Berlin: Myfest, Demos, Polizei: Der Überblick zum 1. Mai
Vor dem 1. Mai ist die linke Szene zerstritten und hat verschiedenste Demonstrationen angemeldet. Die Polizei wird mit etwa 6000 Beamten im Einsatz sein, gibt sich aber entspannt. Ein Überblick.
1987 hatte es in Kreuzberg begonnen. Die berüchtigten Mai-Krawalle jähren sich nun zum 30. Mal, die Bilder vom brennenden Bolle-Markt sind unvergessen, auch wenn sich später herausstellte, dass hier ein gewöhnlicher Brandstifter am Werk war. Die Autonomen erinnern in ihren Aufrufen an das Jubiläum, die Polizeiführung zeigt sich gleichgültig. Am Donnerstag stellten Autonome und Polizei ihre Pläne für den 1. Mai 2017 in Kreuzberg der Presse vor.
DIE POLIZEI
Wie im Vorjahr sind etwa 6000 Beamte im Einsatz. Startort der linksextremistischen Szene ist bekanntlich der Oranienplatz, also inmitten des Myfests. Angemeldet wurde die wichtigste aller Mai-Demos um 18 Uhr nicht. Aber auch das ist der Polizei egal. „Die 18-Uhr-Demonstration wird sich durch Kreuzberg bewegen“, versicherte Polizeipräsident Klaus Kandt. Dass die „revolutionäre“ Abenddemo nicht angemeldet werde, sei kein Grund sie aufzulösen. Die geplante Route durch das Myfest sei zwar „nicht unproblematisch“, dennoch aber handhabbar. „Wir werden versammlungsfreundlich entscheiden, so weit es möglich ist.“
Es habe in all den Jahren unterschiedliche Gemengelagen gegeben, versicherte Kandt: „Die Polizei hat einen deutlichen Anteil am friedlichen Verlauf der letzten Jahre. Wir werden unaufgeregt und gelassen handeln.“ Dem Stichwort Krawall widmete der Polizeipräsident nur wenige Sekunden: „Gewalt wird konsequent eingedämmt.“ Für Andreas Geisel ist es der erste 1. Mai als Innensenator: „Für mich gibt es keinen Grund, von der bewährten Strategie der Deeskalation abzuweichen.“
DIE AUTONOMEN
Die Autonomen sind sich in diesem Jahr uneinig. Dies zeigt sich an der Vielzahl der Aufzüge. Neu sind zum Beispiel zwei Anmeldungen für 16 Uhr: Zeitgleich wird zu den Demos „Jugend kämpft“ (Michaelkirchplatz) und „Solidarität – Befreiung international“ (Spreewaldplatz) mobilisiert. Die Organisatoren der Solidaritäts-Demo sagten, man habe die Demo angemeldet, weil man Flüchtlingen ohne sicheren Aufenthaltsstatus die Teilnahme ermöglichen wolle. Bei einer unangemeldeten Demo seien Repressionen durch die Polizei zu erwarten, da die Teilnahme ein Verstoß gegen das Versammlungsgesetz sei. Dies ist die offizielle Sprachregelung, eigentlicher Hintergrund sind allerdings massive Streitigkeiten in der Szene.
In den vergangenen Jahren hatte es am 1. Mai bei Demos mindestens zweimal Schlägereien zwischen israelfreundlichen und pro-palästinensischen Linksextremisten gegeben. Zudem gibt es in diesem Jahr wieder einen „Aufzug gegen Ausbeutung“ in Neukölln und Antifa-Proteste gegen ein AfD-Fest in Pankow. Die „Solidarität“ will ihre Demo im Myfest enden lassen, das lässt die Polizei aber nicht zu. Die Teilnehmer dieser Demo wollen sich dort der 18-Uhr-Demo anschließen.
DAS MYFEST
Interessanter als der 1. Mai 1987 ist für das Myfest der 19. Dezember 2016. Der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz hat auch Konsequenzen für Kreuzberg. Weite Teile des Bezirks werden für Lastwagen gesperrt, es wird eine äußere, „gelbe“ Zone mit Einfahrtsverboten geben und eine innere „rote“ Zone, in denen quer gestellte Fahrzeuge der Polizei ein Durchbrechen von Fahrzeugen verhindern sollen.
Per Hubschrauber und mit zahlreichen Aufklärungskräften sollen Lastwagen schnell entdeckt werden. Das Myfest war vor 15 Jahren zur Eindämmung der Gewalt vom Bezirk erstmals organisiert worden und hat sich zunehmend zu einem Massenbesäufnis mit vielen Touristen verwandelt. 2017 findet es zum zweiten Mal als angemeldete Kundgebung statt. Es wird weniger Bühnen geben, trotzdem wird die Polizei bei Überfüllung die Zugänge sperren.
GEWERKSCHAFTEN
Der DGB hat wirklich jedes Jahr das gleiche Programm: Es gibt eine Demo zum Brandenburger Tor (Start 9 Uhr nahe Alex), zudem einen Motorradkorso und einen Fahrradkorso. Auch diese sollen an der Kundgebung am Brandenburger Tor enden, die für 10 Uhr angesetzt ist.
WALPURGISNACHT
Der Vorabend des 1. Mai findet wie schon seit einigen Jahren wieder im Wedding statt. Motto der Demo vom Leopoldplatz zum Gesundbrunnen ist: „Selbstorganisiert gegen Rassismus und soziale Ausgrenzung“. Die Polizei ist von einem völlig friedlichen Verlauf überzeugt. „Die Walpurgisnacht ist Normalität“, sagte Kandt – eine gute Entwicklung. Noch vor wenigen Jahren hatte es regelmäßig massive Krawalle am Kollwitzplatz, am Boxhagener Platz oder am Mauerpark gegeben.