, die den Geflüchteten zugute kommen. Für die Halbsyrerin, die die gesellschaftlichen und kulturellen Zusammenhänge im Land gut kennt und in der syrischen Gemeinde hierzulande vernetzt ist, ist das ein wichtiges Anliegen. Noch vor der Krise lebten in Deutschland etwa 40 000 Syrer. „Heute sind es 600 000“, sagt sie, „ein enormer Sprung.“ Und eine Herausforderung, denn eine syrische Diaspora, auf die man zurückgreifen könnte, um Hilfsprojekte anzuschieben, gebe es nicht. Außerdem sei für Menschen, die aus einer Dikatatur kommen, soziales Engagement ohnehin nicht die Regel.

"Ich mag das Wort Flüchtling nicht"

Das soll nun der 2015 gegründete Gyalpa Verein leisten. Die große Aufgabe: Bildungs- und Betreuungsangebote für Flüchtlinge bereitstellen. Wobei: „Ich mag das Wort Flüchtling nicht“, fügt Idriss hinzu. Und was sagt sie denn stattdessen? Neuangekommene. Das trifft es gut. Schließlich geht es bei Gyalpa nicht nur ums Helfen, sondern in erster Linie ums Gestalten. Darum, die Zivilgesellschaft und die Eigeninitiative zu fördern.

Das Open Studio im ZKU ist das beste Beispiel dafür. „Wir haben mit Hilfe der einheimischen Trainer einen Ort geschaffen, wo man lernen und lachen kann und der angenommen wird“, sagt Idriss. In den Workshops können die Teilnehmer ihre eigenen künstlerischen Ausdrucksformen entfalten und dadurch ihr Selbstbewusstein stärken. Klassisches Empowerment eben.

Der Patchwork-Kurs von Rula ist genau so ein Kunstprojekt. Bis Ende 2016 steht die Finanzierung. Gelder kommen aus Spenden und Crowdfundingaktionen. 3000 Euro steuerte der Berliner Senat bei. Wie soll es weitergehen? „Die Menschen brauchen einen Job“, sagt Idriss. Doch der Weg dahin führt durch das Dickicht der Bürokratie. Rula sagt, sie habe ein Jahr auf ihren Asylbescheid gewartet. „Diese Warterei ist eine Katastrophe“, sagt Idriss. Auch Arbeitgeber leiden darunter. Deshalb müsse man die Vergabe von Arbeitserlaubnissen dringend vom Asylverfahren abkoppeln, fordert Idriss.

Auch Slava will arbeiten. Am liebsten würde sie eine Ausbildung als Arzthelferin machen. Dafür lernt sie fleißig Deutsch. „Ich muss meinen Weg finden“, sagt sie.

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