Bekämpfung der Straßenprostitution: Mittes Bürgermeister kann sich Sex-Boxen am Tempelhofer Damm vorstellen
Der Bezirk Mitte will die Straßenprostitution im Kurfürstenkiez loswerden. Bürgermeister von Dassel schlägt deshalb „Verrichtungsboxen“ an anderen Orten vor.
In der Diskussion um die Straßenprostitution im Kurfürstenkiez hat sich Mittes Bürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) für sogenannte Verrichtungsboxen ausgesprochen. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass gleichzeitig das Gebiet rund um die Kurfürstenstraße zur Sperrzone für Straßenprostitution erklärt wird.
Als möglichen Standort für die Boxen schlägt von Dassel die Parkplatzflächen am ehemaligen Flughafengebäude Tempelhof am Tempelhofer Damm vor. Ebenfalls denkbar sei der zentrale Festplatz in seinem Bezirk, der allerdings zu entlegen sein könnte. Auch die Fläche unter dem U-Bahn-Viadukt der Linie U2 am Bülowbogen war bereits für die Verrichtungsboxen im Gespräch.
Die Zustände im Kurfürstenkiez seien deutschlandweit einmalig und von Gewalt und Drogen geprägt, sagte von Dassel. Jeden Tag würden Frauen von Freiern oder Zuhältern schwer verletzt, nur ein sehr kleiner Teil der Gewalttaten werde zur Anzeige gebracht. Auch den Anwohnenden sei der offene Vollzug in unmittelbarer Nähe zu ihren Wohnungen, zum Beispiel in Hauseingängen, nicht länger zuzumuten.
„Durch die Akzeptanz des Ist-Zustandes duldet und befördert das Land Berlin Zwangsprostitution, Gewalt gegen Frauen und Drogensucht von Frauen in existentieller Notlage“, sagt von Dassel. Der grüne Bezirkschef hatte sich vor zwei Jahren bereits für ein Verbot der Straßenprostitution im Kurfürstenkiez ausgesprochen, wurde aber selbst von seiner eigenen Partei gestoppt.
„Man kann das jedes Jahr wiederholen, richtiger wird es dadurch nicht“, sagte Angelika Schöttler, SPD-Bürgermeisterin von Tempelhof-Schöneberg, dem Tagesspiegel. Eine Sperrzone und Verrichtungsboxen am Tempelhofer Damm lehnt sie ab. Auch der Senat ist gegen ordnungsrechtliche Einschränkungen der Straßenprostitution. „In Berlin ist die Einrichtung von Sperrbezirken nicht geplant und nicht sinnvoll“, sagte Gleichstellungsstaatssekretärin Barbara König. Sperrbezirke würden Menschen wegsperren, keine Probleme.
Erfahrung aus Köln: Gewalt gegen Frauen hat deutlich abgenommen
„Wollen wir wirklich öffentliche Gelder dafür ausgeben, dass Männer billigen Sex haben können?“, fragte von Dassel rhetorisch. Seiner Meinung nach könnten die Sex-Boxen trotzdem ein Kompromiss sein, weil sie Frauen besser vor Gewalt schützen würden.
Von Dassel beschreibt die von ihm gewünschten Vorrichtungen wie Carports, die Freier mit dem Auto befahren. Sie sollen so gestaltet sein, dass es an der Beifahrerseite gut möglich ist auszusteigen, an der Fahrerseite aber der Wagen so nah an einer Wand steht, dass das Fahrzeug nicht einfach verlassen werden kann. Außerdem ist ein Alarmknopf neben der Beifahrertür vorgesehen.
Schöttler dagegen spricht sich für kleinere Boxen aus, die nur für Fußgänger oder Fahrradfahrer zugänglich sind. In Köln gibt es solche Vorrichtungen bereits, in einem Industriegebiet außerhalb der Stadt. In Berlin waren die Sex-Boxen vom Runden Tisch Sexarbeit unter dem Vorsitz Schöttlers ins Gespräch gebracht worden.
Die Bilanz in Köln ist positiv: Die Gewalt gegen Sexarbeiterinnen habe massiv abgenommen, sagt von Dassel. Ein ähnlicher Versuch in Dortmund wurde 2011 allerdings wieder beendet. Dort entstand rund um die Verrichtungsboxen der größte Straßenstrich Deutschlands. Daraufhin richtete die Stadt ein Sperrgebiet für die ganze Stadt ein. Berlin und Rostock sind die einzigen deutschen Großstädte, die nicht über ein Sperrgebiet verfügen.