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Ein Mann mit Visionen. SPD-Fraktionschef Saleh malt Verlegerin Friede Springer aus, wie es sein könnte.
© DAVIDS/Dirk Laessig

Fraenkelufer in Kreuzberg: Moscheen sollen für Berliner Synagoge sammeln

Beim Wiederaufbau des von Nazis zerstörten jüdischen Gotteshauses geht es voran. Das prominent besetzte Kuratorium tagte am Montag zum ersten Mal.

„Wer Schlösser bauen kann, der kann auch Synagogen bauen“, sagt Raed Saleh in jedes Mikrofon, das ihm hingehalten wird. Der SPD-Fraktionschef ist seinem Ziel, die Synagoge am Fraenkelufer in Kreuzberg neu zu errichten, am Montag wieder ein Stück näher gekommen: Das Kuratorium, das den Bau planen und begleiten soll, tagte zum ersten Mal. Dort ist viel Einfluss versammelt: Nicht nur der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) und weitere Politiker, nicht nur Vertreter der Jüdischen Gemeinde und deren Vorsitzender Gideon Joffe, auch zum Beispiel Verlegerin Friede Springer und der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Eric Schweitzer, sind im Kuratorium.

Am Montag sind fast alle da: Der frühere Hamburger Bürgermeister Ole von Beust (CDU) kam mit Koffer, die Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann (Grüne), ist dabei, und auch Antony Colman, eigens aus London gekommener Nachkomme des Architekten Alexander Beer, der die von Nazis und Kriegsbomben zerstörte Synagoge 1913 entwarf. Bei der ersten Sitzung soll es um die Aufgabenverteilung und den Zeitplan gehen.

Zwei Millionen Euro seien im ersten Entwurf des Senats als Planungsmittel im Siwana-Wachstumsfonds drin, sagt Saleh. „Und dann wollen wir anfangen mit Spendensammeln. Eine ganz schöne Aktion, auf die ich mich freue, ist, wenn an einem Freitag hoffentlich bundesweit alle Moscheen für die Synagoge sammeln. Das war zumindest in den Vorabgesprächen vereinbart.“ Saleh hofft, dass zum 85. Jahrestag der Reichspogromnacht von 1938 der Grundstein gelegt werden kann, das wäre also 2023. Das Kuratorium soll den Wiederaufbauprozess begleiten und unterstützen. Die veranschlagten Gesamtkosten von 30 Millionen Euro sollen mehrheitlich durch Spenden und Lottomittel hereinkommen.

Die Jüdische Gemeinde will lieber eine neue Schule

Die Jüdische Gemeinde zu Berlin freut sich über diese Initiative, betont aber, sie selbst habe damit eigentlich gar nichts zu tun. Viel wichtiger als eine weitere Synagoge sei es ihr, endlich eine jüdische Sekundarschule zu errichten. Das Gebäude dafür ist in der Auguststraße vorhanden, muss aber saniert werden, und dafür wird Geld gebraucht. Bisher hat die Gemeinde Schülern nichts anzubieten, die aus dem Grundschulalter heraus sind und nicht aufs Gymnasium gehen wollen. Der Gemeindevorsitzende Joffe betont, das Projekt Synagoge dürfe vonseiten des Berliner Senats finanziell nicht zu Lasten der Jüdischen Gemeinde gehen, die unter anderem plane, eine Jüdische Sekundarschule zu eröffnen.

Doch zurück zum Wiederaufbauplan. In die Synagoge am Fraenkelufer, die derzeit in einem Nebengebäude sitzt, passen 250 bis 300 Menschen hinein, bei größeren Familienfeiern oder anderen Anlässen könne es eng werden, sagt Mario Marcus, Schatzmeister des Fördervereins „Freunde des Fraenkelufers“. Speziell für die Kinder gebe es keine Angebote, und es sei auch nur ein Gemeinschaftsraum da, in dem aber während der Gottesdienste das Essen vorbereitet werde, so dass die Kinder dort nicht spielen könnten. Laut Dekel Peretz, ebenfalls vom Förderverein, soll unter anderem eine Kita auf dem Gelände geschaffen werden.

Die Nachbarn sind einverstanden

Förderverein und Kuratorium sind dafür da, den Bau zu planen und zu begleiten, wobei das Kuratorium sich vor allem um die Finanzierung kümmert. Angesichts der Besetzung des Kuratoriums dürfte das Einwerben von Spenden hier durchaus Aussicht auf Erfolg haben. Wie berichtet, soll ein Architektenwettbewerb unter Beteiligung der Gemeinde klären, was sinnvoll ist.

Die zwischen 1913 und 1916 von dem Baumeister der Jüdischen Gemeinde, Alexander Beer, errichtete orthodoxe Synagoge wurde bei den Novemberpogromen vom 9. auf den 10. November 1938 schwer beschädigt. Nach weiteren Zerstörungen bis 1944 wurde der Sakralbau im Jahr 1958/59 abgerissen. Heute existiert nur noch ein Nebengebäude, das als Synagoge genutzt wird.

Das Grundstück, auf dem die Synagoge einst stand, gehört heute dem Land Berlin. In den 1980er Jahren okkupierten es Hausbesetzer zusammen mit den angrenzenden Altbauten. Später entstanden daraus legale Mietverhältnisse. Bezirksbürgermeisterin Monika Hermann gibt Saleh am Montag deshalb mit auf den Weg, in das Projekt unbedingt die Anwohner einzubeziehen, denn ihnen wird der Neubau praktisch vor die Nase gesetzt. Dies ist auch schon geschehen. Die Nachbarn seien laut Hermann auch dafür, die Synagoge hier wieder zu errichten.

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