Polizei in Berlin und Brandenburg: Mohamed, Elias, Georgine: Die vermissten Kinder
1000 Kinder werden pro Jahr vermisst. Viele sind Ausreißer, einige werden nie gefunden. Wo sind sie?
Der kleine Junge Mohamed, der vor eineinhalb Wochen vor dem Lageso verschwunden ist - an der Hand eines unbekanntes Mannes - , ist noch immer nicht gefunden. Auch die Identität des Mannes ist unklar, sagte eine Polizeisprecher am Sonntagmorgen. Es ist nicht der einzige Fall. 1000 Kinder werden pro Jahr in Berlin als vermisst gemeldet. Diese Zahl ist so hoch, weil Kinder- und Jugendheime jedes Verschwinden ihrer Schützlinge sofort der Polizei melden. Ein großer Teil der Fälle geht auf Ausreißer zurück. Als Rekordhalter gilt laut Vermisstenstelle der Polizei ein Kind, das 50 Mal ausriss. Deshalb bedeuten 1000 Fälle in der Kriminalstatistik nicht 1000 verschwundene Kinder. Die Zahl ist seit Jahren konstant, heißt es im Präsidium. Kinder unter 14 finden sich meist binnen 24 Stunden wieder bei ihren Eltern oder im Heim ein, heißt es bei der Polizei. Je älter die Kinder sind, desto eher handelt es sich um Ausreißer. Gerade erst war eine 13-Jährige aus Müggelheim zwei Tage verschwunden, bis sie wohlbehalten wieder zurückkam.
SANDRA WISSMANN. Als dauerhaft vermisst gilt in den vergangenen 15 Jahren nur ein Kind in Berlin: die zwölfjährige Sandra Wissmann, die im November 2000 in Neukölln verschwand. Von dem als verlässlich beschriebenen Mädchen fehlt jede Spur, seit es für seine Mutter ein Geburtstagsgeschenk kaufen wollte. Nie gab es irgendeinen Hinweis auf seinen Verbleib. Schnell war die Polizei damals davon ausgegangen, dass Sandra Opfer eines Kapitalverbrechens geworden war. Wenige Wochen nach Sandras Verschwinden war in Hellersdorf eine Neunjährige entführt worden. Der Täter hatte das Kind nach vier Tagen wieder freigelassen. Dank der guten Beschreibung durch das Mädchen konnte der Täter schnell festgenommen werden. Ebenso schnell war ermittelt, dass es nicht die erste Tat des Entführers war. Doch eine Prüfung, ob der Mann auch Sandra entführt hat, blieb ohne Ergebnis. Der Täter nahm sich 2006 in der Psychiatrie das Leben. Auf der Internetseite der Polizei wird noch nach Sandra gesucht, es sind 5000 Euro Belohnung ausgesetzt.
GEORGINE KRÜGER. Auf ihrer Internetseite sucht die Polizei aber noch nach einem zweiten Mädchen: Als Georgine Krüger im Jahr 2006 verschwand, war sie 14 und damit Jugendliche. Georgine stieg in Moabit aus einem Bus, 200 Meter von ihrer Wohnung entfernt. Auch sie wurde nie wieder gesehen, weder ihre Kleidung noch ihr Telefon. Das Handy wurde nach Polizeiangaben Minuten nach dem Verlassen des Busses abgeschaltet – und nie wieder in Betrieb gesetzt.
JUREMA DE ANDRADE. Die 13-Jährige verschwand im Jahr 2003, zuletzt wurde sie an der Moabiter Turmstraße gesehen. Die Polizei sucht nicht mehr aktiv nach ihr, da sie zu Verwandten ins Ausland gezogen sein soll. Zudem gibt es Fälle von „Entziehungen“, wenn ein Elternteil in einem Sorgerechtsstreit seine Kinder entführt hat. Beim Bundeskriminalamt heißt es, dass langfristig 99 Prozent der Vermissten zurückkommen. Im Jahr 2014 wurden 7174 Kinder bundesweit als vermisst registriert; aufgeklärt sind 6986 Fälle. Zu den offenen Fällen heißt es beim BKA: „Ein Großteil dieser Kinder sind Flüchtlingskinder oder wurden ihren Sorgeberechtigten entzogen.“
ELIAS STURM. Auch Elias bleibt verschwunden. Die Berliner Polizei befragt derzeit Halter von Autos, die am Tatort gesehen wurden (Mehr lesen Sie in einem Interview mit dem Polizeichef, erschienen in der Tagesspiegel-Schwesterzeitung "Potsdamer Neuesten Nachrichten"). Seit dem 8. Juli dieses Jahres wird der sechsjährige Elias vermisst – vor allem durch soziale Medien erhielt der Fall eine bislang nicht erlebte Aufmerksamkeit. Elias wurde zuletzt auf einem Spielplatz im Wohngebiet PotsdamSchlaatz gesehen. Auf der Suche nach dem Kind wurde sogar das Wasser im Flüsschen Nuthe abgelassen, das sich in der Nähe des Wohnorts befindet. Mittlerweile geht die Polizei davon aus, dass der Junge tot ist – ob er verunglückte oder Opfer eines Verbrechens wurde, ist offen. Nach Einschätzung des BKA zählen zu den ungeklärten Fällen auch die Kinder, die vermutlich ertrunken sind, deren Leiche aber nie gefunden werden konnte. In Tegel war 2006 die Leiche einer ertrunkenen Achtjährigen erst nach mehreren Tagen gefunden worden.