Wahlkampf in Berlin: Mit Wasserbüffeln und Handynummern auf Wählerfang
Plakate statt Nazis, Fotomodels, die in Wahrheit anders wählen - die Parteien machen Werbung. Das geht nicht immer gut. Eine Auswahl.
Wahlplakate sind Platzhalter des Erfindungsreichtums. PR-Berater, Grafiker und nicht selten auch die Kandidaten selbst dürfen sich hier für ein paar Wochen von ihrer kreativsten Seite zeigen. Dass das nicht immer gelingt, zeigt sich beim Rundgang durch die zunehmend bunter werdende Stadt. Egal ob inhaltliches Rätselraten oder gestalterische Verrenkung, oft wirken die Plakate unfreiwillig komisch. Und manche Plakate im Wahlkampf um das Berliner Abgeordnetenhaus lassen den Betrachter verwundert zurück.
Während die großflächigen SPD-Aufsteller mit Alltagszenen des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller überzeugen, glänzen die kleineren Laternenplakate durch schwammige Nicht-Aussagen. „Berlin bleibt fleißig“, „Berlin verstehen“ oder auch „Lichtenberg ist kein Plüschsofa“ sind nur ein paar der weißen Schriftstücke auf farbigem Grund, die den Aussagewert eines Fülltexts nur knapp überschreiten.
Auch eines der Plakate der CDU Reinickendorf dürfte sich manchen Betrachtern nicht unmittelbar erschließen. Überdimensional schnuppert dem Wähler ein Wasserbüffel entgegen, versehen mit dem Satz: „Wohlfühlen in Reinickendorf“. Ortskundige allerdings dürften das verstehen: Die Tiere halten die Wiesen am Tegeler Fließ kurz.
Schwerfällige Dickhäuter begegnen dem Wähler auch in der stadtweiten CDU-Kampagne „Starkes Berlin“: Ein größeres und ein kleineres glücklich dreinblickendes Nilpferd schwimmen aufeinander zu, darunter der Slogan „Mehr Zeit für Familie“.
Aber die Berliner CDU wirbt nicht etwa nur mit lieben Tieren, nein auch ein Hollywood-Star scheint es auf die Plakate der Partei geschafft zu haben. Charmant lächelt Dustin Hoffmann von Treptow-Köpenicks Laternen und blickt auf die vorübergehenden Fußgänger. Dass der Schauspieler für seine 79 Jahre erstaunlich faltenfrei aussieht, liegt daran, dass der Kandidat in Wirklichkeit ein 22-jähriger Bürokaufmann ist.
Der Pankower Kandidat der Piratenpartei, Jan Schrecker, möchte seine Wähler gleich ganz persönlich kennenlernen. In Anlehnung an die US- Fernsehserie „Better call Saul“ präsentiert sich der Kandidat in ähnlicher Optik mit der Aufschrift: „Better call Jan“. Und damit die Berliner das leichter tun können, schrieb er seine Handynummer direkt aufs Plakat. Immerhin drei bis fünf Mal am Tag wird Schrecker nun angerufen, sagt er.
Fröhlich lacht dem Betrachter auch das Künstlerplakat des Grünen Kandidaten Turgut Altug aus Kreuzberg entgegen. Strahlend steht der gemalte Atomkraftgegner in seinem mit Wahlkampfforderungen geschmückten Bezirk. Von „Jute statt Plaste“, über „Bio? Logisch!“, bis zur Ohrring-tragenden Kuh, die grinsend „Artgerecht statt Ungerecht“ fordert – der Betrachter verliert sich in dem Wimmelbild aus grünen Klischees.
Für linke Werte soll die renitente „Mietrebellin“ auf den Wahlplakaten der Linken stehen. Entschlossen blickt sie den Betrachter aus ihrem alten Fensterrahmen an, darunter die Aufschrift „Oma Anni bleibt.“
Anni Lenz, wie die Wahlkampf-Oma mit vollem Namen heißt, bleibt auch – aber SPD-Wählerin, wie die SPD auf Twitter prompt konterte.
Viel Aufsehen erregte auch das provokante Plakat der Satirepartei Die Partei, das vergangene Woche an Berlins Laternenpfählen auftauchte. Schnörkellos verkündete es, charakteristisch in weißer Schrift auf rotem Grund: „Hier könnte ein Nazi hängen.“ Sollte man hier den Verantwortlichen einen Aufruf zum Mord unterstellen? Schnell wurden Vergleiche zu dem einst von der NPD benutzten Slogan „Gas geben“ oder der Wahlwerbung der Partei Die Rechte mit dem Slogan „Wir hängen nicht nur Plakate“ gezogen. Oder will Die Partei damit nur sagen, dass überall da, wo ein solches Plakat hängt, eben kein Plakat einer rechtsextremen Partei mehr hängen kann?
Im Endeffekt muss sich wohl der Wähler einen Reim darauf machen, was ihm die Plakate sagen sollen – gut fünf Wochen bleiben den Berlinern noch, die Botschaften zu entschlüsseln.