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Streitbare Stangen. Gefährden Ausstellungsbesucher und Touristen mit Selfie-Stäben andere Menschen? Am Holocaust-Denkmal sind die Utensilien weiterhin erlaubt.
© Felix Zahn/dpa

Bedrohung am Stiel: Museen hadern mit Selfie-Sticks

Wo Touristen bummeln, sind sie nicht weit: Mit Selfie-Stangen lassen sich ganz bequem Selbstporträts machen. Doch viele Museen haben die Hilfsmittel inzwischen verboten.

Facebook, Twitter und Instagram sind Schuld: Im Zeitalter der Selbstdarstellung in sozialen Netzwerken verrenken sich vor allem Urlauber regelmäßig den Arm, um sich selbst vor dem Eiffelturm, der Kulisse New Yorks oder einem bekannten Kunstwerk auf einem Selbstporträt, genannt Selfie, abzulichten. Bequemer und besser funktioniert das mit Selfie-Sticks: ausfahrbaren Stangen, an deren Ende der Apparat oder das Handy montiert wird – quasi der Verlängerung des eigenen Arms. Doch die sperrigen Hilfsmittel stören Museen weltweit, besonders in den USA haben Häuser wie das New Yorker Museum of Modern Art oder das kalifornische Getty Center strenge Verbote eingeführt. Der Schutz anderer Besucher und der Ausstellungsstücke sei wichtiger als das perfekte Bild für die Facebook-Seite, lautet der Tenor.

Auch Berlin ist voller Touristen, die auf ihren Spaziergängen durch die Stadt immer häufiger Selfie-Stangen dabei haben. Vor dem Brandenburger Tor, dem Fernsehturm oder beim kitschig-schönen Sonnenuntergang auf der Oberbaumbrücke – die Stangen sieht man seit einiger Zeit überall.

Vor allem japanische Reisegruppen nutzen die Sticks

Wer im Schlossgarten Charlottenburg oder im Potsdamer Schloss Sanssouci den Selfie-Stick zückt, muss mit Ärger vom Aufsichtspersonal rechnen. „Die waren bei uns von Anfang an verboten“, sagt der Sprecher der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Frank Kallensee. Vor allem japanische Reisegruppen würden die Utensilien nutzen. Damit kein anderer Besucher eine Stange auf den Kopf oder ins Auge bekommt, muss auf die Hilfsmittel verzichtet werden. „Fotos, die auf dem üblichen Weg gemacht werden, sind natürlich in Ordnung.“

Auch die Staatlichen Museen Berlin (SMB) wollen in ihren 19 Museumshäusern und 15 Sammlungen keine Selfie-Sticks sehen. Nach Aussage einer Sprecherin ist das Verbot der Stangen zwar nicht fest in der Hausordnung verankert, doch würden sie den „sperrigen und scharfkantigen Gegenständen“ zugeordnet – genau wie Stative übrigens. Außerdem gibt es Bedenken, was die Persönlichkeitsrechte betrifft. Was, wenn im Hintergrund des Selfies andere Besucher abgelichtet sind? Schließlich kann man durch die Stangen einen größeren Bildausschnitt erzeugen. Würde ein Besucher darauf bestehen, dass er nicht auf den Bildern eines anderen zu sehen ist, wäre er im Recht. Grundsätzlich sind Fotos für den privaten Gebrauch erlaubt.

Kaum Verbote am Checkpoint Charlie

Im Jüdischen Museum wurden die Selfie-Stangen 2014 verboten. Einen konkreten Anlass dafür gab es zwar nicht, aber die Leitung fürchtet dennoch um die Sicherheit ihrer Ausstellungsstücke. „Aus Erfahrung können wir sagen, dass mit größeren Objekten wie den Sticks oft nicht achtsam genug hantiert wird“, sagt Sprecherin Sylvia Winkler.

Bitte recht freundlich. Gerade Urlauber verwenden häufig Selfie-Sticks, mit denen sich größere Bildausschnitte ablichten lassen. Auch vor dem Bundestag werden sie häufig gezückt.
Bitte recht freundlich. Gerade Urlauber verwenden häufig Selfie-Sticks, mit denen sich größere Bildausschnitte ablichten lassen. Auch vor dem Bundestag werden sie häufig gezückt.
© dpa

Wesentlich liberaler ist die Haltung im Mauermuseum am Checkpoint Charlie. „Wir haben überhaupt wenig Verbote“, sagt Direktorin Alexandra Hildebrandt. Selfie-Sticks seien in der Ausstellung prinzipiell genauso erlaubt wie kleine Hunde. „Im Ernstfall bitten wir die Leute eher, Rücksicht zu nehmen, zum Beispiel bei großen Rucksäcken, die kostenlos weggeschlossen werden können.“ Entsprechend ist auch das Fotografieren für nicht-kommerzielle Zwecke gestattet – allerdings mit kleiner Einschränkung. „Für zwei Euro kann man eine Fotogenehmigung erwerben und erhält ein kleines Bändchen.“ Wer kein Band am Handgelenk trägt und trotzdem fotografiert, bekomme aber keinen Ärger. „Vorschriften gab es zu DDR-Zeiten ja schon genug“, sagt Hildebrandt.

Holocaust-Denkmal hält Unachtsamkeiten stand

Am Denkmal für ermordete Juden sieht man erst gar kein Problem mit Selfie-Stangen. In der Ausstellung wie auf dem Stelenfeld ist das Fotografieren erlaubt. „Und wir können ja nicht bestimmen, wie sich die Besucher fotografieren“, sagt Sprecherin Jenifer Stolz. Zudem hätten sich bislang keine gefährlichen Situationen im Zusammenhang mit Selfie-Stangen ergeben. Auch für das Denkmal stellen sie offenbar keine Bedrohung dar. „Die Stelen halten das aus, wenn jemand aus Versehen mit einem Selfie-Stick dagegen kommt.“

Auf dem Gelände der „Topographie des Terrors“ besteht ebenfalls kein Verbot für die Sticks. Hin und wieder gebe es Besucher, die die Stangen in der Außenanlage nutzen, um Bilder zu machen, sagt Sprecher Kay-Uwe von Damaros. „Bei 4,5 Hektar Fläche und täglich bis zu 4000 Besuchern stört es aber nicht, wenn Einzelne Selfie-Sticks benutzen.“ Die Ausstellung verfolgten die Menschen meist sehr konzentriert und würden daher in der Regel kaum Bilder machen. „Sie wissen, an welchem Ort sie sich befinden und verhalten sich entsprechend zurückhaltend.“

Hype unter Beobachtung

Auch im Deutschen Historischen Museum ist man auf die Selfie-Stangen aufmerksam geworden. „Das hat hier aber noch nicht Überhand genommen“, sagt Sprecherin Sonja Trautmann. Zudem seien die meisten Exponate in Vitrinen ausgestellt und dadurch vor unachtsamen Besuchern geschützt. „Wir beobachten aber, ob sich der Hype verschärft.“ Dann müsste die Selfie-Stange am Ende doch draußen bleiben.

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