Umwelt: Mooswände helfen nicht gegen Feinstaub
Grüne Wände sollten Großstädte von Feinstaub befreien. Daraus wird wohl nichts. Sie könnten als Barrieren sogar zur Verschlechterung der Luftqualität führen.
Mit Moos ist in Berlin nichts los, und dabei soll es auch bleiben. Das hat die Verwaltung dem CDU-Abgeordneten Danny Freymark mitgeteilt, der sich nach der „Bemoosung von Verkehrsschwerpunkten“ erkundigt hatte. Dabei geht es um die Idee, durch bemooste Wände Schadstoffe wie Feinstaub und Stickoxide aus der Luft zu filtern. In Stuttgart wird zurzeit ein entsprechendes Pilotprojekt ausgewertet.
Die dortige Messstelle Neckartor ist seit Jahren die mit den massivsten Grenzwertüberschreitungen bundesweit. Andere Städte betreiben ähnliche Versuche, wieder andere haben entsprechende Pläne verworfen, nachdem Gutachter sie als wenig sinnvoll eingeschätzt hatten.
Mooswände könnten Luftqualität lokal sogar verschlechtern
Die Nachteile betont auch Umweltstaatssekretär Jens-Holger Kirchner (Grüne): „Die Filterwirkung von Mooswänden beschränkt sich auf den unmittelbaren kleinräumigen Nahbereich“, heißt es in seiner Auskunft. Selbst in diesem Nahbereich würden oft weniger als 20 Prozent der Schadstoffe gefiltert – und obendrein vor allem Feinstaub, während die Wirkung bei Stickoxiden noch gar nicht nachgewiesen sei.
Die ganz überwiegend aus Dieselmotoren stammenden Stickoxide sind sowohl für Menschen und Tiere als auch für Pflanzen giftig. Ihre Konzentration ist vor allem in stark befahrenen und eng bebauten Straßen zu hoch: Die Bebauung verhindert die Durchlüftung solcher Straßen und verringert den Verdünnungseffekt, der sich in breiteren Straßen ergibt.
Davor warnt auch die Umweltverwaltung: Abgesehen vom teils unrealistischen Platzbedarf könnten Mooswände als Barrieren die Luftqualität lokal sogar verschlechtern. Oberste Priorität müsse „die Reduzierung der Emissionen an der Quelle haben“ – es werden also Autos gebraucht, die weniger Gift in die Luft pusten.
Pilotprojekt gescheitert
Zur Frage nach möglichen Kosten schreibt Kirchner, eine drei Meter breite, vier Meter hohe und 2,2 Meter tiefe Wand – die Konstruktion besteht aus gewölbten Elementen – koste laut einem Hersteller rund 25.000 Euro. Stuttgart habe für einen 100 Meter langen und drei Meter hohen Abschnitt inklusive wissenschaftlicher Begleitung 560.000 Euro investiert. Und schlechte Erfahrungen gemacht: trotz Beschattung und Bewässerung sei das Moos im Sommer 2017 ausgetrocknet und abgefallen.
„Moose sind eine der ältesten Lebensgemeinschaften überhaupt“, sagt Derk Ehlert, Naturexperte bei der Umweltverwaltung. Sie speichern Wasser; viele Arten können sich ihren lebensnotwendigen Stickstoff aus der Luft oder dem Regen filtern. Einige Moosarten – laut Wikipedia sind etwa 16.000 bekannt – brauchen dauerhaft Feuchtigkeit, andere können austrocknen und sich bei Wassernachschub regenerieren.
„Fast allen Arten ist aber gemein, dass sie keine direkte Sonneneinstrahlung mögen“, sagt Ehlert. In völliger Dunkelheit kämen Moose allerdings nicht zurecht, da sie Photosynthese betreiben, also Kohlendioxid aus der Luft mithilfe von Sonnenlicht zu energiereichen Verbindungen wie Kohlenhydraten umwandeln.
Ehlert erinnert daran, dass es maßgeblich die Moose waren, die vor Jahrmillionen in Mooren zu Kohle und Erdöl wurden. Jenem Erdöl, das heute in Millionen Motoren zu einem ungesunden Mix verbrennt.