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Der Kiez um die Amsterdamer Straße in Wedding wird immer hipper. Neue Restaurants, Bars und Cafés locken Studenten und junge Familien. Sie alle brauchen Wohnraum – und der wird immer umkämpfter.
© Doris Spiekermann-Klaas

Milieuschutz in Berlin: Mitte prüft erstmals Vorkaufsrecht

In Wedding steht ein Wohnhaus zum Verkauf. Um Spekulanten zuvorzukommen, prüft der Bezirk, in den Kaufvertrag einzusteigen.

Friedrichshain-Kreuzberg hat es schon zehnmal getan, nun könnte Mitte nachziehen – und für den Erwerb eines Wohnhauses in Wedding das Vorkaufsrecht des Bezirks anwenden. Es handelt sich um ein Mehrfamilienhaus mit 31 Parteien an der Ecke Amsterdamer und Malplaquetstraße.

Mieter entdecken Inserat für ihr Haus im Internet

Die Mieter hatten sich alarmiert an den zuständigen Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) gewandt, als sie ein Inserat im Internet entdeckten, mit dem ihr eigenes Haus beworben wurde. „Altbau-Eckhaus mit Potenzial in Wedding“, hieß es in der Anzeige. „Das war sehr gut, dass die Mieterschaft sich bei uns gemeldet hat“, sagt Gothe. „So haben wir genug Zeit, alles genau zu untersuchen.“

Noch liegt kein Kaufvertrag auf dem Tisch, er rechnet jedoch in den nächsten Tagen damit. Erst dann kann geprüft werden, ob der Kaufpreis über dem Verkehrswert liegt.

Wedding gehört zu den Ortsteilen, in denen die Mieten deutschlandweit am schnellsten steigen. Um den Leopoldplatz, wo sich auch das betroffene Haus befindet, sind die Mieten nach Angaben des Berliner Mietervereins in den vergangenen drei Jahren pro Jahr und Quadratmeter um einen Euro gestiegen.

Die Malplaquetstraße könnte auch in Prenzlauer Berg liegen: Mehrere Kitas, zahlreiche Cafés, Restaurants und neue Bars locken viele Studenten und junge Familien in den Kiez. Im Erdgeschoss des Eckhauses, um das gerade gefeilscht wird, hat ein Second-Hand-Laden seinen Sitz. Dort werden gebrauchte Ikea-Regale und alte Pelzmäntel verkauft. Gegenüber im Restaurant „Schraders“ bekommt man ohne Reservierung beim Sonntagsbrunch keinen Tisch.

Vorkauf zum Schutz des Milieus auf dem Prüfstand

Ob das Vorkaufsrecht greift, hängt auch davon ab, ob der potenzielle Käufer eine sogenannte Abwendungserklärung unterschreibt, also sich den Zielen des Milieuschutzes verpflichtet. Gothe berichtet, seine Behörde habe bereits Kontakt zur Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) aufgenommen, die im Falle der Ausübung des Vorkaufsrecht zum Käufer würde.

Wenn in einem Milieuschutzgebiet ein Haus verkauft wird, hat der Bezirk zwei Monate Zeit, um in den Kaufvertrag einzusteigen, falls zu befürchten ist, dass der Investor die die Ziele des Milieuschutzes aushebelt. Häufig ist das zum Beispiel dann der Fall, wenn Mietwohnungen zu Eigentumswohnungen werden sollen.

Das kommunale Vorkaufsrecht steht allerdings auf dem Prüfstand. Das Landgericht hat einer Klage der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben gegen Tempelhof-Schöneberg stattgegeben, unter anderem mit der Begründung, dass Häuser, die in einem Gebiet mit einem festgesetzten Bebauungsplan liegen, grundsätzlich nicht dem Vorkaufsrecht unterliegen. Das Urteil zeigt auch: Es reicht eventuell nicht aus, dass ein Haus in einem Milieuschutzgebiet steht. Der Senat legte Berufung ein.

FDP: Das Geld fehlt beim Wohnungsbau

Gothe ist zuversichtlich, „dass das Urteil nicht lange tragen wird“. Auch Florian Schmidt, der grüne Baustadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg, lässt sich von der richterlichen Entscheidung nicht beeindrucken. „Langsam fängt es an, dass auch andere Bezirke mit dem Kaufen beginnen“, freut er sich. Seine Behörde hat sich mit Gothe ausgetauscht. „Wir unterstützen das, wo wir können.“ Die Rahmenbedingungen für den Vorkauf seien perfekt, weil das Land Berlin die Maßnahme gegen Spekulation unterstütze.

Im Falle eines Sozialwohnungsbaus hinter dem Karstadt-Kaufhaus in der Antonstraße in Wedding musste der Bezirk gar nicht eingreifen. Die WBM war sich mit dem bisherigen Eigentümer einig geworden und kaufte das Haus mit101 Wohnungen. „Ein großer Glücksfall“, sagt Gothe.

Die FDP-Fraktion sprach sich am Donnerstag im Abgeordnetenhaus gegen das Vorkaufsrecht aus. Mit dem dafür vorgesehenen Geld werde keine einzige neue Wohnung gebaut, sagte die Abgeordnete Sibylle Meister.

Laura Hofmann

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