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Ein Auto, wann immer man es braucht. Eigentlich eine gute Idee. Aber motiviert das Konzept zum unverantwortlichen Fahren?
© picture alliance / Bernd von Jut

Car2Go und Drive Now: Motivieren zeitbasierte Tarife zum Rasen?

Gelegenheitsfahrer mieten ein Auto und müssen nach Minuten bezahlen – ein Sicherheitsrisiko? Schwere Unfälle mit Mietwagen legen diese Vermutung nahe. Doch die Datenbasis ist dünn.

Der tödliche Unfall mit einem Carsharing-Auto vom Wochenende legt einmal mehr die Frage nahe, ob die Mietwagen mit ihrem zeitbasierten Tarif ein besonderes Sicherheitsrisiko bedeuten. Denn bei mehreren schweren Unfällen in jüngster Zeit war offensichtlich Raserei eine wesentliche Ursache.

Car2Go betreibt in Berlin 1100 Fahrzeuge

Und Passanten wie Experten berichten vom subjektiven Eindruck, dass Carsharing-Fahrer oft besonders rabiat unterwegs sind. Auch Polizeibehörden außerhalb Berlins hat dieses Thema bereits beschäftigt – beispielsweise in Köln 2015, wo zwei Raser in Drive- Now-Autos bei einem illegalen Rennen einen Unbeteiligten umbrachten.

Der Smart, mit dem wie berichtet ein 18-Jähriger in der Nacht zu Sonnabend wohl wegen Raserei in einer Wohnstraße in Mitte aus der Kurve flog und einen gleichaltrigen Fußgänger tötete, gehörte Car2Go. Die Daimler-Tochter betreibt in Berlin rund 1100 Fahrzeuge – und äußert sich auf Nachfrage weder zu Unfallzahlen und Verkehrssünden der Kundschaft noch zur Frage, ob das Tarifsystem unter Sicherheitsaspekten diskutiert wurde oder wird: „Dazu machen wir keine Angaben“, heißt es immer nur.

Bei Car2Go kostet ein Smart 24 Cent pro Minute oder 13,99 Euro pro Stunde. Bei Drive Now, einem Unternehmen von BMW und Sixt, werden für einen hoch motorisierten Mini oder 1er-BMW 31 Cent pro Minute fällig; außerdem gibt es Mehrstundenpakete.

Keine Daten, die die Annahme belegen

„Natürlich können zeitbasierte Modelle dazu verführen, dass man schneller fährt, als man sollte“, sagt Siegfried Brockmann, der die Unfallforschung der Versicherer (UDV) leitet. Allerdings kenne er keine Daten, die diese Annahme belegten. Auch der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft weiß nach Auskunft eines Sprecher nicht, wie schadensträchtig Carsharing-Autos sind: Das sei eine interne Angelegenheit der Anbieter und ihrer jeweiligen Versicherung.

Üblicherweise seien Mietwagen mit sehr hohen Deckungssummen haftpflichtversichert und hätten eine Vollkasko mit Selbstbeteiligung. Bei grober Fahrlässigkeit sei es allerdings möglich, dass die Versicherung nur für einen Teil des Schadens aufkomme und der Fahrer mithafte.

Ungewohntes Fahrzeug

Unfallforscher Brockmann gibt zu bedenken, dass Carsharing-Nutzer „das Fahrzeug nicht gewohnt sind und auch nicht besonders pfleglich damit umgehen wollen, weil es ja nicht ihr eigenes ist“.

Belastbare Daten fehlen auch der Polizei, die nach eigener Auskunft bei Unfällen nicht erfasst, ob es sich um Mietwagen handelt. Einem Bericht, wonach das spätere Opfer – ein Freund der beiden Insassen des Smarts – direkt vor das Auto gelaufen sein soll, widersprach das Präsidium indirekt: Man bleibe dabei, dass der Wagen laut Zeugen sehr schnell durch die Wohngebietsstraße gefahren sei. Die Polizei hat das Auto für weitere Untersuchungen beschlagnahmt.

Drive Now hat schon in der Vergangenheit betont, notorische Verkehrsrowdies fernhalten zu wollen. Das sei in Deutschland allerdings wegen der eingeschränkt verfügbaren Daten von Polizei und Kraftfahrtbundesamt (Flensburg) nur bedingt möglich. Wie viele Kunden wegen der selbsterklärten „Null-Toleranz-Strategie“ bisher ausgeschlossen wurden, war am Dienstag zunächst nicht zu erfahren.

Unfallforscher Brockmann geht davon aus, dass die Anbieter schnell ein Bild ihrer Kundschaft bekämen, da jeder dokumentierte Verkehrsverstoß zunächst bei ihnen als Halter lande. Eine Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen habe vor Jahren gezeigt, dass die Zahl der zuvor erfassten Verkehrsverstöße ein deutliches Indiz fürs Unfallrisiko sei: Wer es gewohnt sei, gegen Regeln zu verstoßen, verursache eben auch eher einen Unfall.

Dass bei vielen der schweren Carsharing-Unfälle – wie auch beim aktuellen – die Fahrer zunächst flüchteten, halten Experten für Zufall: Bei gemieteten Autos sei es eher einfacher als bei privaten, den Fahrer zu ermitteln. So sei als nächstliegender Grund zu vermuten, dass mit der Flucht ein Alkohol- oder Drogendelikt verdeckt werden soll.

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